Bloß Skifahren ist langweilig? Wer in seinem Winterurlaub tatsächlich nicht nur auf Brettern die Berge hinunterwedeln möchte, sollte ins österreichische Zell am See-Kaprun fahren, wo man auf 3.800 Metern Höhe schwebend die Dinge auch mal von oben betrachten kann, wo Menschen mit Leidenschaft noch dem alten Handwerk frönen und Bauern ihren Hof bestellen wie in guten alten Zeiten. Text: Ulrike Klaas

Zum Glück ist die verschneite Landschaft beeindruckend schön, sonst wäre die Kälte kaum auszuhalten. Füße und Hände? Spüre ich schon lange nicht mehr. Aber es lohnt sich. Lautlos gleiten wir über das tief eingeschnittene Tal, betrachten die Orte Kaprun und Zell am See mit dem Zeller See von Weitem.

Ballonfahren über Zell am See-Kaprun

Ulrike Klaas

Der Wind beißt im Gesicht, als wolle er uns davon abhalten, noch höher zu steigen. Die Berge, die eben noch allmächtig erschienen, befinden sich plötzlich auf Augenhöhe. Ich würde gern ob des Ausblicks grinsen, aber das Gesicht ist mittlerweile so taub, dass es kaum Mimik zulässt. So muss es sich anfühlen, wenn man es mit den Botox-Spritzen übertrieben hat.

»Peter, wie hoch sind wir jetzt?«, frage ich den Mann, der in seiner knallgelben Jacke die Fäden in der Hand hat. Oder besser gesagt das Feuer, denn soeben feuert er fauchend heiße Luft ins Innere des Heißluftballons.

»Wir sind jetzt auf Höhe des Großglockners«,

ruft er und zeigt auf die höchste Spitze, »auf 3.800 Metern Höhe

Ballofahrer Flaggl steuert über die Berge Österreichs

Ulrike Klaas

Und schiebt gleich noch die aktuelle Temperatur hinterher: Minus 17 Grad. Ganz schön frostig, mein Gipfeltreffen mit dem höchsten Berg Österreichs – aber auch ganz schön faszinierend.

Darf ich vorstellen: Prinzessin Ulrike

Nur verständlich, dass Aeronaut Peter Flaggl seit 24 Jahren leidenschaftlich gerne mit Fahrgästen in die Luft geht. Der hauptberufliche Apfelwirt wird von seiner Frau Irene tatkräftig unterstützt. Er lenkt den Ballon und sie das Auto, dass uns nach anderthalb Stunden in luftiger Höhe, 28 Kilometer entfernt von unserem Startpunkt am Flugplatz Zell am See, auf einer Wiese in Bad Kastein wieder einsammelt. Zurück auf dem Boden der Tatsachen, heißt es anpacken und den Ballon wieder verpacken.

Ballofahren in Zell am See-Kaprun

Ulrike Klaas

Mit vereinten Kräften rollen wir die Ballonhülle zusammen, die nun schlapp und völlig aus der Puste wie ein abgekämpfter Sportler auf der Wiese liegt. Ich schwebe noch immer. Erst recht als ich nach der Taufe meine Urkunde, die Irene mir hocherfreut überreicht, in den Händen halte: »Prinzessin Ulrike in den Sonnenschein aufsteigende Luftkutscherin vom Kaprun«, darf ich mich nun nennen.

Die Flaggls sind sympathische und herzliche Menschen, deren Liebe zu ihrer Heimat spürbar ist – und die Freude daran haben, Besuchern zu zeigen, was ihre Region ausmacht. Und da sind sie nicht die Einzigen. Hoch oben auf dem Berg in Zell am See treffe ich auf die Pichlers. Die Familie betreibt den Augut, ein Bauernhof mit Hofladen, der Selbsthergestelltes verkauft.

Selbstgemachtes vom Augut

Ulrike Klaas

40 verschiedene Marmeladen, Honig, Brot, Fleisch und Wurst, Käse und Liköre aus Brombeere- oder Preiselbeere, Vogelbeer-Schnaps und Holunderblüten-Sirup stehen hübsch arrangiert in der urigen Stube in den Regalen. Wer regionale Produkte liebt, der ist bei den Pichlers bestens aufgehoben.

