Machen wir uns nichts vor: Den eigenen Kollegen zu interviewen, ist schwierig. Man kennt sich einfach schon so gut. Kennt die Vorlieben für Rührei mit Speck zum Frühstück. Die Liebe zur Musik. Den Igel in der Tasche. Kurzum: Man weiß um die dunkelsten Geheimnisse – na gut, man meint, sie zu wissen. Nun hat Autor und Kollege Christoph Karrasch ein Buch über sein Projekt »In zehn Tagen um die Welt« geschrieben. Interview: Jennifer Latuperisa-Andresen

Sie haben richtig gelesen. In nur zehn Tagen hat er jeden Kontinent besucht. Warum? Natürlich um ein Buch über eine sehr ungewöhnliche Reise zu schreiben, die zudem von Aufgaben gespickt war, die Christoph von seinen Followern bei Facebook bekommen hat. Diese wiederum haben ihm auch die einzelnen Stopps vorgeschlagen. Grund genug also mit dem Kollegen mal ein ernstes Wörtchen zu reden. Denn sein Werk können wir tatsächlich empfehlen …

Das wolltest Du schon immer mal machen, oder? Ein Buch schreiben. Schon als Kind wahrscheinlich …

Nein. Da wollte ich lieber Musiker, Schauspieler oder Handballer werden …

Hätte Christoph Karrasch denn Talent zum Spitzen-Handballer gehabt?

Ganz unbescheiden: Ja. Ich bilde mir noch heute ein, dass es damals für mehr gereicht hätte, wenn ich nicht mit 18 aufgehört hätte. Aber das sagt sich jetzt mit dem ersten Anfangdreißiger-Bauchansatz auch ziemlich leicht.

Heute reist Du um die Welt und drehst für deinen Blog »Von unterwegs« Videos von den Reisen. Welches, findest du denn, ist Dir am besten gelungen?

Ganz besonders stolz bin ich auf meinen »ersten großen Film«, ein halbstündiges YouTube-Roadmovie von einer Reise, auf der ich von Chicago über Nashville und Memphis bis nach New Orleans gefahren bin. Unterwegs habe ich mit alten Bandkollegen von Carl Perkins dessen Song »Blue Suede Shoes« in einem Studio neu aufgenommen und das Musikvideo zu »Walking in Memphis« nachgedreht. Good Times!

Welches Reisemittel bevorzugst du?

Klingt in Zeiten von leidenschaftlich geführten Rekordstreiks vielleicht merkwürdig, aber: den Zug. Wenn ich Arbeit, Musik und einen Kaffee bei mir habe, könnte ich den ganzen Tag mit der Eisenbahn durchs Land fahren. (Egal welches Land.)

Schon mal die Mini-Bar leer gesoffen?

Wäre vielleicht mal passiert, wenn das mit dem Musikerberuf geklappt hätte. Aber grundsätzlich: Nein. Für teure Mini-Bars bin ich zu geizig.

Schon mal sofort wieder weggewollt nach Ankunft? Wenn ja, wo?

Nein, ich habe noch keinen Ort erlebt, der sich nicht zumindest aushalten ließ.

Schon mal gedacht: Hier bleibe ich? Wenn ja, wo?

Ich habe solche Gedanken regelmäßig in Städten. San Francisco und Amsterdam, Lissabon und Sydney, das wär schon was.

Warum also in zehn Tagen um die Welt? Und nicht in acht oder 13?

Darüber habe ich nie nachgedacht. Den Titel »In zehn Tagen um die Welt« habe ich schon seit Jahren im Kopf. Es war immer klar, dass, wenn ich so eine Reise einmal unternehmen würde, sie genauso stattfinden würde.

Wie kommt man denn dazu, dass aus einer irrwitzigen Idee nachher auch noch ein Film und ein Buch werden?

Dafür kann ich nichts (lacht). Ich hatte lediglich die Reiseidee. Mein Buchverlag und mein Filmproduzent haben Wind davon bekommen und wollten die Geschichte gerne verlegen und produzieren. Sagen wir mal so, ich hatte nichts dagegen …


Warum empfiehlt es sich gen Westen um die Welt zu jetten?

Ich bin gegen die Zeit geflogen, weil sich so der Jetlag besser kontrollieren lässt. So fühlt es sich an, als würde man einfach nur jeden Tag spät ins Bett gehen. Nach Osten überspringt man Zeit und bringt den Rhythmus deshalb schneller durcheinander. Wie ich nach meiner Rückkehr festgestellt hab, ist mein Körper aber eh die ganze Zeit in seinem Heimatrhythmus geblieben.

Wie reist man eigentlich mit Vollgas um die Welt?

Keine Zeit mit Tagflügen verschwenden, immer über Nacht fliegen – und sich vor allem tagsüber an den Etappenzielen viel vornehmen. Ansonsten haut die Müdigkeit einen irgendwann um. Aber machen wir uns nichts vor: #10Tage wird kein Urlaubsmodell der Zukunft werden – und das ist wahrscheinlich auch ganz gut so.

Hat Christoph Karrasch die Ziele nach Massentauglichkeit ausgesucht?

Meine Follower haben die Route im Alleingang bestimmt – es war eine demokratische Weltreise für alle. Die jeweils meist genannten Orte auf jedem der fünf angepeilten Kontinente haben schließlich meine Route gebildet: Lima, Las Vegas, Auckland, Kathmandu und Kapstadt. Hätte ich mir schöner nicht ausdenken können, ehrlich.

