Es gibt sie: Orte, die ein Herz mit Wärme füllen. Luftig leicht ohne Schwere. In bunten – aber nicht grellen – Farben, die allerdings in der Erinnerung niemals verblassen werden. Das Six Senses Laamu auf den Malediven wird für mich ewig ein solches Fleckchen Erde bleiben. Und trägt nun den Titel: »Mein Lieblingshotel«. Text: Jennifer Latuperisa-Andresen

Es ist der letzte Abend.

Malte und ich sitzen bei einer Frozen Margarita im Restaurant und blicken in die Dunkelheit. Um uns herum nur Kerzen und seichte Lichter. Das Meer rauscht. Loungemusik schwappt wie eine Welle sanft und leise von der Bar herüber, während wir in der gemütlichen Bank versinken und uns die Traurigkeit übermannt. Nur noch ein paar Stunden bleiben uns hier im Paradies. Nur noch ein paar Stunden in unserer Over-Water-Villa. Es ist fast so, als seien dies die letzten Minuten unserer Beziehung. Als müssten wir uns trennen. Und ahnen da noch nicht, dass dies ein Abend wird, der alles verändert.

Auf dem Rückweg vom Restaurant zur Villa müssen wir ein paar Meter Holzsteg hinter uns bringen. Wir stoppen für ein Dessert noch kurz am hoteleigenen Eiscafé, um die dort zubereiteten Eissorten zu kosten. Insgesamt hatten wir in den paar Tagen Zeit, uns kostenlos durch 42 Sorten zu probieren. Jede exzellent. Jede überraschend. Serviert von der zierlich kleinen Maledivierin, die immer wieder für eine fruchtige Abwechslung in unserer Eiswaffel sorgt.

Jennifer Latuperisa-Andresen

Danach geht es zum Fahrrad (zu jeder Villa gehören welche, gekennzeichnet mit einem »Nummernschild«, damit man seins auch wiederfindet), und wir treten in die Pedale. Malte warnt mich wieder einmal, dass ich an den Linksverkehr denken solle und lieber vom Rad steigen möge, bevor ich klapprig samt Tretmühle, dem sogenannten Jetty, in den Indischen Ozean plumpse. Fürsorge, wie schön!

Es regnet. Der Himmel weint. Deswegen fällt das Open-Air-Dschungelkino aus. Leider. Wie gerne hätten wir am Strand gelegen und am Firmament einen Film gesehen, während man uns mitten im grünen Dickicht der tropischen Insel eine Tüte Popcorn serviert hätte. Aber so sollte es nicht kommen, wir sollten heimfahren, in unsere Villa. Wir sollten Platz nehmen auf dem riesigen Daybed unserer Terrasse und in ein Gespräch verfallen, das ab sofort unser Leben veränderte. Doch von vorne …

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Bei Ankunft barfuß.

So lautet die Philosophie des Hauses, und deswegen steht das Personal schon mit einem Jutebeutelchen im Transferboot bereit, um die Schuhe samt Socken einzusacken. Malte ist skeptisch. Barfuß-Resort war für ihn der Inbegriff des Hipster-Getues. Ein aufgestülptes Klischee, das ihn praktisch dazu zwingen würde, sich im Kollektiv nach einer irrsinnigen Richtlinie zu verhalten. Es ist also eine Mischung aus Respekt und Angst gewesen, die ich spüre, als der freundliche Servicemitarbeiter höflich nach seinen Schuhen fragt. Ohne Widerworte wandern diese in den Sack. Die totale Kapitulation. Was ein nach Zitronengras duftendes, erfrischendes Handtuch und ein schmackhafter hausgemachter, kühler Eistee alles bewirken können.

Und siehe da: Bei Ankunft auf dem Trauminselchen namens Laamu sind wir barfuß und ad hoc guter Dinge. Die gute Laune ist geradewegs unser steter Begleiter. Und wird nach einigen Stunden im Urlaubstraum durch das machtvolle Wörtchen Glück ersetzt.

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Die Tage sind eine Wonne.

Kein Wecker, kein Frühstücksstress. Kein imaginärer Druck, am frühen Morgen aus dem Bett zu purzeln, um eben das bereits bezahlte Frühstück mitzunehmen. Besteht etwa keine Lust, zum phänomenalen Frühstücksbuffet zu radeln? Dann lässt man sich bequem die erste Tagesmahlzeit in die Villa liefern. Daraufhin folgt ein Tag, der wunderbar sinn- und stressbefreit ist, bis sich am Nachmittag eine leichte Form von Planung in die Konversation schleicht, um die freien Minuten in eine Bahn zu lenken, ohne es aber wirklich zu wollen. Dennoch will auch ein Ausflug im Paradies organisiert sein. Wie wäre es mit einem Picknick auf einer einsamen Insel? Einer Delfin-Cruise in den Sonnenuntergang? Surfen? Oder eben Schnorcheln?

Lebensaufgabe Schnorcheln

Die Malediven ohne Schnorcheln (oder wahlweise Tauchen – je nach Fähigkeit) ist wie ein Berlinbesuch ohne Brandenburger Tor.

