In Tansania versteht man die Welt nicht mehr: Obwohl das Land alle Einreisebeschränkungen aufgehoben hat, kommen keine Touristen mehr. Seit dem Frühjahr ist das nun so. Und ein Ende der Corona-Krise ist nicht in Sicht.

Joseph Makundi kann sich das Ganze nicht erklären. »Aber ihr seid doch auch hier. Seid nicht krank, lebt euer Leben, genießt Tansania. Warum kommen dann keine Touristen?«, fragt er den Mzungu, den Weißen, der schon lange in dem Land lebt und arbeitet. Er versteht einfach nicht, warum so viele Touristen Angst haben, derzeit nach Tansania zu reisen. Er findet, es spreche doch nichts gegen einen Urlaub in Tansania. Das Virus sei schließlich überall auf der Welt. Und überall schütze man sich davor mit Abstand und Hygienemaßnahmen. »Das kann man doch auch hier, im Urlaub«, sagt er. Corona in Tansania und die Folgen für den Tourismus. Es ist kompliziert.

Zusammen mit seinem Bruder Conrad besitzt er eine kleine Agentur, die sich auf Touren in dem Land spezialisiert hat. Aber Touren und Safaris, die gibt es im Moment nicht in Tansania. Joseph Makundi kann seinen Kopf nur über Wasser halten, weil er in der Vergangenheit solide gewirtschaftet hat. Kredite kamen für ihn nie in Frage. Glück kam freilich auch hinzu. Seine Gäste hatten Verständnis für seine prekäre Situation. Sie verzichteten darauf, sich ihre Vorauszahlungen zurückerstatten zu lassen. Stattdessen wollen sie später nach Tansania kommen. Wenn nicht heute, dann morgen.

Vom Serena Airstrip bei Arusha fliegt man etwas zwei Stunden bis ins Herz der Serengeti zum One Nature Nyaruswiga.

Marie Tysiak

Weltweite Reisewarnung gilt auch für Tansania

Aber wann wird morgen sein? Wer wissen will, wann man endlich wieder unbeschwert durch die Welt reisen kann, besorgt sich am besten eine Glaskugel. Eine Prognose jedenfalls wagt derzeit kaum jemand aufzustellen. In vielen Ländern der Welt, allen voran in den USA und in Brasilien, schreitet die Corona-Pandemie weiter voran. An Reisen in diese Länder ist in naher Zukunft nicht zu denken. Außenminister Heiko Maas macht derzeit auch keine Anstalten, dass sich dies bald ändern wird. Seitdem im Juni die weltweite Reisewarnung für fast alle Länder Europas aufgehoben wurde, tut sich nichts mehr. Selbst Ägypten und die Türkei, nur drei Flugstunden entfernt und seit jeher traditionell beliebte Urlaubsziele der Deutschen, verharren in der Warteschleife. Rien ne va plus.

Bei allem Verständnis für die Situation der vom Tourismus lebenden Menschen in vielen armen Ländern der Welt: Nicht nur Politiker in Deutschland, auch viele Reisende sind besorgt. Die Gefahr einer Ansteckung während der Reise ist nicht von der Hand zu weisen. Und was dann? Wie steht es um die medizinische Versorgung in Tansania? Springt die Auslandsreisekrankenversicherung ohne Zögern ein? Was, wenn die Airlines wieder ihren Betrieb einstellen und man im Urlaubsparadies unfreiwillig strandet? Heiko Maas erklärte schon öfters, dass es keine zweite Rückholaktion geben werde. Und davon einmal abgesehen: Ein Zehn-Stunden-Flug mit Mund-Nasen-Schutz ins südliche Afrika ist etwas anderes als ein Zwei-Stunden-Flug nach Mallorca – nicht gerade vergnügungssteuerpflichtig.

Seit dem Frühjahr sind die Touristen weg

Dabei hatten die Menschen in Tansania mit der Öffnung der Grenzen Anfang Juni auf Gäste gehofft. Sie freuten sich schon darauf, wieder ein paar Einnahmen zu haben, um sich und ihre Familien zu ernähren. Aber daraus wurde nichts. Seit März ist das Land wie leergefegt.

Frau und drei Rinder am Strand in Tansania

Judith Fahner

Als die Corona-Pandemie im März weltweit auf ihren Höhepunkt zusteuerte, verließen viele Ausländer das Land. Touristen kamen überhaupt nicht mehr. Nun gut, sagen sie in Tansania. Zu der Zeit war das ja auch verständlich. Und, wenn man ehrlich ist, zu einem Zeitpunkt, in dem es nicht so schlimm war. Denn im April, Mai und Juni regnet es oft in Tansania. Touristen kommen zu dieser Zeit sowieso nicht viele.

Aber jetzt steuern wir bereits auf den August zu. Und die Touristen in Tansania sind immer noch nicht zurück. Nicht nur Joseph Makundi versteht die Welt nicht mehr. »Tansania ist seit 16 Jahren unser Zuhause. Wir und unsere Kinder lieben besonders die unvergleichliche Tierwelt. Gerade jetzt bietet sich die einmalige Gelegenheit, die weltbekannte Serengeti ungestört zu genießen«, sagen Horst und Debbie Bachmann, Lodge- und Campeigentümer aus Arusha.

