Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute so nah liegt. Beim Weinwandern in Baden-Württemberg mit einem Gläschen Trollinger in der Hand und der Neckarschleife im Blick lernt man Deutschlands Süden von seiner reizvollen Seite kennen.

Eingebettet in die Weinhänge des inneren Kaiserstuhls, liegt Oberbergen, ein typisch badischer Ort. Geschlossene Häuserfronten säumen die Hauptstraße, zurechtgemacht mit gelben und roten Petunien und Begonien. An einzelnen Gartenpforten lehnen zudem Schiefertafeln mit weißer Kreide beschriftet, die anpreisen, was die Region kurzum zu bieten hat: Wein, Kirschen, Birnen, Zwetschgen und Walnussöl. Wie Zinnsoldaten aufgereiht, stehen die Rebstämme in Reih und Glied, runzelig und gebückt wie alte Mütterchen am Hang hinter den Häusern.

Oberbergen am Kaiserstuhl in Baden-Württemberg

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Hier spielt die Musik: Oberbergener Bassgeige

Im Keller der ortsansässigen Winzergenossenschaft Oberbergener Bassgeige am Kaiserstuhl bauen sich mächtige Barriquefässer für Schwarzriesling oder Spätburgunder-Rotweine sowie Stahltanks für die weißen Sorten wie Müller-Thurgau und Grauer Burgunder vor den Besuchern auf. Schummerlicht, angenehme Kühle und Gäraromen schaffen eine urige Kelleratmosphäre. Was die Oberbergener Bassgeige ausmacht? Der Boden aus Vulkangestein und Lössbedeckung, auf denen die Reben ihren unverwechselbaren Geschmack ziehen.

Zu der Winzergenossenschaft Oberbergen zählen rund 400 Winzerfamilien. Keine Seltenheit: Rund 72 Prozent der Rebfläche Badens wird genossenschaftlich bewirtschaftet. Nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass rund 13.800 Betriebe (94 Prozent) in Baden eine Rebfläche kleiner als 0,5 Hektar ihr eigen nennen.

Trauben in Händen

Maja Petric

Neben den traditionellen Reb­sorten stellen die Kellermeister der Genossenschaft Oberbergener Bassgeige auch Cuvées her. Bis der Verschnitt von Rebsorten in Deutschland in Mode kam, hat es etwas gedauert. Im Ausland lag er schon lange im Trend. Auf den steilsten Lössterrassen des inneren Kaiserstuhls wachsen die Sorten Cabernet-Dorsa, Acolon und Spätburgunder, aus denen der »Bassolino«, ein tiefdunkler, kräftig-trockner Rotwein, entsteht.

Weinwandern in Baden: Eine der letzten deutschen Idyllen

Baden ist das südlichste und drittgrößte Weinbaugebiet Deutschlands und erstreckt sich über 400 Kilometer von Norden nach Süden entlang des Oberrheins, vom Rhein-Neckar-Gebiet bei Mannheim und Heidelberg bis nach Basel. Und die beste Region zum Wein probieren? Der Kaiserstuhl gilt als eine der letzten deutschen Idyllen, wo der Wein besser, die Kirschen süßer sind und das Klima wärmer ist als im restlichen Land. Hier finden sich viele Kellereien auf kleinem Raum, diverse Rebsorten und ein hoher Anteil guter Weine.

Weinwandern in baden-Württemberg: Frau mit Rucksack spaziert durch Weinreben

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Dem Winzer über die Schulter schauen und dabei einen guten badischen Tropfen verkosten, kann man zum Beispiel im Weingut Karl H. Johner in Bischoffingen oder im Weinhaus Joachim Heger. Außerdem gibt es Rad- und Wanderwege wie Trauben an den Reben, die entlang der Weinberge, durch Obstplantagen und lauschige Winzerorte führen. Da können es bei einer Rast aus einem auch leicht zwei »Gläsle« werden.

Man sieht nur Rot beim Weinwandern in Württemberg

Allerdings sollte man sich das ein oder andere Gläschen für Württemberg aufsparen, denn diese Rotweinvielfalt gibt es nirgendwo sonst in Deutschland: Samtrot, Lemberger, Spätburgunder und Trollinger heißen die guten Tropfen.

Neckar in Hessigheim mit Felsengärten beim Weinwandern in Baden-Württemberg

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Wer sich auf die Spuren des württembergischen Weins begibt, der kommt jedenfalls an den Hessigheimer Felsengärten nicht vorbei. Sie zählen zählen zu den bedeutendsten Geotopen Deutschlands. Tief ins Tal, bis hinunter zum Neckar, fallen die Weinberge steil ab wie Skipisten. Bis zu 20-mal im Jahr besucht der Winzer die einzelne Rebe in Hanglage. Bei bis zu 20 Prozent Steigung daher eine mühevolle Angelegenheit. Der Neckar bahnt sich in einer Schleife seinen Weg durchs Tal. Ausflugsdampfer mit Menschen so groß wie Legofiguren ziehen ihre Bahnen flussabwärts. An den Felsen sieht man vereinzelt Kletterer todesmutig über dem Abgrund die Felsen hinaufsteigen. Mit dieser Kulisse vor Augen gibt es nur eins: Stiefel schnüren und los.