So oder ähnlich beginnt meine Predigt an Malte, doch das Schnorcheln mal wieder zu versuchen. Doch hier soll seine Skepsis recht behalten – wobei ich dankbar bin für diese Erfahrung: Selten hat mich etwas so wundervoll unterhalten, als dem großen blonden Mann beim Schnorcheln zuzusehen. Obwohl, nein, die Chinesen waren noch lustiger. Aber dazu gleich. Maltes Schuhgröße (schon wieder sind wir bei dem Thema Schuhe) ist eine stattliche 49. Damit Schuhe im üblichen Geschäft zu bekommen, ist schon eine Herausforderung, aber wie soll das wohl bei Flossen werden in einem Inselstaat, in dem der durchschnittliche Mann 39 trägt?

Mit dementsprechend hochgezogener Augenbraue schaut das Personal im Surfshop ihn an und quittiert die Anfrage mit einem Kopfschütteln. Aber der Asiate sagt ungern Nein und sucht gern nach Alternativen. Wie wäre es mit den Flossen, die Taucher üblicherweise über ihre Neoprenschuhe ziehen? Diese haben hinten einen verstellbaren Verschluss. Angenehm sieht das nicht aus. Das denkt Malte wohl auch.

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Doch dann ist es höchstwahrscheinlich mein flehender Blick, der den armen Mann dazu bringt, sich in die unbequemen Dinger zu zwängen. Jetzt, wo ich daran denke, muss ich schon wieder schmunzeln. Dazu eine Brille, eine Schwimmweste und ein Schnorchel – fertig. Die schönste Art, ins Meer zu gleiten und in der Nähe eines Riffs zu sein, ist vor der Bar des Ökoresorts. Dort, wo große weiße Daybeds stehen. Dort, wo der Service eiskalte Softdrinks serviert. Dort, wo man sich entspannt sonnen kann.

Wir tapsen langsam ins Wasser und schnorcheln los. Meine Gedanken beschäftigen sich mit Clownfischen und Korallen und der immer wieder neu erworbenen Erkenntnis, wie friedlich es doch unter dem Meeresspiegel im badewannenwarmen Wasser so ist. Doch wo ist Malte? Als ich auftauche, sehe ich den Mann aus dem Wasser klettern. Schnorchelausflug beendet. Grund dafür: Flosse verloren, Brille sitzt nicht, und überhaupt sei dies nicht sein Sport.

Er als Vollblut-Norddeutscher sieht den Fisch wohl lieber zwischen zwei Brötchenhälften.

Chinesen im Wasser – uiuiui

Noch unbeholfener aber, und das allein ist schwer vorstellbar, zeigen sich die Chinesen: Weil sie meistens nicht schwimmen können, wehren sie sich (auch im flachsten und ruhigsten Gewässer) mit Rettungsweste und zusätzlich umgeschlungenem Rettungsring gegen die Gefahren des Meeres. In dieser Verpackung jedoch versuchen sie auch noch, gegen den Auftrieb von Ring und Weste anzukämpfen, um wenigstens einmal kurz den Kopf unter Wasser zu halten. Ein echt komisches Bild. Ein komischeres als das von Malte!

Schwere kulinarische Entscheidungen

Bestens gelaunt heißt es nun, bei einem Bier der Sonne zu folgen, wie sie im Meer versinkt und den Himmel dunkelblau färbt, um dann doch wieder vor einer schweren Entscheidung zu stehen: Wo gehen wir essen? Im Urlaub hat man ja unfassbare Luxusprobleme und mag von Zeit zu Zeit seiner eigenen Unterhaltung diesbezüglich kaum lauschen. Aber erfüllt von all den Möglichkeiten, philosophieren wir beim Rückweg in die Villa – wie das schon klingt! –, ob wir lieber im Baumhausrestaurant »Leaf« über den Palmenwipfeln Gerichte mit Gemüse aus dem eigenen Garten essen oder doch ins »Altitude« gehen sollen, dem Restaurant, das eine unverschämt große Weinkarte hat – schon gar für eine einsame Insel. Oder gehen wir doch ins Buffetrestaurant? Da ist heute maledivische Nacht, und es gibt traditionelle scharfe Speisen. Wir entscheiden uns für Letzteres und enden dann dort, wo diese Geschichte begann. Bei einer Margarita nach einem ausgezeichneten Mahl. Beim Realisieren, dass der Urlaub ein Ende hat. Dass dieses Paradies auf Erden nicht ewig währt.

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Was also kam dann? Was geschah auf dem Daybed in der dunklen maledivischen Nacht? Was kam nach dem Abendessen und vor dem Abreisen? Die Einsicht kam. Die Wahrheit und die Weisheit. Dies ist zwar ein maledivischer Urlaubstraum, aber den erlebt man nur mit einem Menschen, mit dem man die sinnbefreiten Stunden gerne verbringt. Also kamen wir zu dem Entschluss, dass wir dieses Glück, welches so kurz sein kann – so kurz wie die Reihe der Buchstaben, aus denen das Wort besteht –, so lange wie möglich genießen möchten. Also verabschiedeten wir uns nicht für immer. Im Gegenteil. Wir kehren wieder. Zu einer ganz besonderen Reise: Der, bei der die Fahrräder auf dem kleinen Holzschild am Sattel nicht die Zimmernummer tragen – sondern schlicht zwei Worte: just married.

Unterkunft. Six Senses Laamu. Olhuveli Island, Laamu Atoll, Malediven, www.sixsenses.com
Anreise. Nach Ankunft in Male folgt ein 35-minütiger Flug zum Laamu Kadhdhoo Airport. Von dort geht es im Speedboot in 15 Minuten zum Resort.

Diese Geschichte können Sie sich auch bequem hier vorlesen lassen.