Das Privatleben sollte privat sein. Richtig. Doch wenn ich diese Zeilen über mein schönstes Reiseerlebnis verfassen soll, dann geht das nicht ohne aus der Privatsphäre herauszutreten und sie, liebe Leser, tatsächlich ganz tief in mein Herz blicken zu lassen. Denn ansonsten müsste ich lügen, denn mein schönstes Reiseerlebnis war, als ich den Mann meiner Träume auf einer Kreuzfahrt traf. Text: Jennifer Latuperisa-Andresen

Wie alles anfing …

Oh je, denken Sie jetzt. Hier wird nun eine von romantischen Floskeln geschwängerte Liebesschnulze folgen. Ich würde Ihnen ganz uneigennützig raten, die nächsten Zeilen einmal zu probieren. Wenn es Ihnen nicht schmeckt, können Sie die von mir verfassten Sätze getrost beiseitelegen – aber dann verpassen Sie auch die untergeschummelten informativen Zeilen über das sensationelle Schiff – die MS Europa 2. Dem Schiff allein könnte ich schon eine Liebeshymne widmen. Aber dazu innerhalb der kommenden Zeilen mehr. Erst einmal bleiben wir beim Mann.

Glückskekse sagen immer die Wahrheit, oder?

Jennifer Latuperisa-Andresen

Nach einem Champagner beim Einschiffen, vor dem neuen 225 Meter langen Luxusschiff Europa 2 von Hapag-Lloyd-Kreuzfahrten, wo es keine Kabinen, sondern einzig und allein Suiten (ausschließlich mit eigener Veranda!) gibt, will ich mein Domizil auf dem fünften Deck beziehen. Es ist die erste Tür links, unmittelbar zu Beginn des schier endlos scheinenden Gangs. Neugierig auf das bereits viel gelobte moderne Interieur öffne ich die Tür, und – Hollywoodautoren hätten sich dies nicht besser ausdenken können – mitten in meiner Kabine steht ein großer, blonder Mann und packt seinen Koffer aus. Revier markieren würde ich das nennen, denn auf dem Fernseher vor dem King-Size-Bett prangt mein Name: Willkommen an Bord, Frau Latuperisa. Umso mehr wundert es mich, dass sich der Mann wiederum nicht wundert, zumal sich auch mein Gepäck auf – jawohl – meiner Kabine befindet. Aber seins auch, und dementsprechend ist der Kleiderschrank bereits mit seinen Utensilien und Hosen gefüllt, bevor ich überhaupt den Pier verlassen habe.

Die Alternative, eine Kabine zu teilen, ist keine. Also spazieren wir gemeinsam – fröhlich plaudernd – zurück zum Empfang, der sich in der prächtigen Lobby befindet, die im Glamourstil der 50er-Jahre erstrahlt. Letztlich wird noch eine freie Kabine für mich gefunden. Diese jedoch ohne Whirlpoolwanne. Aber nun gut, der Herr hat sich ja schon häuslich eingerichtet. Und wenn er gerne mit seinen ein Meter neunzig gekrümmt in der Badewanne hockt, soll er doch, denk ich mir. Ich werde den begehbaren Kleiderschrank, der sozusagen Ersatz für die Wanne ist, viel eher nutzen. Zur Verabschiedung ein kurzes Lächeln. Das Wünschen einer guten Reise. Das war es … Gab ja auch keinen Grund, noch mehr Worte zu verlieren, oder?

Iranischer Kaviar? Austern? Es mangelt an nichts …

Wir sind also zwei der 516 Passagiere, die an Bord Platz finden. Hinzu kommen 370 Crewmitglieder. Allesamt charmante Menschen, die immer fröhlich und stets heiter den Gast umsorgen. Und für das leibliche Wohl wird auf Sterneniveau gesorgt. Sieben Restaurants verteilen sich auf der MS Europa 2 auf elf Decks. Das schönste Schiff der Welt will seine Gäste mästen, und zwar liebevoll mit Luxusprodukten. Iranischer Kaviar gefällig? Eine Auster? Etwas geriebenen schwarzen Trüffel auf die Spaghetti? Sagen wir so: Es mangelt niemanden an nichts.

Der Passagier muss sich nicht an die Europa 2 gewöhnen, er muss sich anschließend hart entwöhnen.

