Das Amanoi vereint an der vietnamesischen Küste die Tugenden Südostasiens mit russischen Spa-Erlebnissen und französischer Küche. Klingt wie ein Urlaubstraum. Das ist es auch. Text: Ralf Johnen

Ich habe mir das so nicht ausgesucht. Doch auf dem Weg nach Vietnam bin ich einer dieser Menschen, die im Flugzeug hektisch an einem PDF herumwerkeln. Am Airport von Ho Chi Minh City stürze ich mich auf die erstbeste Steckdose, damit das Laptop durchhält. Aus der ersten Pho-Suppe wird nichts. Und später, während des Transfers zur vietnamesischen Küste, starre ich verschreckt auf Tausende Motorroller, die sich der Logik des Chaos ausliefern. Kurzum: Ich bin gestresst, als unser Kleinbus am Amanoi vorfährt.

Darüber kann auch das kollektive Lächeln nicht hinwegtäuschen, das uns das Empfangskomitee schenkt. Dankbar nehme ich ein feuchtes, nach Zitronengras riechendes Tuch und erklimme die Stufen eines geheimnisvollen Aufgangs. Ziel ist ein in alle Himmelsrichtungen offener Bau, der auf der Hügelkuppe thront. Er ist Salon, Lounge, Bar, Restaurant und Terrasse mit Ausblick zugleich.

Amanoi, Vietnam - View of the Bay at Sunrise

Aman

Während ich das Südchinesische Meer und eine überraschend schroffe Küstenlinie sehe, erhalte ich eine kurze Einführung in die Funktionsweise des Anwesens.

Jetzt ist die Zeit, andere Gedanken in meinen Kopf zu bekommen

Die Essenz: Man hat sich vorgenommen, mich auf andere Gedanken zu bringen. Nach einer kurzen Akklimatisierungsphase begleitet mich ein mit landestypischem Kopfschmuck ausgestatteter Herr zu meiner Villa. Der Bungalow ist so angelegt, dass selbst ausgefuchste Paparazzi keine Chance haben, einen Blick auf die Bewohner zu erhaschen.

Das Interieur besteht aus viel Holz und tief liegenden Möbeln mit ausgeprägten horizontalen Linien. Dabei besitzt die Raumaufteilung genau jene Qualitäten, die mir im Alltag zuletzt so gefehlt haben: Ordnung und Gleichgewicht. Kleine Blumenarrangements und eine Drachenfrucht bürgen für Zerstreuung.

Amanoi, Vietnam - Room

Aman

Nach ein paar tiefen Atemzügen öffne ich die Tür zum Sonnendeck. Mein Blick schweift über die dicht bewaldeten Berge des Nui-Chua- Nationalparks, die sich mehr als 1.000 Meter aus dem Meer erheben. Anschließend mustere ich zufrieden den Infinity Pool, der sich zu meinen Füßen ausbreitet.

Meine E-Mails sind mir mittlerweile ziemlich egal. Ich denke nur noch daran, mir die Klamotten vom Leib zu reißen und da reinzuspringen. Ein Wunsch, den ich mir umgehend – und nicht zum einzigen Mal – erfülle. Als die Dämmerung einsetzt, intensiviere ich meine Bemühungen, die zu einem Spiegel gewordene Wasseroberfläche nicht durch unnötige Bewegungen aufzurütteln. Ein Anblick von unvergesslicher Perfektion!

Köstlich: Pho-Suppe mit frischen Kräutern, Rindfleisch und Reisnudel

Später im Restaurant komme ich mit dem Manager des hauseigenen Spas ins Gespräch. Während ich mich an knusprigen Frühlingsrollen und einer Pho-Suppe mit frischen Kräutern, Rindfleisch und Reisnudeln labe, ermutigt er mich, das mit der Entspannung noch ein bisschen weiterzutreiben.

Vietnamesische Nudelsuppe, Pho-Suppe

Joshua Resnick/Shutterstock.com

Zunächst aber passe ich mich dem Rhythmus der Tropen an. Das bedeutet im konkreten Fall, mit der Morgendämmerung aufzustehen, dem Konzert der Vögel zu lauschen und ein paar Bahnen im kühlen Pool zu ziehen. Anschließend versuche ich mich an der Kunst, einen vietnamesischen Kaffee aufzubrühen, wozu ich zwei Espressi, Eiswürfel und Kondensmilch in einem Tumbler vermische.

Hellwach gehe ich zum Yoga. Das Entree ist feierlich: Lehrerin Nhan empfängt mich und fünf weitere Earlybirds auf einer in einem Lotusblumenteich angelegten Insel, auf der eine Art Pagode ruht.

