In der Nebensaison warten die Inseln in Dalmatien geradezu darauf, wachgeküsst zu werden – am besten während eines Segeltörns mit Freunden. Text: Ralf Johnen

»Quality time« und Inselhopping

»Trinkt ihr auch Schnaps?«, fragt Ivor Deličia, nachdem er die Besucher von seinem handgeschnittenen Landschinken hat kosten lassen. »Grundsätzlich schon«, sage ich vorsichtig. »Aber nicht vor dem Frühstück.« Das quittiert der Feinkosthändler mit einem milden Lächeln. »Ihr Deutschen«, sagt er, »seid sehr diszipliniert.« Es ist 9.45 Uhr. Höchste Zeit, sich ein Gläschen selbst gebrannten Trester zu gönnen. Mit einem knappen Pfund vakuumverpacktem Schinken und zwei Flaschen Mali Plavac trete ich zurück auf die Straßen von Hvar, dieser langgezogenen Insel vor der Küste Dalmatiens.

Hafen in Hvar, Kroatien

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Ich muss ein wenig schmunzeln: Es ist das erste Mal, dass ich Nein gesagt habe zu einem kulinarischen Angebot, seit wir in dem Ort mit dem passenden Namen Marina unseren Katamaran bezogen haben. Auf Zickzackkurs von Insel zu Insel sollte es gehen. Mit ein paar Freunden, die sich drei Kabinen teilen, und mit einem Skipper. Schließlich besitzt keiner der Passagiere einen Segelschein. Im Verlauf einer knappen Woche wollten wir uns ordentlich durchpusten lassen. »Quality time« miteinander verbringen, wie das auf Neudeutsch heißt.

Kritisch unter die Lupe nehmen, ob sich die kroatische Küche mit anderen Mittelmeerregionen messen kann. Und am Ende vielleicht sogar das Segeln lernen? Es ist ein sonniger Oktobernachmittag, als uns Skipper Domagoy Miletić in die Vorzüge des Boots einweist. Er, den alle nur Domo rufen, werde uns in den kommenden Tagen Schritt für Schritt in die Arbeitsabläufe einweisen. Dabei sei es ihm einerlei, ob wir Segel-Action wollen oder uns lieber auf der Matte wälzen, die zwischen den Bugspitzen aufgespannt ist. Gelegentlich jedoch sei er auf unsere Mithilfe angewiesen. Für die ersten zehn Seemeilen gilt das nicht. Es ist windstill, und wir nutzen den Bordmotor, um nach Trogir zu gelangen. Die Stadt wurde vor mehr als 2.200 Jahren gegründet. Nur einen Steinwurf vom Festland entfernt, breitet sich die Altstadt auf einer Insel aus, die von der Fläche überschaubar sein mag, deren Gassen dem Orientierungssinn jedoch einiges abverlangen.

Segelschiff auf Meer

Oliver Sjostrom

Mit Domo zu den besten Fleckchen

Griechen, Römer und Venezianer haben in Trogir sichtbare Spuren hinterlassen. Auch deshalb wurde die stolze Stadt vor genau 20 Jahren zum Weltkulturerbe der Unesco erklärt. Die Zahl der Souvenirläden ist seitdem gestiegen, ebenso der Zuspruch von Besuchern aus Übersee. An diesem lauen Herbstabend aber wirkt Trogir seltsam leer. Erst auf dem Platz vor dem Rathaus entdecken wir ausgelassene Lebensfreude: Ein junges Paar feiert in der Dämmerung seine Hochzeit. Mit Bengalo-Feuerwerk, Tanz und vielen kroatischen Flaggen. Wenig später sitzen wir in unserem ersten Konoba, einem traditionellen Restaurant der Adriaküste, von denen wir in den kommenden Tagen mehrere inspizieren wollen. Übersetzt bedeutet das Wort »Keller«. In der Praxis aber steht der Begriff für meist einfache Lokale mit rustikalem Interieur – und traditionellen Speisen jenseits aller kulinarischen Moden.

