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Capri Tiberio Palace

Capri Tiberio Palace
Via Croce 11 - 15, 80073 Capri, Italien
Telefon: +39 081 97 87 111
(Geöffnet von April bis Oktober)
www.capritiberiopalace.it
€€€

getestet von Harald Braun
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Der erste Eindruck

Capri ist keine Destination für Feiglinge und Fußlahme: Das wird schon klar, wenn man am Hafen in eines der merkwürdig langgezogenen, ultraschmalen Taxis steigt, die einen hoch hinauf zur zentralen Piazzetta Capris bringen: Steil und eng wird’s auf den Nadelöhrstraßen, bei Gegenverkehr hält man schon mal unwillkürlich den Atem an. Warum die Autos hier so schmal bemessen sind – angeblich Sonderanfertigungen von Fiat – erschließt sich bereits nach der ersten Haarnadelkurve.

Die Felseninsel, das zeigt sich auch auf den letzten Metern auf dem Weg zum Capri Tiberio Palace, möchte gern bezwungen werden. Easy going geht – buchstäblich - anders. Das Tiberio Palace liegt auf einer kleinen, aber steilen Anhöhe. Autoverkehr? Hier nicht mehr… Vor dem Hotel sehen die Gäste ihre Koffer erstmals wieder, die ihnen dankenswerterweise von dienstbaren Geistern des Hotels bereits am Hafen von Capri abgenommen wurden. Lohn der fußläufigen Anstrengung auf den letzten Metern: Vor dem Eingang des Hotels warten bereits einige Damen mit einem Gläschen Champagner auf neu anreisende Gäste. Das hat zwar was von Showtreppe, wirkt aber nicht wie eine lästige Pflichtübung, sondern eher wie ein formeller und sehr persönlicher Empfang zu einem freudigen Anlass. Die üblichen Formalitäten an der Rezeption sind professionell vorbereitet, zwischen Champagner, kurzem Check-in und dem Gang zum Lift des Hauses vergehen höchstens fünf Minuten.

Der Eingangsbereich wirkt elegant und kreativ gleichzeitig: Geschmackssicher und mit spürbarer Lust an farbigen Akzenten wirkt das Haus wie die Privatgemächer eines großbürgerlichen Bonvivants, der sich in Galerien, Museen und Ateliers auf der ganzen Welt zu Hause fühlt – und seine Lieblingsstücke auf seinen Reisen mit nach Hause ins Tiberio gebracht hat.

Wer wohnt hier?

Menschen, die eine bestimmte Art von Luxus genießen. Einer, der nicht schreit, sondern flüstert. Solche, die wissen, wer Jean-Luc Godard war und die Fotos an den Wänden einem seiner Filme zuordnen können. Leute, die bei Jackie O. nicht an griechische Reeder, sondern an John F. Kennedy denken und die Romy Schneider lieber auf Schwarz-Weiß-Fotos sehen als in »Sissi«.

Es ist ein angenehm entspannter Menschenschlag, der das Tiberio Palace bevölkert – einer, der das Beste erwartet, aber niemals ausdrücklich oder gar lautstark danach verlangen würde. Es sind häufig Gäste in den besten Jahren, für die das künstlerische 60er-Jahre-Flair des Hotels mehr sentimentale Erinnerung als anekdotisches Sammelsurium sein dürfte.

Für Familien mit Kindern allerdings ist der Aufenthalt im Tiberio Palace eine Herausforderung: Nur schauen, nicht anfassen – das wird bei den vielen originellen und zum Teil sichtbar kostbaren Accessoires in der Halle und den Zimmern bei sehr jungen Gästen zur Reifeprüfung. Und überhaupt: Wer den Charme des Hauses zu schätzen weiß, das vom deutschen Hoteldirektor Oliver Hutten auf leise, aber charmant-pointierte Weise geführt wird, hat in der Regel mehr gesehen als Marvel-Blockbuster und Netflix-Serien.

Gut geschlafen?

46 Zimmer. Und keines davon wie das andere. Dass man in den Betten des ehemaligen Palazzos – erbaut 1914 und ursprünglich als Lazarett konzipiert – hervorragend schläft, ist eigentlich keine Erwähnung wert. Qualität, auch bei der Beschaffenheit von Bett und Matratze, spielt in diesem Heim auf Zeit auf Capri keine Rolle. Sie wird einfach vorausgesetzt, beim Betreiber, wie auch beim Gast.

Dass jedes einzelne Zimmer individuell eingerichtet ist und man trotzdem eine stringente Handschrift im ganzen Haus erkennt, ist bemerkenswert. Zudem verfügen 90 Prozent der Zimmer und Suiten über eine Terrasse oder einen Balkon. Für die herrliche Aussicht auf den Golf von Neapel kann der Designer des Tiberio Palace zwar nichts, aber er hat es verstanden, diesem grandiosen Hintergrund einen passenden Rahmen zu verleihen. Bunt gemusterte Fliesen vor schwarz-weißen Fotos von Grace Kelly oder Katharine Hepburn, historische LIFE-Titelbilder, Globen in allen Größen, Farben und Materialien. Dazu alte Seemannskoffer und Nachbildungen von majestätischen Holzbooten im feinen RIVA-Style, hach – kein Zimmer, das nicht mindestens über drei, vier Ausstattungsstücke verfügen würde, die man am liebsten mit nach Hause nehmen würde.

