Malta ist wie Musik von Richard Wagner – man trifft Fans oder Gegner. Tatsächlich erschließt sich der Zauber des kleinen Mittelmeerarchipels geschichtsinteressierten Besuchern sicher schneller als sonnenhungrigen Strandurlaubern. Ein Besuch auf Malta und Gozo. Text: Martin Dommer

Um Haaresbreite hätte es den kleinen Einspanner hier auf Malta erwischt. Ein hoch mit Backsteinen beladener Sattelschlepper kommt mit quietschenden Reifen gerade noch zum Stehen. Wütend hupt und gestikuliert der Fahrer. Derweil trottet die für den Ärger verantwortliche Pferdestärke gemächlich von dannen. Der nagelnde Dieselmotor eines gelben Busses Baujahr anno dazumal übertönt das Klappern der Hufe, und die lärmende Lawine aus Blech, Rost und Stahl kommt wieder in Bewegung.

Triton-Brunnen in Valletta, Malta

Konstantin Aksenov/ Shutterstock.com

Noch rund 40 Minuten dauert der Stop-and-go-Verkehr in der Rush-Hour bis zum Ziel – Vallettas zentralem Busbahnhof. Von der Klimaanlage schockgefroren, trifft einen die staubtrockene Hitze beim Ausstieg wie ein Schlag. Es ist noch früher Vormittag, doch die Luft flimmert über dem Asphalt. Das kühle Wasser des Triton-Springbrunnens vor dem City Gate schafft Linderung. Im großen Zirkel ringsum warten Überlandbusse auf Fahrgäste. Inmitten einer bunten Menge von Menschen geht es durch das Stadttor direkt auf die Republic Street. Als schnurgerade Achse durchzieht sie die lebhafte Altstadt.

Enge Gassen in der Altstadt von Valletta

Ferenc Horvath

Händler am Straßenrand bieten frisches Brot, Obst oder kalte Getränke feil. Den wohl schönsten Ausblick auf die Stadt bietet der nahe Barracca-Garten. Einst als Exerzierplatz über den östlichen Festungswällen angelegt, wurde er von den Briten später exotisch bepflanzt. Auf den Bänken im Schatten der Bäume dösen Einheimische, alte und junge Paare schäkern, halten Händchen oder füttern Tauben.

Barracca-Gärten in Malta mit Blick auf den Hafen von Valletta

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Gewaltige Kirchenkuppeln und sonnenhelle Festungsmauern begrüßen den Besucher

Die Malteser schätzen die kleine Oase, denn der Blick auf die »Three Cities« genannten Stadtteile Vittoriosa, Cospicua und Senglea sowie den »Grand Harbour«, Vallettas Hafen, ist grandios. Längst haben moderne Supertanker und Kreuzfahrtdampfer dort die traditionellen Fischerboote verdrängt. Dem Fremden, der sich von einem der bunt bemalten Wassertaxis, Holzgondeln mit Außenborder, durch den Hafen schippern lässt, wird schnell gewahr, dass Valletta als Bollwerk konstruiert wurde. Gewaltige Kirchenkuppeln und sonnenhelle Festungsmauern begrüßen ihn.

Hafen von Valletta bei Sonnenuntergang

Pavel Neznanov

Wie ein riesiger Schiffsbug schiebt sich die Landzunge, auf der Valletta liegt, in die Hafenbuchten Grand Harbour und Marsamsxett Harbour. Die Johanniter bauten die Festung Fort St. Elmo an der Spitze der Sciberras-Halbinsel 1552 zur Verteidigung gegen die Türken aus und erneuerten sie nach der großen Belagerung 1565. Überhaupt trachtete über die Jahrhunderte so ziemlich jeder, der das Mittelmeer beherrschen wollte, irgendwann danach, sich die Insel unter den Nagel zu reißen, liegt sie doch direkt an den wichtigsten Schifffahrts- und Handelsrouten zwischen Ost und West. Kein Wunder also, dass die Malteser bis zu ihrer Unabhängigkeit 1964 nur Fremdherrschaft kannten. Phönizier, Karthager, Römer und Araber setzten sich fest.

Fort St. Elmo in Valletta, Malta, aus der Vogelperspektive

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Über Sizilien kamen die Normannen, von Rhodos 1530 die Ritter des Johanniterordens. Fast drei Jahrhunderte lang lebten sie vom Plündern arabischer Handelsgaleeren. Malta wurde zum christlichen Vorposten gegen das expandierende Osmanische Reich. Sein Name entwickelte sich aus dem phönizischen Wort »Malet«, was in etwa Zufluchtsort bedeutet. Vallettas Stadtplan gleicht einem Schachbrett: Breite, gerade Gassen und Straßenschluchten ohne Deckung sind ein Albtraum für jeden Angreifer. Napoleon war es, der die Ritter schließlich von der Insel jagte, bevor er selbst seinen Hut nehmen musste.

Noch heute erinnert vieles an England

Die auf ihn folgenden Engländer führten ihr Rechtswesen ein, die Demokratie und schließlich auch ihr Gourmetfrühstück: weiße Bohnen, matschiger Toast und jede Menge Ketchup. Ein bisschen wie England im Mittelmeer ist Malta geblieben: Linksverkehr, rote Briefkästen und schwarzer Humor, gelbe Oldtimerbusse und Schlangestehen ohne Drängeln (na ja!) sind Alltag im faktisch zweisprachigen EU-Zwergstaat.