Gassen in Trogir, Kroatien

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Am nächsten Tag bin ich zunächst etwas verwirrt ob des ungewohnten Vokabulars an Bord: Spinnaker, Fender, Tampen und Pantry. Von der komplizierten Knotenlehre haben wir da noch gar nicht gesprochen. Lediglich der Fachbegriff »Flaute« kommt mir bekannt vor – und so wundere ich mich nicht, dass wir die Segel auf dem Weg zur Insel Brač nicht setzen. Dafür verspricht Domo einen Flecken anzusteuern, der uns gefallen werde. Es ist eine Bucht im Nordwesten des Eilands, die sich wie ein Fjord tief ins Land hineingräbt. Die Ufer werden von einer Handvoll Steinhäusern gesäumt. Menschen sind nicht zu sehen. Das Wasser schimmert grünlich und ist glasklar. Ich wage einen Schnorchelgang. In der Ferne höre ich, wie man an Bord über Sternstunden der menschlichen Existenz philosophiert.

Zur Hölleninsel mit Rotwein

Am späten Nachmittag machen wir im Yachthafen von Milna fest. Bald taucht die Abendsonne das Städtchen in ein dramatisches Licht. Eine Kirche mit Treppengiebel thront auf einem Sockel. Direkt daneben ragt ein Campanile auf, ein stiller Zeuge der venezianischen Vergangenheit. Die Stühle in den Cafés der Uferpromenade sind nur spärlich besetzt. Ich bestelle ein Bier und widme mich dem Naturschauspiel.

Stadt in Dalmatien

Ralf Johnen

 

Die Konoba Dupini hingegen ist auch in der tiefsten Nebensaison ausgebucht. Wir lassen dem Küchenchef freie Hand. Aufgetischt werden: Lammkoteletts, Zackenbarsch, Oktopus-Salat und, als unumstrittene Krönung, ein pechschwarzes Tintenfischrisotto. Dazu der ausgewogen fruchtige Wein, den ich mir bald beim eingangs erwähnten Feinkosthändler kaufen werde, weil Weingenetiker der Rebsorte eine enge Verwandtschaft zu einem kalifornischen Bekannten attestieren: dem Zinfandel.

Am folgenden Tag steht der körperreiche Rotwein nach einer zweistündigen Überfahrt schon zum Mittagessen auf dem Tisch. Wir haben in der geräumigen Marina der Insel Paklinski Otoci festgemacht, die Domo uns als »Hölleninsel« ankündigt. Der Name will so gar nicht zu dem passen, was wir vor uns haben: ein grünes Eiland mit der angeblich zweitgrößten Agavenpopulation des Mittelmeerraums, ein Stück Land, das sich in der Adria dreht und windet, um dabei mehrere attraktive Buchten zu formen. Der wuchtige Wein passt hervorragend zur operettenhaften Erscheinung, die uns im Inselrestaurant Palmižana in Empfang nimmt.

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Wie in der Karibik …

Ihr Name ist Dagmar Meneghello, die vor 50 Jahren noch unter ihrem Mädchennamen Gebauer auf die große Nachbarinsel Hvar kam, um sich in Toto Meneghello zu verlieben, ihn zu heiraten und den Traum zu verfolgen, auf der Hölleninsel ein Feriendomizil zu etablieren. Das war keine leichte Aufgabe, denn sie und Toto mussten sich mit Tito auseinandersetzen, dem kommunistischen Diktator, dem jede Form von Privatbesitz ein ideologischer Dorn im Auge war. Und das ist nur eine von vielen Eskapaden der jüngeren Geschichte, die in Kroatien durch den Zerfall Jugoslawiens und den Balkankrieg deutlich präsenter ist, als Zentraleuropäer das heute gewohnt sind. Ihre Ideen konnten die Meneghellos trotz allem realisieren.