Das Portal »Wellness Heaven« hat 2019 über 1000 Hoteliers gefragt, ob und was in ihren Häusern von den Gästen gestohlen wird. Dabei erwies sich, dass gerade in Fünf-Sterne-Häusern viel gemopst wird, vor allem hochwertige Produkte bis hin zum Flachbildschirm. Oliver Hutten lächelt leise. In seinem Haus kommt das nicht vor. Nie. Siehe oben: Das ist einfach nicht das Niveau der Menschen, die hier einkehren. Nouveau riche ist anderswo.

Der Wellnessfaktor

Natürlich verfügt das Tiberio Palace auch über einen adäquaten Wellnessbereich, der mit 600 Quadratmetern Größe im Verhältnis zum Volumen des gesamten Hotels auch gar nicht mal so klein ausfällt. Die versprochene »Zen Oriental Atmosphere« wird eingelöst. Der gesamte Wellnessbereich ist ein harmonisch designtes und dabei funktionales Ensemble, das im Gegensatz zu den Zimmern und öffentlichen Räumen des Hotels auf diskrete Zurückhaltung und beinahe klösterlichen Purismus setzt.

Braune Wände, warmes Holz auf dem Boden im Herz der Wellnessrefugien; weiß glänzende Hölzer nach Miami-Art und frische Farben dann in der lichten Umgebung des Pools. Wie sagte der amerikanische Architekt Frank Lloyd Wright einmal: »Form und Funktion sollten eins sein, verbunden in einer spirituellen Einheit.« Warum kommt mir im Tiberio Palace dieses Zitat bloß immer wieder in den Sinn?

Bauchgefühl

Zu den vertrauensbildenden Maßnahmen im Tiberio Palace gehört, dass man beim Blick aufs Meer auch beiläufig über die prächtigen Gärten blickt, die sich unterhalb des Hotels terrassenförmig ausbreiten. Dabei handelt es sich um das Gemüse-, Obst- und Salat-Arsenal des hauseigenen Restaurants – nachhaltiger und regionaler geht’s wirklich nicht.

Im Terrazza Tiberio kocht seit Mai 2022 Nello Siano auf - ein Chef, der, so stand es einmal geschrieben, »Drama und Aufregung in die capresische Küche bringt.«
Nun – das fängt beim frischen und phantasievoll gestalteten Frühstück im Terrazza Tiberio an, auch die Lunchkarte überzeugt mit Leichtigkeit, Frische und kreativen Ideen.

Für das »Fine Dining«-Erlebnis am Abend reserviert man besser im Voraus, denn nicht nur Hausgäste laben sich an der mediterran-italienischen Küche, die mit Meeresfrüchten und frischem Fisch wahre Wunderdinge zaubert. Allerdings sollte ein Calamari-Risotto für 46 Euro und der Scampi-Tartare mit Foie gras zu stabilen 48 Euro dann auch schon was können.

Das besondere Etwas

Das ist ein No Brainer: Die Jacky Bar im Erdgeschoss des Hotels ist ein Ort, an dem man einen ganzen Abend und eine Nacht verbringen könnte. Auch hier hat man sehr auf Design-Tools geachtet, die dem Ort einen kubanischen Anstrich verleihen, sogar ein weißes Klavier wartet in der Ecke verstohlen vor einer Armada weißer Borsalinos auf seinen Meister.

Dazu kommt, dass hinter der Bar nicht irgendeine Servicekraft steht, die der Dienstplan zufällig zum Getränkeschütteln abkommandiert hat. Nein, die Jungs, die in der Jacky Bar am Mixer zaubern, verstehen ihr Geschäft. Das fängt schon beim Outfit an. Normal kann schließlich jeder, aber sich so selbstbewusst zu inszenieren wie Anzugträger Vincenzo Gambuzza mit getönter Kastenbrille und gewienerter Glatze, nun – DAS ist speziell und definitiv ein Alleinstellungsmerkmal am Shaker.

Zu den Signature Drinks der Jacky Bar gehört übrigens ein Gebräu, das aus weißem Wermut, Maraschino Likör, Sirup und Orange Bitter besteht und wie heißt? Genau:
»La Dolce Vita«. Das passt.

3 gute Gründe, dort zu buchen

1. Die Lage ist fantastisch. Einige Meter entfernt von der legendären Piazzetta, ganz in der Nähe der mondänen Shops und feinen Restaurants der Felseninsel, dabei trotzdem weit genug entfernt vom Trubel der Tagesbesucher. Und dieser Blick über den Golf von Neapel. Ein Traum!
2. Durch die zahlreichen Nostalgiefotos von Filmstars vergangener Tage wird man wieder einmal daran erinnert, was die Magie des ganz großen Kinos einmal ausmachte. Das ganze Hotel verbeugt sich tief vor einer Ära in Hollywood, in der noch Leinwandgöttinnen und kernige Helden verehrt wurden – und bei einem selbst steigt die Lust, mal wieder in ein Filmmuseum zu gehen.
3. Eleganter Luxus, here we are. Im Capri Tiberio Palace wird gehobene Lebensart zelebriert, ohne dass man mit der Nase drauf gestoßen wird. Lässig, weltgewandt und mit einer unangestrengten Beiläufigkeit, die jede hochgezogene Augenbraue in einen Boss-Move verwandeln kann.
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Fotos: Capri Tiberio Palace

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