Früher strömten Rucksacktouristen ins Land auf der Suche nach Erlebnissen und Erleuchtung. Mittlerweile hat Peru auch für Luxusreisende viel zu bieten – sei es kulinarisch oder kulturell. Text: Ulrike Klaas

Die Luft ist rein wie eine kristallklare Bergquelle und steigt etwas zu Kopf. Nach drei Treppenstufen hört sich der Atem an, als habe er einen Sprint hinter sich. Begleitet von gregorianischen Gesängen steuere ich mein geheiligtes Sauerstoffzelt an – meine Suite im Hotel Monasterio in Cusco.

Willkommen im Hotel Monestario

Es war das erste Fünf-Sterne-Hotel des Landes, als 1999 die Luxushotelkette Orient-Express das traditionsträchtige Kloster bezog und die ersten Luxusreisenden nach Peru lockte. Das Konzept? Reichlich Geschichte, ein luxuriöses Ambiente und eine unbestechlich gute Lage – und Sauerstoff auf den Zimmern. Denn der kann auf rund 3.400 Metern schon mal knapp werden.

Sauerstoffgestärkt lässt sich die Geschichte des Hotels noch besser einatmen. Prunkvolle, eingerahmte Ölgemälde zieren die Arkadengänge. Die dicken Mauern strahlen eine unerschütterliche Ruhe aus. Der Weg vom Priesterseminar zum Luxushotel war steinig und geht Jahrtausende zurück. 1595 wurde das Kloster auf dem Gelände des Inkapalastes Amaru Qhala erbaut, dessen Mauern mit stoischer Gelassenheit schwere Erdbeben und die spanische Besatzungszeit überdauern sollten. 300 Jahre lang war das Monasterio eine Zuflucht der Benediktinermönche. Ein Fels inmitten der Unruhen.

Anden

Ulrike Klaas

Ein Rückzugsort ist es noch heute. Im Innenhof plätschert ein uralter Springbrunnen. Darüber wacht die rund 300 Jahre alte Zeder hoch erhobenen Hauptes in der Mitte des Hofs. Tritt man jedoch über die Schwelle des schweren Holztors am Eingang, fühlt man sich wie ein Maulwurf nach dem Winterschlaf. Autos rattern über die mit Kopfsteinpflaster bestückten engen Gässchen. Händler bieten lautstark Alpaca-Mützen und Handschuhe sowie Taschen und Ponchos im typischen Folklore-Muster an, und Restaurantbesitzer halten den Vorbeieilenden Speisekarten mit Spezialitäten wie Meerschweinchen unter die Nase.

Auf zum Machu Picchu

Auch Jesus hat anscheinend von der kulinarischen Spezialität des Landes gekostet – jedenfalls wenn man nach dem Gemälde in der Kathedrale auf der Plaza de Armas geht. Ich muss zweimal hinschauen: ein Meerschweinchen beim Abendmahl? Stammen die prächtige Kathedrale und ihre rund 200 Gemälde nicht aus der Zeit nach der spanischen Conquista und stellen christliche Motive da? »Viele Gemälde haben Einheimische, indigene Künstler, gemalt«, erklärt Guide Luz. Und die haben ihre Identität mit eingebracht.

So findet sich auch der Sonnengott der Inkas, Inti, auf vielen Bildern, sogar auf der Rückenlehne des Thrones der Mutter Gottes. Überhaupt treffen in Cusco, dem ehemaligen Wirtschafts- und Kulturzentrum der Inka, prächtige spanische Kolonialbauten sowie alte noch immer intakte Mauern aus der Inkazeit aufeinander.

Ulrike Klaas

Als 1532 die Spanier, angeführt von Pizarro, alles Gold und Silber plünderten, einschmolzen sowie Tempel und Paläste abrissen, blieb kaum noch etwas übrig vom ursprünglichen Stadtbild. Eines blieb jedoch über die Jahrtausende gleich: der atemberaubende Anblick der gewaltigen Gipfel der Anden, die die Stadt und ihre rund 300.000 Einwohner umschließen. Fasziniert und atemlos stehe ich jeden Morgen vor dieser spektakulären Kulisse. Und das, obwohl es auf über 3.000 Metern eher heißt: tief durchatmen. Nicht umsonst ist Cusco die Aufwärmstation, ein Höhentraining für Peru-Reisende, bevor es zum wahren Schatz des Landes geht: dem Machu Picchu.

Unterwegs im Luxuszug

Der Orient-Express-Zug bahnt sich seinen Weg durch tiefe Schluchten des Urubamba-Flusses. Vor dem Fenster ziehen Ansammlungen von eingeschossigen Lehmhäuschen mit rötlichen Ziegeldächern vorüber. Unzählige schneebedeckte Berge, die im faszinierenden Farbkontrast zu den niedrigeren saftig grünen Gipfeln stehen, deren Hänge mit Terrassen durchzogen sind, wo Mais, Kartoffeln und was die Erde noch so hergibt, wachsen. Die Landschaft wirkt so üppig, so ergiebig und strotzt vor Fruchtbarkeit. Dass in Peru rund 3.000 verschiedene Kartoffel­sorten existieren, scheint mir nun nicht mehr abwegig.