Luxusentzugserscheinungen. Alles ist griffbereit, jeder Wunsch servierbereit. Es scheint, als verfüge das Schiff über eine Art Schlaraffenlandmaschine im Schiffsbauch, welche nonstop Köstlichkeiten produziert und zudem auch auf den unendlichen Weiten der Weltmeere knackig rote und reife Himbeeren ausspuckt.

Apropos Essen. Beim Dinner im Restaurant Serenissima sitzt er mir dann gegenüber. Der blonde Schopf. So ein Zufall. Der mundgeblasene Muranoleuchter kaschiert mit seinem Schummerlicht gekonnt meinen leicht erröteten Kopf. Kann das sein? Das sind ja Reaktionen wie bei einem Teenager. Also zwinge ich mich, beim Hauptgang angestrengt aufrecht zu sitzen. Mich groß zu machen. Intellektuelle Sätze zu verfassen, soweit das möglich ist mit meinem praktizierten Ruhrpottdeutsch. Ich fokussiere mich auf die Mahlzeit. Wirklich köstlich. Dazu ein Fläschchen Rioja. Einer aus dem mit 450 verschiedenen Weinen gefüllten Regal. Eventuell mal lächeln. Kopf aus. Mund auf.

Hapag-Lloyd Kreuzfahrten

Auf dem Rückweg vom Restaurant Richtung Kabine, um mich für die Poolparty umzuziehen, kreisen meine Gedanken. Dass ich mir nicht mit der flachen Hand vor die Stirn schlage, ist dem prominenten Mitläufer über die mit moderner Kunst behangenen Gänge zu verdanken. Annette Frier kommt mir mit ihren Zwillingen entgegen. Warum diese Zweifel, fragen Sie sich jetzt? Ich finde, dass ich durchweg dummes Zeug geredet habe. Mich definitiv nicht von meiner besten Seite zeigte. Beste Seite? Gibt es die überhaupt? Ein Gang der Zweifel.

Aufgeregt ziehe ich die hohen Schuhe an und spaziere Richtung Pool. Die Discostrahler erleuchten die Tanzfläche in Violett. Der Blondschopf bleibt trotz anderweitigen Versprechungen der beliebten Party fern, und ich lausche enttäuscht der live gespielten Parade der Hits. Ein Querschnitt der Musikgeschichte. Repräsentativ für die Gäste an Bord.

600 Euro dürfen es schon sein. Pro Nacht.

Anlocken möchte die Reederei mit der Europa 2 Mittvierziger, die wohl sehr gut situiert sind und die es nicht schmerzt, etwa 600 Euro pro Nacht auszugeben. Dafür wird auch einiges geboten. Entertainment ist hier keine Mangelware. Es gibt ein bordeigenes Kino, eine Bibliothek, einen Jazzclub, ein Fitnesscenter, ein Spa und jeden Sonntag einen Gottesdienst. Bei dieser Kreuzfahrt ist Pe Werner für die musikalische Unterhaltung zuständig, und Annette Frier gibt Lesungen.

Und vor allem fasziniert das Meer. Ab und an vergisst man an Bord dieses schwimmenden Luxushotels, dass es tatsächlich schippert. Sich bewegt. Wäre ich nicht so beschäftigt mit der eignen Selbstreflexion gewesen und den ungeschickten Flirtversuchen, wäre mir auch nicht entgangen, dass das Wasser vor dem Bug die größte Attraktion für die Passagiere ist. Das Gleiten über das Meer. Das Rauschen. Das Jaulen der Möwen und das sanfte Getrippel über das Schiffsparkett. Ich verabschiede mich von der Bord-Pool-Party, als die junge Sängerin mit dem Afro-Haarschnitt Jürgen Drews »Ein Bett im Kornfeld« anstimmt. Nicht, dass sie dies nicht trällern könne. Nicht, dass dies nicht die Stimmung unterstreicht, wie Jung und Alt im Akkord das Tanzbein schwingen. Eine schöne Atmosphäre. Sehr locker. Aber ich bin enttäuscht und will es mir nicht eingestehen.

Elf Decks. Sieben Restaurants. Mann verschwunden.

Die nächsten Tage gehen vorüber mit Landgängen, wo der Passagier die Wahl hat, sich einen Ausflug auszusuchen oder sich gemütlich auf eigene Faust auf den Weg aus dem jeweiligen Hafen zu machen. Die Zeit vergeht langsam bei Sushi am Abend, bei frisch Gegrilltem mittags im Yacht Club oder bei einem ausgezeichneten und gut geschärften asiatischen Mahl.