Britische Telefonzelle auf Malta

Ostap Senyuk

Englisch benutzen die Einheimischen allerdings nur fürs Geschäft und für die Touristen. Untereinander sprechen sie Maltesisch, eine Sprache, die auf dem maghrebinischen Arabisch basiert, das lateinische Alphabet benutzt und italienische Dialektformen enthält. Kostprobe? »Fenek Bit-Tewm U Bl-Inbid.« Nein, Sie haben nicht die Tochter des Scheichs beleidigt; der Zungenbrecher ist original Maltesisch und bedeutet »Hase mit Knoblauch und Wein« – eines der edleren Nationalgerichte, die vor allem an Festtagen serviert werden.

Doch von der Kulinarik zurück zur Kultur: Vallettas Kronjuwel ist die Hauptkirche des Johanniterordens – St. John’s Co-Cathedral. Die schlichte Fassade lässt nichts vom prachtvollen Innenraum erahnen. Gerolamo Cassar errichtete die Ordenskirche, die nicht nur mit aufwendigen Deckenmalereien aus dem 17. Jahrhundert aufwarten kann, sondern auch zwölf reich ausgestattete Seitenkapellen vorzuweisen hat. Die Schatzkammer des Oratoriums beheimatet zwei Caravaggio-Originale.

St. Johns Co-Cathedral in der Altstadt von Valletta auf Malta

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Gozo – die kleine Schwester von Malta

Maltas kleine Schwester im Nordwesten ist nur ein Viertel so groß und doch bei Weitem anmutiger. Grüner, mit den schöneren Stränden und ohne die Hektik der Hauptinsel, hält Gozo Schönheitsschlaf im blauen Wasserbett. Knapp 25 Minuten stampft die Fähre von Cirkewwa durch die Comino Channels bis zur gelbbraun zerschundenen Küste Gozos – auf den ersten Blick ein karges, kalksandsteinernes Gerippe, Felsen und gewaltige Klippen, die sich von Jahrmillionen zerwaschen steil ins Meer senken.

Höhle mit Blick auf eine Bucht von Gozo

Stephen Lammens

Bald ist Mgarr in Sicht, Yachten und Fischerboote liegen in dem kleinen Hafen, helle Häuser ducken sich an die schroffe Küste. Kaum hat sich das Getümmel am Anleger aufgelöst, umgibt den Besucher Stille. Nur etwa 30.000 Einwohner leben auf dem Archipel. Begegnungen mit Einheimischen auf der Landstraße sind eher selten.

Durch viele kleine Dörfer wie Qala, Zebbug oder Munxar geht die Fahrt. Entlang der Straße nach Xewkija, wenige Kilometer im Inselinneren, wird Salat und Kohl geerntet. Am Wegesrand wachsen Minze, Tomaten, Basilikum und Thymian. Vielerorts zuckeln Ziegen über die Feldwege, und wo auf Malta Steine und Geröll liegen, wächst hier Gras. Nicht umsonst gilt Gozo als Garten Maltas.

Grüne Landschaften auf Gozo

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Must-see auf Gozo: Ggantija-Tempel  und Fungus Rock

Die Insel kann mit einigen verborgenen Superlativen aufwarten: Wer weiß schon, dass der Ggantija-Tempel weltweit die älteste, frei stehende Anlage seiner Art ist, älter als Stonehenge und die Pyramiden? Der rund 5.800 Jahre alte Komplex besteht aus zwei zusammengebauten Tempeln. Der Legende nach soll eine Riesin sie in einer einzigen Nacht errichtet haben.

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Taucher behaupten, vor der Insel die besten Reviere des Mittelmeers gefunden zu haben – wegen der ungetrübten Weitsicht unter Wasser. Sie tauchen bevorzugt dort, wo es auch über Wasser etwas zu sehen gibt: so etwa am Fungus Rock.

Die Gozitaner behaupten felsenfest, der Malteserschwamm, der an dem rund 65 Meter hohen Monolithen klammert, habe wundheilende und blutstillende Kräfte, wirke gar aphrodisierend. Deshalb durfte lange niemand dran. Die Johanniter wachten streng über Gestein und Geschichte – unbefugter Zugang wurde mit dem Tode bestraft. Dass spätere wissenschaftliche Studien keinerlei medizinische Wirkung im Malteserschwamm fanden, tut der sagenhaften Anziehungskraft des Fungus Rock keinen Abbruch. Er ist längst Mythos – einer von vielen, die es in Malta und Gozo zu entdecken gibt.

Das früher bei Touristen so beliebte Azur Window ist 2017 eingestürzt und existiert leider nicht mehr.  Ein anderes schönes Felsenfenster liegt bei Wied il-Mielah.

Felsentor Wied il-Mielah, Gharb, Gozo

Antje Janes-Linnerth

Das Fremdenverkehrsamt Malta liefert euch weitere wichtige Informationen und Sehenswürdigkeiten der beiden Inseln.

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