Destination Canada

On the road again

Es gibt viele Länder, die sich für einen Roadtrip eignen. Doch eine Fahrt durch Kanada ist immer etwas ganz Außergewöhnliches. Die Begegnungen sind einzigartig, egal ob Menschen oder Wildlife. Und ja, das Land hat einfach eine Menge Platz. Fast jede Provinz und jedes Territorium kann man mit dem Auto erfahren, nur nach Nunavut führt (noch) keine Straße. Hier sind die Roadtrip-Empfehlungen von unserer Chefredakteurin Jenny Latuperisa-Andresen:

TOMBSTONE TERRITORIAL PARK entlang des Dempster Highway
Destination Canada

Yukon und Northwest Territories

Etwa 40 Kilometer östlich von Dawson City im Yukon verläuft der Klondike Highway – und dort startet ein weiterer »Highway«: der Dempster. Allerdings, ein Highway sieht landläufig etwas anders aus, was dann auch bei manchem Camper, Auto- und Harleyfahrer für leichte Verwirrung sorgt.

»So, is this the Dempster Highway?«,

fragte da eine Amerikanerin aus den Südstaaten verwundert, als es vom Parkplatz/ Aussichtspunkt auf eine Schotterpiste geht. Ein knappes »Yes« ist ihre Antwort von verschiedenen Seiten – schließlich ist der »Yukon Highway 5« die einzige Straße im hohen Norden des Territoriums. Auch wenn der Dempster mit einem Highway im Süden Kanadas so viel gemeinsam hat wie ein Elch mit einem Grizzly – er ist eine der beeindruckendsten Straßen, die das Land zu bieten hat. 736 Kilometer bis nach Inuvik am Polarmeer. Eine Reise, wie man sie wahrscheinlich noch nie zuvor erlebt hat. Bis heute führt sie durch eine echte Wildnis, um die die Zivilisation einen weiten Bogen gemacht zu haben scheint.

Besonders schön ist die Tour in der Mitte des Jahres, wenn das magentafarbene Fireweed die Straßen säumt und das Ende des kurzen Polarsommers einläutet. Für besonders Abenteuerlustige ist der Dempster im Winter eine Herausforderung, wenn alles weiß in Weiß ist und man die Windschutzscheibe erst mal mit vollem Gebläse anheizen muss, damit das Waschwasser nicht sofort anfriert. Belohnt wird man für Strapazen allerdings regelmäßig mit am Himmel tanzenden Nordlichtern.

Schotter, Schlaglöcher, Matsch und die unendlichen Weiten des Yukon – das alles gehört zu dem Trip dazu. Und ein guter Rat: immer anhalten und volltanken, wenn eine Zapfsäule dasteht. Man weiß nie, wann die nächste offen ist.

Sea to Sky Highway: Ein legendärer Roadtrip durch Kanada
EB Adventure Photography/ Shutterstock.com

British Columbia

Die Route zwischen Vancouver und Whistler war eine echte Rennstrecke, als die Olympischen Winterspiele 2010 dort ausgetragen wurden. Schade eigentlich, denn es gibt entlang des Highway 99 so viel zu sehen, dass man locker ein ganzes Wochenende für die nur rund 125 Kilometer brauchen kann.

Und wenn man ganz ehrlich ist, wäre man am liebsten Beifahrer – so schön ist die Aussicht. Im Westen der Pazifik, im Osten die teils schroffen Berggipfel: Entlang der Route, die vom Meeresspiegel an der Horseshoe Bay bis auf rund 670 Meter Höhe in Whistler ansteigt, ist von allem ein bisschen zu sehen.

Der Regenwald an der Küste entlang des Howe Sound, die kleinen Dörfer, der etwas größere Ort Squamish – wer will, kann von der Horseshoe Bay auf einige der kleineren Golfinseln fahren, das tiefenentspannte Bowen Island zum Beispiel, von wo aus einige Bewohner mit dem Kajak zur Arbeit nach Vancouver fahren. In Squamish gibt es jede Menge Möglichkeiten, Kultur und Geschichte der Ureinwohner kennenzulernen. Auf dem Weg dahin liegt Britannia Bay mit seinem »Mine Museum«, den alten Stollen und der Möglichkeit, Gold zu waschen.

Sowohl in Squamish als auch im Garibaldi Provincial Park – auf dem Weg nach Whistler – ist schon fast so viel Outdoor-Aktivität angesagt wie in dem bekannten Wintersportort. Von Hunderten Mountainbike-Trails über zahlreiche Wanderungen kann sich hier jeder Besucher austoben.

Alberta

Der Icefields Parkway verbindet Jasper und Banff – es geht mit dem Auto, mit dem Wohnmobil oder dem Motorrad mitten durch die Rocky Mountains. 232 Kilometer, länger ist dieser Roadtrip nicht. Aber genau richtig für alle, die spektakuläre Berge und Gipfel mögen und auch im Sommer auf dem Eis spazieren wollen.