Yoga Nhan Amanoi Vietnam

Ralf Johnen

Das würdevolle Ambiente allerdings vermag nicht über meine eingeschränkte Dehnfähigkeit hinwegzutäuschen. Anders als die Urlauberinnen aus Bangkok und Kalifornien bin ich nach 60 Minuten schweißgebadet und ziemlich hinüber.

Erst als ich beim Frühstück meinen giftgrünen Smoothie auf Gurken-Ingwer-Basis ablichten möchte, bemerke ich die Abwesenheit meines Mobiltelefons. Egal. Umso mehr kann ich mich darüber freuen, dass die Vietnamesen Pho auch zum Frühstück anbieten.

Exklusive Massage im An Son Spa House des Amanoi

Während ich versonnen auf das Meer blicke, beschließe ich euphorisch, die nächste Stufe meiner Mini-Kur zu zünden: eine Spa-Behandlung. Es ist später Nachmittag, als ein Caddy-Fahrer an meinem Bungalow klingelt, um mich über steile Wege zum An Son Spa House zu bringen, das sich auf einer Hügelkuppe mit formidablem Blick auf die Berge befindet. Im Bademantel erblicke ich zu meiner Freude einen viel größeren Infitinty Pool.

Amanoi Vietnam Spa House Pool

Aman

Es folgen Dusche und Dampfbad, ehe ich in einen mit hellen Hölzern ausgelegten Salon geführt werde. Es folgt der Kernbestandteil der Banja-Behandlung, ein ursprünglich von Russen erfundenes Ritual zur Körperpflege.

Ich lasse mich auf einer Liege nieder, schließe die Augen und warte auf die ersten Hiebe, die mir während der Vorbesprechung angekündigt worden waren. Eine Viertelstunde lang traktiert mich die Masseuse mit einem Bündel Birkenzweigen, um meine vom Winter gepeinigte Haut aufnahmefähig zu machen. Die zierliche Frau verordnet mir nacheinander ein Eisbad, eine meditative Ruhephase mit Blick in die Ferne und eine weitere Badeeinheit, ehe die eigentliche Kur erfolgt. Als die Muskeln gelockert und die ätherischen Öle eingezogen sind, möchte ich vor allem: schlafen.

Ernährungsumstellung und Stressabbau

Am folgenden Tag begebe ich mich hinab zum Strand des Resorts. Vor mir breitet sich die malerische Vinh-Hy-Bucht mit einem schwimmenden Markt aus. Hier treffe ich auf Joshua. Der Amerikaner beschäftigt sich bereits seit Anfang des Jahrtausends mit den Heilkunden und Bewegungssportarten Südostasiens. Bei Bedarf, sagt er, arbeitet er für die Gäste des Resorts maßgeschneiderte Therapieprogramme aus, die auf eine Ernährungsumstellung und Stressabbau abzielen. Meine selbst gestaltete Variante, so sein Urteil, scheint ebenfalls anzuschlagen. Allerdings sind Ruhe und Verzicht keineswegs die einzige Methode, um die Akkus wieder aufzuladen.

Wie ich am Abend in einem mit Kerzenlicht beleuchteten Pavillon in Hanglage erfahre, funktionieren auch kulinarische Kabinettstückchen: Der mexikanische Küchenchef Bernardo hat unter anderem bei René Redzepi in Kopenhagen gelernt – und an seinem Chef’s Table schreckt er nicht davor zurück, kleine Experimente in sein Menü einfließen zu lassen.

Chefkoch Bernardo Amanoi Vietnam

Ralf Johnen

Er mischt französische Einflüsse mit japanischen, veredelt Wagyū Beef mit köstlichen Marinaden und hantiert mit Flammenwerfern und Lötkolben. Nur bei den Sashimi ist er konservativ: Den Fisch lässt er zweimal pro Woche vom Markt aus Tokio einfliegen, um ihn unbehandelt auf einem spärlich dekorierten Teller zu servieren. Pure Poesie im Amanoi. So ruhig und ausgeglichen wie die Oberfläche eines Infinity Pools im Morgengrauen.

Amanoi. Vinh Hy Village, Vinh Hai Commune, Ninh Hai District Ninh Thuan Province, Vietnam. DZ ab ca. 940 Euro zzgl. Steuern. Mehr Infos und Buchung hier.

Anreise. Zum Beispiel mit Edelweiss ab Zürich (November bis April) zweimal wöchentlich, ab 600 Euro, auch Economy Max und Business Class.