Eine Art Arche Noah, ein sagenhafter Schicksalsberg und ein bis heute ungeklärtes Naturphänomen – Mauritius bietet nicht nur traumhafte Strände. Paradiesische Zustände mitten im Indischen Ozean? Text: Ulrike Klaas

Der älteste Bewohner der Insel ist 82 Jahre alt. Langsam und behäbig wie in Zeitlupe bewegt er sich über Stock und Stein. Sein Blick ist weise und gütig. Manchmal verharrt er wie versteinert, ohne mit der Wimper zu zucken. So lernen wir uns kennen, der alte Mann und ich. Fälschlicherweise interpretiere ich ihn als großen buckligen Stein und setze mich fast auf ihn. Nur ein Wimpernschlag hält mich im letzten Moment zurück. Ich tätschle MTB erschrocken, aber entschuldigend auf den graumelierten Panzer. »Wir haben MTB und die anderen Riesenschildkröten im Jahr 2000 auf der Insel ausgewildert«, erklärt Harinne Francois, die mich über die Ile aux Aigrettes führt. Auch wenn MTB tierisch langsam scheint, für seine Art ist er noch blutjung. Er gehört zur Gattung der Aldabra-Riesenschildkröte, die rund 250 Jahre und älter werden kann. Sein Lebensraum?

Schildkrötenparadies: Île aux Aigrettes

Das 26 Hektar große Inselchen Île aux Aigrettes südöstlich von Mauritius, das umspült vom glasklaren Wasser inmitten der Lagune liegt – ein Naturreservat, das seit 1965 der Mauritian Wildlife Foundation gehört. Es ist eine Art Arche Noah mitten im Indischen Ozean. Das Ziel? Die heimische Flora erhalten und solche Tierarten schützen, die vom Aussterben bedroht sind, wie die Mauritiustaube, die Pink Pigeon.

Ihr Markenzeichen ist das blassrosafarbene Köpfchen, ein Farbton, als habe man weiße Tennissocken mit einem roten Sport-T-Shirt gewaschen. Für den Silberreiher, nach dem das idyllische unbewohnte Eiland benannt ist, kam jedoch jede Hilfe zu spät. Schon im 17. Jahrhundert verschwand er aus dem Inselparadies; ebenso wie der bekannteste Paradiesvogel der Insel: der Dodo, sozusagen der Ureinwohner von Mauritius. Der Körper schwer, die Beine kurz und die Flügel verkümmert, fristete er ein zufriedenes Leben zu ebener Erde. Abheben konnte der kleine, plumpe Vogel nicht, aber da er keine natürlichen Feinde hatte, war das auch nicht vonnöten.

Dodo auf Mauritius

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Mit der Ankunft der Holländer nahte das Ende des Dodos

Gefährlich wurde es erst, als die Holländer Ende des 16. Jahrhunderts und später die Franzosen das Eiland für sich einnahmen. Für ihre mitgebrachten Ziegen, Schweine, Affen und Ratten war der Dodo ein gefundenes Fressen. Zudem fanden auch die menschlichen Eindringlinge Geschmack am zarten Dodo-Fleisch, und so ging es dem armen Tierchen an den Kragen. So kam es, dass 1681 der letzte Dodo gesichtet wurde.

Mauritius wurde spät entdeckt und spät besiedelt. Doch die ursprüngliche Fauna und Flora litt dann stark unter dem menschlichen Befall. Die einst üppigen Wälder aus Ebenholz wurden abgeholzt und das teure Gut nach Europa transportiert. Für die Fauna blieb kaum Lebensraum, so dass Tiere, Pflanzen und Bäume wegstarben wie die Fliegen. Einzig und allein einige Fledermäuse und Vogelarten überlebten. Auf der Île aux Aigrettes sehen die Besucher, wie es früher einmal ausgeschaut hat. Dort wachsen Flaschen-, Drachen- und Rattanpalmen neben Ebenholzbäumen. Ein wahrer Garten Eden.

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Mit dem Speedboat geht es zurück an die Küste. Mit 200 Stundenkilometern pflügt das Boot über das smaragdblaue mit kleinen Wellen gespickte Wasser. An der Küste reihen sich makellose Sandstrände vor hübsch angeordneten Palmen. Und darüber erheben sich üppige, dunkel bewachsene Berge. Es ist ein Paradies für die gehobene Klasse.

Hotspots der Promis

Seit Mitte der 70er-Jahre das Eiland für den Tourismus erschlossen wurde, siedelten sich zumeist exklusive Luxusresorts an. Rund 660 000 Touristen bereisen jährlich den 2 040 Quadratkilometer großen Staat im Indischen Ozean, der damit etwa die Größe der Metropolregion Tokio misst. Unter den Gästen sind auch Promis, die die Insel und den Luxus lieben.

Boris Becker, Claudia Schiffer oder Jogi Löw verbrachten hier ihre Urlaubstage. Am Trou aux Biches an der Nordwestküste, der wohl zu einem der schönsten Strände der Insel gehört, wähnt man sich dem Paradies schon sehr nah. Feinsandiger Strand so weit das Auge schaut, glasklares Wasser, das leise an Land schwappt, und üppiges Grün aus Palmen. Wenn die Sonne sich bis zum nächsten Morgen fulminant verabschiedet, verharrt man gebannt, bis der letzte Farbtupfer ins Schwarze übergeht. Und was macht man tagsüber im Paradies? Man lässt es sich im Beachcomber Trou aux Biches Resort gut gehen, beispielsweise im Spa oder beim Wassersport wie Surfen oder Schnorcheln. Und man genießt – von indischen Spezialitäten bis zu fangfrischen Meeresfrüchten à la Mauritius.