Auch hier in Alberta geht es nicht darum, zügig von einem Ort zum anderen zu kommen, das wäre in einem halben Tag geschafft. Die Route schlängelt sich entlang der »Great Divide«, der kontinentalen Wasserscheide Nordamerikas, und das Element gibt es tatsächlich in all seinen Aggregatzuständen zu sehen. Gletscher, Wasserfälle, die ganzjährig weißen Gipfel der Rocky Mountains. Türkis ist das Wasser des Lake Louise, es wird von den Gletschern gespeist und leuchtet besonders intensiv, wenn sich Sonne und Wolken am Himmel einen Wettkampf liefern.

Ein ebenfalls lohnenswerter Stopp: der Athabasca-Gletscher, ein sogenannter Finger der Columbia Icefields. Sechs Kilometer lang, ein Kilometer breit und bis zu 300 Meter tief. Im Sommer, wenn die Landschaft nicht verschneit ist, gibt es die verschiedensten Möglichkeiten, auf den Gletscher zu kommen und das Gletschereis ganz aus der Nähe zu erleben.

Cabot Trail schlängelt sich entlang der Küste Nova Scotias
Kyler McGregor
Wanderer auf dem Cabot Trail mit Blick auf den Atlantik
Tourism Nova Scotia

Cape Breton, Nova Scotia

Es hatte schon einen Grund, weswegen die Siedler diese Atlantikprovinz Neuschottland genannt haben – und auf dem Cabot Trail ist man mittendrin im alten Schottland, in der Neuen Welt. Highlands gibt es da und meilenweite Wanderwege, der Atlantik ist allgegenwärtig, die Straße selten gerade. Wie in Schottland eben. 300 Kilometer lang ist dieser »Trail«, der in Wirklichkeit eine Ringstraße auf Cape Breton Island ist und vielleicht der längste Ausflug für alle, die sich an Fisch und Meeresfrüchten – vor allem Hummer – nicht satt essen können.

Seinen Namen hat der Trail dem italienischen Entdecker Giovanni Caboto (John Cabot) zu verdanken, der 1497 im Auftrag der britischen Krone die Küste Nova Scotias erreichte und dort auf die Mi’kmaq stieß. 1932 schon wurde der »Loop« fertiggestellt und verbindet seither kleinere und größere Fischerdörfer, die allesamt auf eine spannende Geschichte zurückblicken können – und ein reiches Erbe: die keltische Musik, die Tänze bei den Ceilidhs, die Festivals, die an vielen Stellen noch unberührte Natur.

New Brunswick

Fundy Coastal Drive

New Brunswick dürfte zu den weniger bekannten Provinzen Kanadas gehören – dabei gibt es hier ein echtes Naturwunder zu sehen: den wohl höchsten Tidenhub der Welt. Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut an den Hopewell Rocks in der Bay of Fundy beträgt zwischen 15 und 18 Meter, zweimal am Tag. Flowerpot Rocks heißen die Sandsteingebilde auch, die sich da im Inneren der Bucht zeigen, wenn das Wasser verschwindet. Felsen, die aussehen wie Blumentöpfe und auf denen Bäume und Büsche wachsen. Während der Ebbe können Besucher auf dem matschigen Meeresboden spazieren und müssen die Köpfe ziemlich in den Nacken legen, um die Felsen in ihrer ganzen Schönheit zu sehen.

Wenn die Flut kommt, sind die Kajakfahrer auf dem Wasser unterwegs und umschiffen die Felsen, von denen dann nur noch wenig Stein und viel Grün zu sehen ist. Insgesamt ist der Fundy Coastal Drive knapp 400 Kilometer lang und führt von St. Stephen entlang der Südküste New Brunswicks bis nach Sackville, wo die Provinz an den Nachbarn Nova Scotia grenzt. Viel Landschaft ist hier zu sehen, viel Wald, viel Wasser – und Kanadas älteste Stadt St. John’s

Und wem das alles nicht wie ein echter Roadtrip durch Kanada erscheint, der kann auch einmal von Küste zu Küste fahren. 7.820 Kilometer. Das ist der Trans-Canada Highway.

Wie lange das dauert? Mindestens zwei Wochen, aber dann sitzt man die meiste Zeit im Auto. Wer von Victoria in British Columbia nach St. John’s in Neufundland und Labrador fährt, muss eigentlich mehr einplanen. Immerhin durchquert man alle zehn Provinzen und fünf Zeitzonen, vom Pazifik durch die Rocky Mountains, die Prärie, Ontario, Québec und schließlich Atlantik-Kanada. Oder anders herum.

Das Nerd-Wissen zu dieser Straße: 1962 wurde der Trans-Canada Highway eröffnet und ist bis heute die längste durchgängige Straße durch ein einziges Land.

Trans Canada Highway, einer der besten Roadtrips durch Kanada
Rafal Andronowski @thealpinestart
Langer Highway führt durch ganz Kanada
EB Adventure Photography/ Shutterstock.com