Hast du das demokratische System jemals verflucht?

Nein, ich bin ganz überrascht, wie gut es meine mit mir gemeint haben. Routenvorschläge wie Gaza, Syrien, Pjöngjang waren genauso selten wie böse Aufgabenstellungen wie »Er soll mal in den Everglades schwimmen gehen«.

Wo hast du in Las Vegas geschlafen?

In einem 80er-Jahre-Zimmer im Stratosphere – für 30 Euro die Nacht. Hatte ich schon erwähnt, dass ich geizig bin?

Und wieviel Geld hast du im Casino gelassen?

Nicht einen einzigen Cent. Dafür aber im Hospital. Mich hat in Vegas ein fieser Grippevirus übermannt, der mich ins Krankenhaus gebracht hat. Und dieser Aufenthalt hatte es in sich. Einen Monat später kam die Rechnung nach Hause geflattert: knapp 700 Euro. Meine Güte!

Hast du das Projekt nach dem ersten Anzeichen von Fieber verflucht?

Nee, das Projekt nicht, nur das Fieber. Ich konnte nicht begreifen, warum es ausgerechnet jetzt passieren musste. Ich kann von mir aus an 355 Tagen im Jahr krank werden, aber doch nicht an den zehn Tagen, an denen ich auf Weltreise gehe. Wer hat sich das ausgedacht?

Hast du Medikamente gegen den Jetlag genommen?

Da ich auch abgesehen von #10Tage viel unterwegs bin, habe ich oft rezeptfreie Schlaftabletten dabei, die mir durch unruhige Nächte im Flieger helfen. Und: Ja, der Konsum hat während der Weltreise durchaus ein kurzzeitiges Hoch erfahren.

Was war die größte Enttäuschung?

Ich hätte gerne noch ein bisschen mehr Zeit in Lavender Hill, einem Kapstädter Township, verbracht. Ich hatte dort die Aufgabe bekommen, bei einem Hausbauprojekt anzupacken – Estrich verlegen, Wände hochziehen, Wasserleitungen verputzen. Aber unglücklicherweise gab es dort an dem Morgen meines Besuchs eine Schießerei mit einem Toten, weshalb wir den Ort schneller und unter dramatischeren Umständen als gedacht wieder verlassen mussten.

Was war dein aufregendstes Erlebnis?

Spannend im Sinne von schrecklich war der Sprung vom Skytower in Auckland aus 200 Metern Höhe. Ich hatte mich währenddessen die ganze Zeit gefragt: Warum machen Leute so etwas freiwillig? Aber abgesehen davon war Neuseeland ganz traumhaft: Ich bin durch das Hobbitdorf Hobbiton geschlendert, habe in einem knappen Baströckchen den maorischen Kriegstanz Haka getanzt und meiner Haut mit einem vulkanischen Schlammbad etwas Gutes getan. Neuseeland war mit 42 Stunden übrigens mein längster Stopp. Zwei Tage auf ein und demselben Kontinent. Das war schon wirklich wunderbar entschleunigend.

Hast du doch heimlich in Lima ein Meerschweinchen probiert?

Nein, damit hätte ich mich wirklich schwer getan, vor allem nachdem wir ein lebendiges, schwarzes Exemplar mit Knopfaugen gekauft und ihm sogar einen Namen gegeben habe. Spätestens mit Namen kommt so ein Tierchen einfach nicht mehr als Nahrungsmittel in Betracht.

Hast du gehört wie es den Kindern in Nepal nach dem Erdbeben geht?

Ja, ich bin mit der Waisenhausleiterin Maya in Kontakt. Gesundheitlich und körperlich geht es glücklicherweise allen gut. Aber die Situation ist gerade nicht leicht. Es gibt kaum Geld, kaum Essen – und wenn es Essen gibt, dann ist es sehr teuer. Ich versuche hier gerade, ein wenig zu helfen.

Würdest du diesen Trip noch einmal machen?

Spannend wäre es schon, herauszufinden, wie anders eine zweite solche Reise im Vergleich zur ersten aussehen würde. Aber das wird nicht passieren, denke ich. #10Tage hat ja vor allem davon gelebt, dass es ein einmaliges Event war – so was macht man nicht alle Tage.

Welche Ziele stünden denn noch auf deiner Wunschliste?

Ganz spontan würde ich sagen: Rio de Janeiro, Alaska, Fidschi, Luang Prabang (weil es sehr oft für Asien vorgeschlagen wurde und ich keine Vorstellung von diesem Ort habe) und Marrakesch.

Wie lange musstest du dich nach den 10 Tagen ausruhen?

Das Ausruhen war gar nicht so nötig. Was mich aber wirklich überrascht hat war, wie lange diese kurze Reise in mir gearbeitet hat und wie voll mein Kopf nach meiner Rückkehr wirklich war. Ich habe danach drei Monate an meinem Buch geschrieben und bin währenddessen jeden Tag immer wieder auf der immergleichen Route um die Welt geflogen. Das war schon selten intensiv.

Christoph Karrasch, vielen Dank für das Gespräch!

Wer hier wohl zu danken hat. DANKE!!

 

cover karrasch

Christoph Karrasch, 10 Tage um die Welt,
erzählendes Sachbuch, Hardcover,
Klappenbroschur, 256 Seiten,
ISBN-13 9783864930287,
14,90 Euro