Luxusleben im Beachcomber Trou aux Biches Resort

Sechs Restaurants und zwei Bars bieten eine Auswahl für jeden Appetit. Reetgedeckte Bungalows umgeben von tropischer Natur, ein eigener Pool und ein Butler machen Urlaubsträume wahr. Auch das Dinarobin Hotel im Südwesten der Insel liegt mitten im Grünen. Das Fünf-Sterne-Hotel, wo schon Gäste wie Prinzessin Victoria von Schweden ihr königliches Haupt betteten, bietet ausschließlich Suiten an – viele mit Blick auf den breiten, feinsandigen Strand. Doch wo Licht ist, gibt es auch Schatten.

Der Le Morne Brabant wirft seine dunkle Silhouette über das Strandparadies. Ungestüm, wild bewachsen und fast quadratisch erhebt sich der 556 Meter hohe Berg. Ein Fels in der Brandung?

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Im 19. Jahrhundert flohen viele Sklaven auf Le Morne Brabant und suchten den Schutz des Schicksalsbergs. Als die Sklaven jedoch eines Tages uniformierte Soldaten den Berg stürmen sahen, stürzten sie sich hinab in die Tiefe, dem Ozean entgegen. Doch die Uniformierten waren gekommen, um den einstigen Sklaven das Ende ihrer Gefangenschaft mitzuteilen. Seit diesem Tag feiern die Kreolen jedes Jahr den 1. Februar in Andenken an die tapferen Männer die Befreiung aus der Sklaverei. Paradiesische Zustände?

Am Heiligen See, Grand Bassin genannt, umgeben diverse Tempel und kleine Opferschreine das Ufer. Indisch gekleidete Frauen in farbenfrohen Gewändern und rotem Punkt auf der Stirn legen vor einer der größten blau eingefärbten Götterstatuen, der Mutter Ganga, Bananen nieder. Der Duft von Weihrauch zieht aus dem Haupttempel hinüber. Er legt sich schwer auf die Lunge. Das seit 1968 unabhängige Eiland zählt 1,28 Millionen Einwohner. Davon sind über die Hälfte indischer Herkunft, ein Drittel Christen und ein Sechstel Moslems. Und alle leben friedlich nebeneinander. Kirchen aus braun-rotem Lavastein stehen neben grün-weißen Moscheen und prunkvollen, knallbunten Hindu-Tempeln. Bunt geht es auch zwanzig Autominuten entfernt zu.

Erstaunliches im Black River Gorges National Park

Im Black River Gorges National Park in Chamarel, im Südwesten des Eilandes, zeigt sich die Erde plötzlich in buntem Paradiesgewand.

Black River Gorges National Park auf Mauritius

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Die »Terres des Couleurs«, übersetzt farbige Erde, ist ein vegetationsloses Areal, das sich je nach Sonneneinstrahlung verändert; mal leuchtet es dunkelrot bis rostbraun, dann wieder ocker bis gelb und anschließend rosa bis orange. Die wissenschaftliche Erklärung für dieses Phänomen? Es sollen wohl Oxidationsprozesse dafür verantwortlich sein. Auf Mauritius können Urlauber eben was erleben.

Wer genug von makellosen Sandstränden, Sonnenbaden, Surfen und Schnorcheln hat, kann sich auf kulturelle Pfade oder ins tropische Grün begeben. Das Hinterland bietet sich für ausgedehnte Wanderungen oder Mountainbike-Touren an. Wen es auf einer Tour um die Mittagszeit an die Westküste verschlägt, muss unbedingt in der Escale Créole in Moka Halt machen, einem Table d’Hôte, inmitten eines tropischen Gartens.

Köstliches aus der Küche

Serviert wird kreolisches Traditionsessen, wie Chicken Curry, das nach Ingwer, Koriander und Thymian duftet und im Mund eine wahre Geschmacksexplosion entfacht. Dazu gibt es Reis und Linsen, kleine Hackbällchen und Würstchen. Zwar sieht der Teller mit den Köstlichkeiten nicht wie ein Ausbund an Schönheit aus, aber es schmeckt hervorragend. Vielleicht verhält es sich mit dem kreolischen Essen wie mit dem Hinterland der Insel. Es beeindruckt nicht mit makelloser Schönheit, aber mit faszinierenden Begegnungen. Und ist es nicht gerade das Unperfekte, das aus etwas scheinbar Vollkommenen etwas Liebenswertes macht?

Anreise. Mit Air Mauritius nonstop von Frankfurt a. M. und von München nach Mauritius. www.airmauritius.com

Touren. Geführte Touren über die Insel bietet z. B. White Sand Tours an. Touren und Preise unter www.whitesandtours.com.

Hotels. Die Beachcomber Hotels bieten von exklusiven Hideaways- bis zu gehobenen All-Inclusive-Resorts Hotels für jeden Geschmack. Dinarobin Golf & Spa Resort, eine Nacht im DZ ab € 202 p. P (inkl. HP). Trou aux Biches ab € 164 p. P. die Nacht (inkl. HP), www.beachcomber-hotels.com.