Mit Herzblut Traditionen bewahren

»Heute mussten wir ein Rind mit gebrochenem Bein notschlachten«, erzählt Ingeborg Pichler, die die Gäste gerne über den Hof führt. Auf verschreckte Blicke im Kühlhaus, wo das Rind in zwei Hälften rosa von der Decke baumelt, antwortet sie achselzuckend und bodenständig:

»Das ist Leben. Wir sind kein Tierheim, wir arbeiten mit den Tieren. Und wenn eines geschlachtet werden muss, weiß ich, dass das Tier vorher ein gutes Leben bei uns hatte.«

Auf dem Hof leben Pinzgauer Rinder, die Rasse, die typisch ist für die Region im Salzburger Land und sogar fast ausgestorben wäre. Zehn Milch-Kühe, ein furchteinflößender Zuchtbulle, den Bauer Josef streichelt, als wäre er ein Kätzchen, und 30 Rinder machen ordentlich Wirbel im Stall, als wir an ihnen vorbeimarschieren.

Bauer Josef vom Augut in Zell am See

Ulrike Klaas

Ingeborg verteilt flugs etwas Heu an die ungeduldigen Mäuler, wird aber dann von ihrer Tochter Melanie abgelöst. Sie wird den Hof später übernehmen und arbeitet nach erfolgreich bestandenem Diplom schon Vollzeit im elterlichen Betrieb.

Hirschfelle kommen tiefgekühlt nach Europa

Auch Tobias Zant hat den väterlichen Betrieb übernommen. Elf Jahre ist das nun her. Seine Lederhosenmanufaktur findet man unten im Tal, in Zell. Ein vollgepfropfter Raum, der aus jeder Ecke Geschichte und Kreativität versprüht. Die Werkstatt ist direkt an den Laden angeschlossen und eine seiner Stickerinnen sitzt konzentriert mit Nadel und Faden an einer Lederhose. Und wenn Säckler Tobias Zant beginnt leidenschaftlich über regionale Unterschiede bei Stickerei und Verzierung der Lederhosen zu erzählen, wenn er die biologische Gerbung von Leder erklärt und von Wildfarmen und Zucht in Neuseeland berichtet, die die Hirschfelle tiefgekühlt nach Europa schicken, dann ist man ganz Ohr – sein traditionelles Handwerk, in dem viel Herzblut steckt, wird bereits in 7. Generation fortgeführt. Er fertigt ausschließlich in Österreich. 60 Stunden Wochen sind die Regel.

Zu jeder Frage, die man Zant stellt, hat er ein passendes Kleidungsstück, das er aus dem Schrank zaubert. Und zu jedem Kleidungsstück weiß der sympathische Enddreißiger eine Geschichte zu erzählen.

Lederhosen von Säckler zant in Zell am See

Ulrike Klaas

Wie zu den beiden niedlichen Lederhosen, die er und sein Bruder als kleinen Buben trugen. Oder einem schicken, beinahe makellos hellen Lederhemd, das in den frühen 20er-Jahren von einer Dame getragen wurde, die damals schon schwer emanzipiert auf die Jagd ging.

Zant profitiert von dem Trachtenboom. Wer im Frühjahr 2018 eine Lederhose bei ihm bestellt, hält sie frühestens im September 2019 in den Händen. An einer Hose mit aufwändigen Stickereien sitzen er und seine Mitarbeiter gut und gerne 160 Stunden. Deshalb kostet eine Lederhose auch bis zu 5.000 Euro. Und wie lange dauert es bis ich eine Lederhose bequem eingetragen habe?

»Beim Tragen von Leder gilt: Irgendeiner gibt schon nach. Da darf man dann keine Prinzessin sein«,

erklärt Zant schmunzelnd.

Säckler Tobias zant in seiner Werkstatt in Zell am See

Ulrike Klaas

Und dass man erst in eine Lederhose urinieren müsse, dass diese eine ordentliche Passform bekomme, sei ebenfalls ein Ammenmärchen und schade dem Leder enorm, stellt er lachend klar.

Hohe Kochkunst ohne Schnickschnack

Junge Menschen wie Tobias Zant oder Melanie Pichler, die die Traditionen ihrer Heimat pflegen, trifft man in Zell am See-Kaprun anscheinend an jeder Ecke – auch beim Essen. Wie den wilden, jungen Koch von Zell am See, der sein Restaurant schlicht und ergreifend Flo’s genannt hat. Auch das was er auf den Tisch bringt, ist ohne Schnickschnack. Traditionelle Gerichte aus regionalen und saisonalen Zutaten, aber clever und modern interpretiert. Seine Freundin Hannah serviert wohlschmeckende Tropfen oder selbstkreierte Limonaden dazu. Und die Teller auf denen die wirklich feinen Kreationen serviert werden, hat Flos Mutter Martha in ihrer Waldwerkstatt selbst hergestellt. Flo kommt gerne aus seinem Küchenreich, um über zarte Scheiben Lamm die Sauce zu gießen – die ganz nebenbei so köstlich schmeckt, dass man sie am liebsten pur löffeln würde. Der eher schüchterne 22-Jährige freut sich sichtlich über jedes Lob. Was er im urigem, gemütlichen Ambiente tagtäglich auf die Teller seines Restaurants bringt, ist hohe Kochkunst.