Ulrike Klaas

Auf den Tellern wechseln die Leckereien wie die Landschaft. Die Fahrt mit dem Hiram Bingham Express ist die luxuriöse Art, den legendären Machu Picchu zu erklimmen. Statt die Muskeln zu strapazieren, lotet man die Kapazität des Magens aus. Im Inneren fühle ich mich schnell in die Zeit des berühmten Namensgebers zurückversetzt: Goldarmaturen, dunkles edles Holz und warme Rottöne versetzen in den zwei Restaurantwaggons und dem Bar- sowie Panoramawaggon geradewegs in die 1920er-Jahre. Allerdings wird Hiram Bingham wohl im Jahre 1911 nicht ansatzweise so komfortabel gereist sein, als er im peruanischen Hochland die alte Inkastadt entdeckte. Der amerikanische Archäologe war allerdings nicht der erste Entdecker, andere Wissenschaftler waren vor ihm da, erkannten aber die Bedeutung der Ruinen nicht.

»Oh, schau mal, Luz, da brennt’s«, mache ich unseren Guide auf schwarze Rauchwolken über den Feldern aufmerksam. »Die Bauern zünden nach der Maisernte ihre Felder aus Aberglauben an« erklärt Luz, »da sie befürchten, dass es ansonsten nicht regnen wird.« Jedes Jahr im Juni würden die Bauern ihre Felder »fein machen« als Dank für die Götter für eine reiche Ernte.

In Peru scheint nahezu alles felsenfest – von den Inkabauten bis hin zum Aberglauben. »Vor mir waren Mauerreste, die zum Feinsten gehören, was die Inkas jemals gebaut haben. Mir stockte der Atem, was mochte dieser Ort darstellen?«, hatte Hiram Bingham nach der Entdeckung geschrieben. Ich bin wie verzaubert. Der erste Blick auf Machu Picchu raubt auch mir den Atem. Dass so etwas möglich ist? Vor mir liegen zahlreiche Gebäude, Terrassen und Stützmauern. Wie konnte ein Volk, das weder Rad noch Eisen kannte, Steine von solchen Dimensionen und in einer solchen Stückzahl auf 2.400 Meter Höhe transportieren und so perfekt aufeinander bauen – ohne Mörtel, sodass noch nicht einmal eine Messer­klinge Platz zwischen ihnen findet?

Machu Picchu

Ulrike Klaas

Wenn einen dieses Meisterwerk der Architektur nicht demütig werden lässt, dann ist es spätestens die Lage. Dicht dunkelgrün bewachsene Berge rahmen das Plateau ein, während rechts und links die Ebene steil abfällt in tiefe Schluchten. Dahinter erheben sich weitere hohe bewachsene Gipfel, um die sich Nebelschwaden winden wie ein Schlange um ihre Beute. Auch 100 Jahre nach seiner Entdeckung gibt dieser mystische Ort Rätsel auf: Wie geheim war die Stadt? Warum entdeckten die spanischen Eroberer die Ruinen nicht? Und welche Rolle hat die Stadt überhaupt in der Zeit der Inka gespielt? Ob man die Antwort jemals finden wird? Erleuchtung suchen hier viele: Auf einer der höchsten Terrassen stehen aufgereiht rund 50 Menschen, barfuß, an den Händen haltend, mit geschlossenen Augen der Sonne zugewandt.

Schweren Herzens in Lima

Soll einem hier ein Licht aufgehen? In Lima, der Hauptstadt Perus, auf den ersten Blick undenkbar. Die Stadt umhüllt eine Glocke aus Trübsal und Melancholie, die das Herz umklammert. Nahezu das ganze Jahr über legt der Nebel des Pazifiks seinen grauen Schleier über die Acht-Millionen-Metropole. Das Mittel gegen Trübsal? Gutes Essen! Dann verwandelt sich die Stadt von einer nichtssagenden grauen Raupe in einen schillernden Schmetterling. Ob bei Sternekoch Gastón, der Ferran Adriá der Peruaner, oder in einem der preiswerten chinesisch-peruanischen Restaurants. Gut gesättigt lässt mich die bedrückende Atmosphäre aus ihren Fängen. Jedenfalls für den Moment. Nicht umsonst soll Lima die kulinarische Hauptstadt Südamerikas sein. Essen macht glücklich! Und daran glauben die Einwohner Limas – felsenfest.

Ulrike Klaas

Anreise. Mit KLM über Amsterdam oder mit Air France über Paris-Charles de Gaulle nach Lima. Flüge der beiden Airlines sind kombinierbar. Von Frankfurt a. M. nach Lima und zurück, mit AIr France oder KLM. Weiter mit LAN Perú nach Cusco.

Hotels. Cusco: Hotel Monasterio, 126 Zimmer im spanischen Kolonialstil und mit peruanischen Folkloreelementen. DZ (mit Sauerstoff) ab € 220 die Nacht. Lima: Miraflores Park Hotel, Fünf-Sterne-Haus im Kolonialstil. DZ ab € 215 die Nacht.

Zug. Dreistündige Fahrt mit dem Hiram Bingham Express ab € 480 p. P. inkl. Eintrittsgeld Machu Picchu, Brunch, Afternoon Tea und Fünf-Gänge-Menü. Preisgünstigere Variante mit dem Vista Dome ab € 80 p. P., Expedition Machu Picchu ab € 27 p. P.