Sie sehen: Eine Kreuzfahrt besteht zum größten Teil aus der koordinierten Betätigung von Messer und Gabel.

Es soll sogar Passagiere geben, die bei einem Landgang von Bord gehen und deren Weg als Erstes in ein Restaurant führt. Keine Sorge, dazu gehöre ich nicht. Dennoch haben Sie recht, ich habe mich viel mit Essen beschäftigt. Denn in den Restaurants bestand, neben der vorzüglichen Verköstigung (mein Tipp: Beef Tartar im Tarragon), die größte Chance, dem Mann zu begegnen, der ja rein rechtlich gesehen in meinem Bett schlief. Und wenn ich nicht aß, dann schaute ich in der Bibliothek vorbei, lag auf den Daybeds des obersten Decks und genoss die Sonne oder besuchte die Abendshow. Doch er war wie vom Schiffsboden verschluckt.

Liebe geht doch durch den Magen

Dann, als die Hoffnung schon schwand: Gin Tasting im Herrenzimmer, dort wo Rauchen erlaubt war. Und er raucht. Ich lümmele bequem im cognacbraunen Ledersessel, bei Hapag-Lloyd Kreuzfahrten nennt man dies leger, während ich und er die Unterschiede der Wacholderschnäpse schmecken sollen. Ich habe ordentlich probiert. Beispielsweise vom Safran-Gin. Mut antrinken. Konzentration Fehlanzeige, obwohl ich tatsächlich irgendetwas auf meinen Degustationsbogen kritzele.

Ein Schiff, das sich die Kulinarik derart auf die Fahnen schreibt, wie die Europa 2, muss quasi auch eine Kochschule an Bord haben. Und einen Kurs zum Thema Olivenöl von einem österreichischen Fachmann gehalten, steht auf dem Programm und kann gebucht werden. Also wechseln wir am nächsten Tag von der Gin-Schule zur Olivenöl-Klasse und lassen uns beibringen, wo genau die Unterschiede im grünen Öl liegen.

Um uns herum lauter Experten, die genau wissen, welches der italienischen nativen Öle zu Rinderfilet mit Salatgurke passt.

Wir nicht. Unsere Einschätzungen zeigen nur, dass uns Öl auf Schokolade nicht sehr mundet und dass der verschwenderische Umgang dessen die köstlich zubereiteten Gerichte nicht immer unterstreicht. Der Rest des Kurses ist begeistert. Vielleicht passt Öl auch nicht zu unserer momentanen Gemütsverfassung.

Sebastian Münter

DJ Hinz aus Binz rockt den Floor

Die Sansibar schon eher. Also beschließen wir, den Abend bei köstlich gemixten Mai-Tais in der Location ausklingen zu lassen, die nach Sylter Vorbild Tanzclub, Restaurant und Bar ist. Selbst die bekannte Currywurst wird hier nachts als Snack serviert. DJ Hinz aus Binz (dieser Name ist wirklich real – ich hätte ihn mir liebend gern ausgedacht) steht an den Reglern und versucht, mit einer Aneinanderreihung von Latin-Rhythmen das zum größten Teil deutsche Publikum zum Tanzen zu bewegen. Wir sitzen uns locker gegenüber und merken plötzlich, dass wir – allein der Tatsache geschuldet, auf diesem fantastischen Schiff zu sein – uns einiges zu sagen haben. Auf einen Satz folgt ein Gespräch, aus einem Gespräch wird eine durchquatschte Nacht, mit dem Mond vor Augen und dem in Mondschein glitzernden Meer.

Es ist der letzte Abend auf dem Kahn, der die Welt erobert. Das luxuriöseste Schiff, das zurzeit über die Meere kurvt.

Das Schiff, das keinen Wunsch offenließ oder -lässt. Nicht mal den nach der großen Liebe.

Denn für den großen blonden Mann schlägt noch heute das Herz. Und glücklicherweise seins für mich. Falls wir eines Tages noch einmal zu Gast an Bord sind, dann reicht tatsächlich eine Kabine, aber schön, dass die Crew der Europa 2 dies bereits geahnt hat, bevor wir uns kannten. Danke für die kleine Panne, Europa 2. Und meine Dankbarkeit dafür ist so weit wie das Meer.

Infos. Weitere Informationen über die Europa 2 auf www.hl-kreuzfahrten.de