Eins steht fest: Die Teller wurden am vergangenen Abend alle leergeputzt, denn am nächsten Morgen strahlt die Sonne mit bester Laune vom Himmel. Zeit, sich dem eigentlichen Grund der Reise zu widmen: dem Wintersport. Und da haben Urlauber gleich drei Skigebiete zur Auswahl. Die Schmittenhöhe hoch über Zell am See bietet für jedermann Pisten an. Auf dem Familienberg Maiskogel mit seinen gemütlichen Hütten sind nach dem Pistentag Groß und Klein zufrieden.

Gletscher-Skigebiet Kitzsteinhorn in Österreich

Ulrike Klaas

Und dann wäre da noch das Gletscherskigebiet Kitzsteinhorn – der erste Gletscher Österreichs, der touristisch erschlossen wurde und ab Oktober für ungeduldige Wintersportler die Pisten präpariert hat.

Gletscher-Wodka gefällig?

Es ist ein traumhaftes Skigebiet, das ich an diesem Morgen kennenlerne. Die Pisten sind abwechslungsreich, die Stopps außergewöhnlich, wie das Ice Camp mit einer Bar im Inneren und mit Sonnenstühlen davor, die auf die ersten Gäste warten. Gletscher-Wodka gefällig? Lieber nicht. Sonst überkommt mich noch der Wagemut und ich finde mich im Fun Park wieder oder abseits der Pisten beim Freeriden – was meinen Skitag definitiv abrupt enden lasse würde.

Ice Camp mit Bar auf dem Kitzsteinhorn - Österreich

Ulrike Klaas

Stattdessen erklimme ich das Gipfelrestaurant auf 3.029 Metern Höhe mit der Panorama-Plattform »Top of Salzburg«. Der Name verrät es: Ich stehe auf dem höchsten Punkt im Salzburger Land. Vor mir entfaltet sich ein Bergpanorama, das an diesem klaren Tag Stunden erfordern würde, um alle Berge zu erfassen. Auch den Maiskogel kann ich ausmachen. Ab 2019 sollen der Familienberg und das Kitzsteinhorn, die beiden Hausberge Kapruns, verbunden werden, so dass Berg-Hopping ein Leichtes ist.

Apropos Berghopping, auch die Skitourengeher haben einen eigenen Berg: den Ronachkopf auf 1.350 Metern Höhe, den man von Kaprun aus erreicht, aber nur etwas für Erfahrene ist. Und wenn dann am Abend die Waden brennen und die Füße schmerzen – sei es vom Tourengehen, Wandern oder Skifahren –, ist die Erholung zum Glück nah. Das Tauern Spa in Kaprun bietet diverse Saunen, Bäder und Wellnessbehandlungen. So dümpele ich im Außenpool in wohliger Wärme, die Muskeln entspannen sich, der Kopf dampft und in der Ferne erhebt sich im schönsten Orange das Kitzsteinhorn. Der nächste Höhenflug? Kann kommen!

 

Wer, wie, was, wo, wann in Zell am See-Kaprun

Ballonfahren mit Apfelwirt Peter Falggl. Alpenfahrten über Österreichs Bergwelt werden im Zeitraum Anfang Dezember bis Ende Februar durchgeführt. Dauer ca. 2 Stunden, inkl. Sekttaufe, Urkunde und Transfer. Für 1 bis 3 Personen, € 290 p. P., ab 4 Personen auf Anfrage.

Augut von Familie Pichler. Hofladen bei Zell am See. Familie Pichler führt auch gerne über den Hof und zeigt transparent, wie sie den Hof bestellen. Sonnbergweg 4, A-5700 Zell am See, Tel: +43 (0)664 4810803

Ledermanufaktur Zant. Auerspergstraße 12 A, A-5700 Zell am See

Flo’s Restaurant. Das Landhotel Martha mit Flo‘s Restaurant und der Waldwerkstatt betreiben Flo, seine Freundin Hannah und seine Mutter Martha an der Schmittenhöhe in Zell am See. Schmittenstraße 79, A-5700 Zell am See, Tel. +43 6542 72123

Skiregion Zell am See-Kaprun. Infos zu den drei Skigebieten und zum Skitourengehen auf den Ronachkopf gibt es bei Zell am See-Kaprun Tourismus, Brucker Bundesstraße 1 a, A-5700 Zell am See