So gibt sich die vermeintliche Hölleninsel heute als ein Rückzugsort von karibikähnlicher Anmutung. Mit Badebuchten, einem kleinen Hotel und mehreren Alleinstellungsmerkmalen: Dagmar Meneghello hat jahrzehntelang Kunst gesammelt, die sie rundum das Restaurant unter wechselnden Überschriften ausstellt. Auch die Gartenanlagen sind einzigartig: Totos Vater war Professor für Botanik in Dubrovnik, und seine Forschungsobjekte gedeihen auf der Adriainsel noch heute prächtig.

Ralf Johnen

Eine weitere Besonderheit verkündet Dagmar fast ein wenig beiläufig.Von Ende Oktober bis Ostern, wenn das Klima zuweilen etwas rau ist und die Boote der Segler in Hangars eingelagert sind, ist sie die einzige ständige Bewohnerin der Hölleninsel. Zurzeit jedoch treibt sich auch ihr Sohn hier herum – und davon profitieren auch die Gäste: Denko hat tags zuvor einen ausgewachsenen Blauflossen-Thunfisch aus dem Mittelmeer gezogen, der in gegrillter Form vorzüglich zum Mali Plavac passt. Von langen Stunden an der Tafel euphorisiert, bemerken wir den Wetterumschwung zunächst kaum. Am Nachmittag beginnt es überfallartig zu stürmen. Die Einheimischen wissen, dass mit gelblicher Luft gepaarte Wolkentürme nichts Gutes verheißen. Die geplante Überfahrt nach Hvar muss daher ausfallen. Doch für solche Fälle verkehren Wassertaxis mit furchtlosen Kapitänen zwischen den Inseln.

Die Glamour-Stadt

Die Stadt Hvar ist mit weniger als 4.000 Einwohnern die größte in der dalmatinischen Inselwelt. Ihr wird ein gewisser Glamour-Appeal nachgesagt. Einige meinen, dies liege an den russischen Damen, die mit Klunkern behangen in hochhackigen Schuhen über die weitläufige Kaimauer paradieren. Mir fällt eher die venezianische Grandezza auf: eine fast schon angeberisch große Piazza, ein Campanile, ja sogar ein Castello hoch oben auf dem Berg. Und am Markt ein gutmütiger Feinkosthändler, der sich über die Disziplin der Deutschen amüsiert.

Meine Beobachtungen werden von einem Platzregen und wütendem Donnergrollen jäh unterbrochen. Aus allen Richtungen (auch aus den umliegenden Gassen) stürzt Wasser auf die Piazza herab, die sich binnen Sekunden in einen knöcheltiefen Sturzbach verwandelt. Ich denke: noch eine Übereinstimmung mit Venedig. Die Einheimischen nehmen es gelassen zur Kenntnis. Sie wissen, dass die Trg svetog Stjepana (zu Deutsch: der Sankt Stephansplatz) bald wieder trocken sein wird.

Blick auf ie kroatische Stadt Hvar bei Sonnenuntergang

Cody Black

Stattdessen genießen sie, dass in der Nebensaison die Plätze in den Cafés vorwiegend ihnen selbst gehören. Bis die Sonne wieder durchkommt, kehren wir im Nonica ein, das als vielleicht bestes Café der Inselwelt gilt. Besitzerin Marie Šurlin bietet hier nach alten Traditionen hergestellte Backwaren an. Als Bordproviant für die kommenden Tage kaufe ich Feigenbrot mit Pistazien, Rosmarinkekse und eine köstliche Marmelade aus der Schale von Bitterorangen. Am vierten Tag des Trips ist Skipper Domo sichtbar euphorisiert.»Endlich«, sagt er nach einem Blick auf die Navigationsapparaturen, »können wir richtig segeln.« Die Mitglieder seiner noch wenig geübten Crew folgen mit einiger Nervosität seinen Anweisungen. Als er den Motor abschaltet, stellt sich ein tranceartiger Zustand ein: Mobilität ohne Zivilisationsgeräusche. Ein frischer Wind. Klare, salzige Luft.