Schwarzer Büffel liegt auf Wiese in Tansania

Elizabeth Morgan

Denn der Alltag, der hat doch längst wieder Einzug gehalten in Tansania. Einen Lockdown gibt es in Tansania nicht.

Corona in Tansania: Die Regierung habe doch alles getan, sagen sie

Klar, Corona hat auch in Tansania einiges geändert. Wasserspender und Seife sieht man jetzt viel öfter. Corona in Tansania sorgt dafür, dass sich Menschen oft nur aus der Ferne grüßen; allenfalls wird sich per Ellenbogen Hallo gesagt. Man hält Abstand und zieht sich einen Mund-Nasen-Schutz über das Gesicht, wenn es mal unfreiwillig zu kuschelig wird. Die Regierung habe doch alles getan, um den Touristen größtmögliche Sicherheit zu geben, sagen deshalb viele Menschen in Tansania, die vom Tourismus leben. Es gebe einen Maßnahmekatalog, der von Schulungen über Hygieneanweisungen und Verhaltensregeln bis zu ganz konkreten Anordnungen reicht, wie zum Beispiel Hotels, Lodges oder Safari-Autos auszustatten und zu reinigen sind. Aber all diese Maßnahmen scheinen die Touristen nicht zu überzeugen.

Dabei braucht Tansania die Milliardeneinnahmen aus dem Tourismus. Die Infrastruktur, der Gesundheitssektor und die Bildung müssen ja auch irgendwie finanziert werden.

Kinder in Schulklasse in Tansania

Martin Häußermann

Cornelia Wallner-Frisee von Africa Amini Life und der Original Maasai Lodge appelliert deshalb an die Touristen: »Mit jedem Gast werden Arbeitsplätze erhalten, können Familien ihre Kinder ernähren und in die Schule schicken. Der Tourismus ist für das Leben der Menschen hier in Tansania so wichtig wie noch nie. Jeder Reisende hilft.« Besonders im Norden des Landes, wo sich der Kilimandscharo und die bekanntesten Nationalparks befinden, spüre man, wie sehr die fehlenden Einnahmen durch das Ausbleiben der Touristen bereits jetzt das Leben der Einheimischen  beeinträchtige.

Unterstützung aus Frankfurt für die Tierwelt in Tansania

Auch die Tierwelt ist bedroht. Es gebe eine einfache Kette, heißt es in Tansania. Und die laute so: keine Touristen – keine Arbeit – kein Einkommen – kein Essen. Und wenn nichts mehr zum Essen da ist, sucht man sich eben was zum Essen. Das heißt, die Wilderei nimmt zu. Besonders gefährlich wird das, wenn Tierschützer in diese Situation kommen. Ranger zum Beispiel, deren Aufgabe es ist, die Wilderei zu unterbinden.

Peter vom One Nature Nyaruswiga erklärt genau, was für Tierspuren er in der Serengeti entdeckt.

Marie Tysiak

Deshalb ist man in Tansania froh darüber, dass die Frankfurter Zoologische Gesellschaft die Fauna massiv unterstützt. Die Gesellschaft sorgt derzeit dafür, dass die Ranger in der Serengeti bezahlt werden können und man nicht Gefahr läuft, dass sie die Seiten wechseln. Und zwar nicht aus Profitgier, sondern aus dem Zwang, sich und ihre Familien ernähren zu müssen. Aber das ist keine Lösung auf Dauer. Das wissen die Tierschützer ebenso wie die Tourismus-Experten.

Viele deutschsprachige Tourunternehmer und Hoteliers haben mittlerweile eine Vereinigung gegründet. »Tansania Aktuell« ist der Name des Projekts. Ihr Ziel: das momentan etwas in die Kritik geratene Bild des Landes durch sachliche Informationen geradezurücken. Es geht vor allem darum, Fragen im Zusammenhang mit Reisen in das größte ostafrikanische Land zu beantworten. Fragen von Reiseveranstaltern, Reisenden oder auch Journalisten. Was sie alle eint, ist die Sorge, dass dieses landschaftlich einmalig schöne Land mit dem höchsten Berg Afrikas, einigen der schönsten Nationalparks der Welt und den Inseln im Indischen Ozean durch die Folgen der weltweiten Corona-Pandemie um Jahre zurückgeworfen wird. Corona in Tansania – es wird die Menschen in dem Land noch lange beschäftigen.

Anmerkung der Redaktion: In vielen Ländern der Welt, die vom Tourismus leben, ist die Situation derzeit prekär – besonders in jenen, die vor allem von Urlaubern aus dem Ausland leben. Den Menschen in diesen Ländern möchten wir mit der Veröffentlichung dieses Artikels eine Stimme geben. Gleichwohl ist sich reisen EXCLUSIV seiner Verantwortung bewusst und möchte keinen Urlaub in Ländern empfehlen, für die derzeit die weltweite Reisewarnung der Bundesregierung gilt.