Geishas sind die Bewahrerinnen der japanischen Künste. Sie sind geschult in Konversation, Tanz, Gesang und im Musizieren auf traditionellen Instrumenten. Bis heute gilt Kyoto als Zentrum der Geisha-Kultur. Begegnungen mit Maikos und Geikos in den Teehäusern der Stadt sollen den Geist anregen. Text: Pia Hoffmann

Tomitsuyu trägt einen lilafarbenen Kimono mit weißer Blumenstickerei. Ein breiter Stoffgürtel, genannt Obi, verbirgt ihre Brust und ihren Bauch. Gesicht und Hals sind weiß geschminkt, so dass ihre weichen, kindlichen Züge maskenhaft starr wirken. Weder die rot schattierten Augen noch der knallrot bemalte Mund verraten Emotionen, und doch erinnern sie an das traurige Lächeln eines Clowns.

Als die 17-jährige Japanerin den minimalistischen, holzgetäfelten Raum des Teehauses betritt, sieht sie aus wie eine zerbrechliche Porzellanpuppe. Ihr tiefschwarzes Haar ist mit gelben Papierblumen zu einem Knoten hochgesteckt. An ihrer rechten Schläfe prangt ein Kanzashi mit dünnen Metallstäbchen, die bei jeder Bewegung leise klirren. Dieser traditionelle Haarschmuck verrät, dass sie eine Maiko ist, wie Geisha-Schülerinnen in Kyoto genannt werden.

Zur Begrüßung schenkt Tomitsuyu einen Tee ein

Mit einer scheuen Verbeugung begrüßt Tomitsuyu die Teehausbesucher, kniet nieder und beginnt wortlos mit der Zubereitung des Tees auf dem Boden. Sobald jeder Gast ein warmes Schälchen mit starkem, grünem Macha in den Händen hält, geht sie zu ihrer Tanzdarbietung über. Beim Herbsttanz »Auf der Brücke des Ahorn-Baums« spielt sie elegant mit zwei Fächern, die mit buntem Laub bemalt sind.

Geisha in Japan bei der Teezubereitung

Pia Hoffmann

Ihre geschmeidigen Bewegungen gehen auf alte Zeiten zurück, als Jungfrauen in Schreinen für die Götter tanzten. Daraus entwickelten Teehausbesitzer vor rund 400 Jahren ein Unterhaltungsprogramm für Pilger, die tagsüber die heiligen Stätten besuchten und sich abends gegen Bezahlung von Tänzerinnen und Musikerinnen die Zeit vertreiben ließen. Bis heute werden Geishas in traditionellen fernöstlichen Künsten unterrichtet.

Gesicht einer Geisha

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„Ich beherrsche verschiedene Arten von Bambusflöten und Trommeln, und ich kann auf althergebrachte Weise singen und tanzen“, erzählt Tomitsuyu nach ihrem Auftritt mit zarter, fast gehauchter Kinderstimme.

Ihre Mitschülerin Tomitae spielt die Koto, eine mit 13 Saiten bespannte Zither. Nur in Kyoto werden Geishas »Geiko« und ihre Schülerinnen »Maiko« genannt, was so viel heißt wie »tanzendes Mädchen«. Tomitsuyu hat sich bewusst dafür entschieden, in Kyoto in die Lehre zu gehen. »Kyoto ist die Hochburg der Geisha-Kultur«, berichtet sie in perfektem Englisch.

»Meine Familie war in der Kimono-Industrie tätig. Daher habe ich schon früh Kimonos getragen und mich für alte Bräuche interessiert. Als ich in die High School kam, habe ich beschlossen, dass ich keine normale Studentin sein will, sondern lieber eine Maiko

Maiko sein heißt, ein asketisches Leben zu führen

Ein weitreichender Entschluss, denn mit der Geisha-Ausbildung ist ein strenger Lebensstil verbunden. Als Maiko darf Tomitsuyu keinen Freund haben, damit sie sich ganz auf ihre Kunst konzentrieren kann. Ihre fünfjährige Lehrzeit begann sie im Alter von 15 Jahren.