Dalmatinische Inseln wachküssen

Und eine immer noch kraftvolle Sonne. Und sehr intensive Farben. Solche Segelmomente sind es wohl, die süchtig machen und die dazu führen, dass die Bucht von Split auch in der Nebensaison nicht nur von Fähren frequentiert wird. Wir cruisen den ganzen Tag auf einem Zickzackkurs, den ich mir eingangs ausgemalt habe. Wir haben ja keine Eile, denke ich. Doch wie Domo mit einem verständnisvollen Lächeln erklärt, lässt sich der Katamaran nur auf diese Weise effektiv fortbewegen. Den Hafen von Maslinica auf der Insel Šolta erreichen wir erst spät. Trotz des Hochgefühls auf dem Wasser wollen wir am nächsten Tag die Insel erkunden.

Ralf Johnen

Eine Weinprobe in der Kapja i bokun ist geplant. Schließlich sind wir alle angefixt vom Mali Plavac. Der Weg führt ins Dorf Gornje Selo, quer über ein Eiland, das recht karg und, gemessen an den völlig überfüllten Balearen, fast entvölkert scheint. Mir schwant, dass es hier noch wesentlich mehr zu entdecken gilt als nur ein formidables Segelrevier. Kurz vor Ende der Saison scheint es fast so, als müssten die Dalmatinischen Inseln wachgeküsst werden. Doch Vorsicht: Kroatien-Veteranen wissen über die Sommermonate das Gegenteil zu behaupten.

Für unseren Trip aber begnügen wir uns mit der eigenen Erkenntnis. Mit ihr im Rücken genießen wir den verbleibenden Tag. Wir kochen an Bord, besuchen Buchten, speisen ein letztes Mal in einem Konoba. Nur das mit dem Segeln, das wird wohl noch einen weiteren Anlauf erfordern. Mindestens.

Ralf Johnen

Kurz und kompakt

Anreise. Dalmatien ist am besten über den Flughafen von Split erreichbar. Im Sommerflugplan wird der  Airport von diversen Airlines bedient: Eurowings fliegt u. a. von Köln, Düsseldorf, Hamburg und Berlin. Croatian bedient das Ziel von München, Frankfurt a.M., Wien und Zürich. Der Flug dauert zwischen 90 Minuten und 2 Stunden.

Boote. Der Anbieter The Moorings bietet mehrere Bootstypen zur Miete an. Ab Marina Agana kostet die Woche für das Boot »Moorings 4800« ab € 3.285 pro Woche. Es handelt sich um einen Katamaran mit 4 Kabinen plus 2 Vorpiekkojen für maximal 12 Personen. Bei Vollbelegung macht das € 329/Woche. Der Typ Moorings 50.5 ist ab € 2.745 pro Woche zu haben. Dabei handelt es sich um eine Einrumpfyacht (Monohull) mit 4 Kabinen plus 2 Vorpiekkojen für maximal 12 Personen (€ 275/Woche bei Vollbelegung). Ein Skipper kostet zusätzlich € 185 pro Tag. Die einzelnen Kabinen verfügen in beiden Bootstypen über jeweils eine kleine Nasszelle. Die Marinas in Dalmatien sind exzellent ausgestattet. Alternativ zum Konoba-Besuch kann überall üppig eingekauft werden.
The Moorings, Tel. 06101 55791 530
Kroatische Zentrale für Tourismus, Stephanstraße 13, 60313 Frankfurt, Tel.: 069 238 535 0

Adressen.
Konoba Dupini, Milna Quay, 21000 Milna, Tel. +385 21 636 295
Meneghello Place, Havar, Tel. +385 21 717 270, Nonica, Kroz Burak 23, 21450 Hvar

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