Wahre Liebe beim Weinwandern in Baden-Württemberg

Ein weiterer perfekter Ausgangspunkt, um das Rotweinland Württemberg mit Rucksack und einem flotten »Das Wandern ist des Müllers Lust« auf den Lippen auszukundschaften, ist Rotenberg, einem Stadtteil, der zu Stuttgart gehört. Der Aufstieg zum Wirtemberg ist des weiteren ein Muss. Einst thronte hier die gewaltige Burg Wirtemberg bzw. Burg Württemberg. Doch König Wilhelm I. von Württemberg ließ sie wegen ihres ruinösen Zustandes 1819 vollständig abreißen. Heute wandert der Blick über das Neckartal, Richtung Esslingen, Bad Cannstatt und Stuttgart bis zu den Rotenberger und Uhlbacher Weingärten.

Grabkapelle auf dem Wirtemberg

Nagarjun Kogaravalli Sathyanarayana

In akkurater Geometrie mit faszinierender Schraffur ziehen sich die Reben den Berg hinauf. Über den Weinbergen thront überdies eine beeindruckende Grabkapelle. Mit ihrem von Säulen getragenen sandsteinfarbenen Eingangsportal und der Kuppel erinnert sie stark an antike Vorbilder wie das römische Pantheon. König Wilhelm I. von Württemberg hatte die Kapelle für seine verstorben Frau bauen lassen. Die Inschrift »Die Liebe höret nimmer auf!«, die hoch oben über den Säulen prangt, zeugt indes von der Liebe zu seiner Frau Katharina. Beide ruhen in der klassizistischen Grabkapelle.

Zeit für das Nationalgetränk der Schwaben muss sein

Die erste Gelegenheit für ein »Gläsle«  lässt nicht lange auf sich warten, denn unten im Tal, zehn Minuten bergab, gibt es den Kelter des Collegium Wirtemberg. Ganz nach dem Motto:

»S’Veschper isch ohne Trollinger a halbe Sach!«,

schmeckt das Nationalgetränk der Schwaben fast schon zu gut. Vorsicht, Verweilgefahr! Wer mit dem Rad zum Weinwandern in Baden-Württemberg aufgebrochen ist, sollte hingegen das eine oder andere Gläsle Wasser einbauen.

Beim Weinandern in Baden-Württemberg posten sich Freunde mit Trollinger zu

Kelsey Knight

Die schönsten Routen zum Weinwandern in Baden-Württemberg

Übernachten. Ein guter Startpunkt ist Freiburg. Von hier aus lässt sich in jedem Falle Baden-Württemberg zum Weinwandern bestens erkunden. Übernachten im luxuriösen Colombi Hotel, Rotteckring 16, 79098 Freiburg, Telefon: 076 21060.

In Baden checkt man im Hotel Sonnenhof in Lautenbach ein mit schönem Wellnessbereich und hervorragender badischer Küche. Hauptstraße 51, 77794 Lautenbach, Telefon: 0780 704090.

In Württemberg erholt man sich im urigen, aber modern eingerichteten Gasthof zum Ochsen vom Wandern und vom Wein. Grossbottwarer Straße 31, 71720 Oberstenfeld, Telefon: 0706 29390

Weingüter. In Baden: Weinproben bei der Oberbergener Bassgeige, dem Weingut Karl H. Johner in Bischoffingen oder im Weinhaus Joachim Heger lohnen.

In Württemberg: Das Collegium Wirtemberg im Stadtteil Rotenberg am Fuße des Wirtemembergs ist eine gute Anlauftstelle für das Nationalgetränk der Schwaben, dem Trollinger.

Weinwandern. In Baden: Rund um den Kaiserstuhl gibt es wunderschöne Wanderrouten. Wer sich jedoch lieber zwischenzeitlich auch mal auf das Rad schwingt, der findet ebenfalls lohnenswerte Radrouten.

Routen in Württemberg unter www.stuttgarter-weinanderung.de oder www.tour-de-wein.de

Infos. Alles rund um den badischen Wein von Rebsorten über Winzereien bis zu den besten Tropfen  unter Badischer Wein.

Wissenswertes über württembergische Weine gibt es bei der Weinheimat Württemberg.

Generelle Infos über deutschen Wein, Weinregionen oder Veranstaltungen wie Weinfeste findet man beim Deutschen Weininstitut.