Geisha in Japan beim Musizieren

Pia Hoffmann

Als Geisha-Schülerin ist sie finanziell vom Inhaber ihres Teehauses abhängig. Für ihre abendlichen Darbietungen bekommt sie nur ein kleines Taschengeld. Kimonos, Friseurbesuche, Verpflegung und alle anderen notwendigen Ausgaben übernimmt der Teehausbesitzer. »Für mich wird gesorgt. Ich muss überhaupt nichts bezahlen«, sagt die 17-jährige. Mit derselben Sorglosigkeit scheint sie auch in die Zukunft zu blicken. »Wie mein Leben als Geiko aussehen wird, weiß ich nicht. Ich bin ja noch eine Maiko.«

Die Aufseherin des Teehauses, Reiko Tomimori, die sich um die Geisha-Schülerinnen kümmert, macht sich mehr Gedanken.

»Die meisten Geishas arbeiten nach ihrem Abschluss noch ein bis zwei Jahre weiter hier im Teehaus«, erläutert sie. »Danach machen sie sich selbstständig. Sie bekommen dann einen Lohn, den sie behalten dürfen«.

Reiko Tomimori trauert jeder Geisha nach, die das Teehaus verlässt. »Ich hoffe, dass die Mädchen ihre Künste weiter verfolgen«, sagt die Aufseherin, die von ihren Schützlingen liebevoll »Mama-san« genannt wird. »Ich ermutige sie stets, zum Theater zu gehen, wo sie ihre Fähigkeiten weiter entfalten können, so dass sie nicht immer nur bei Festbanketts auftreten müssen«, verrät sie, fügt aber schnell hinzu: »obwohl das natürlich auch wichtige Anlässe sind.«

Japan

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Viele Mädchen wollen eine Ausbildung zur Geisha machen

Viele ausländische Touristen besuchen die Teehäuser mit großem Interesse, Bewunderung, aber auch mit einer Prise Argwohn. Wirtschaftlich abhängige junge Mädchen als Unterhalterinnen am Abend – das lässt bei Europäern häufig Zweifel an der Seriosität des Geisha-Gewerbes aufkommen. Erotik spielt jedoch in den Teehäusern keine Rolle.

Geishas in Japan

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Geishas haben einzig und allein die Aufgabe, den Geist ihrer Gäste anzuregen – mit klugen Gesprächen, anmutigen Tänzen und traditioneller Musik. Auch wenn es für Besucher aus dem Westen nur schwer nachvollziehbar ist, wollen immer noch viele japanische Mädchen diesen streng geregelten Lebensweg einschlagen. »Wir können uns vor Bewerberinnen kaum retten«, berichtet Reiko Tomimori, »aber nicht alle sind gesellschaftsfähig. Geisha sein bedeutet, sein ganzes Leben auf alte Traditionen auszurichten. Es ist nicht einfach nur ein Beruf, sondern man muss die richtige Einstellung zur Vergangenheit haben.«

Geishas in Japan

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Mit der Vergangenheit kennt sich Tomitsuyu bestens aus. Die Zukunft ist für sie noch weit weg. »Für Geikos gibt es kein Rentenalter«, belehrt sie ihre deutschen Teegäste. »Solange man Single bleibt, kann man arbeiten. Die älteste Geiko ist mittlerweile weit über 80 Jahre alt und übt ihren Beruf immer noch aus.« Der Gedanke, dass die junge Frau im bunten Kimono ihr ganzes Leben alten Traditionen widmen und nie eine Familie haben wird, stimmt einige der europäischen Besucher nachdenklich. Doch Tomitsuyus Gedanken, ihre Gefühle und Träume bleiben hinter der dicken weißen Schminke verborgen.