Herr Friedrich, Hitze-Freunde in Deutschland jubeln ab heute: Ein ziemlich stabiles Hoch übernimmt die Regie, wohl für eine lange Zeit. So eine Hitzewelle ist eine Premiere in diesem Sommer, oder?
Was ja eigentlich typisch für den Sommer in Deutschland ist, oder?
Das, was wir in diesem Juli erlebt haben, ist völlig normal im mitteleuropäischen Sommer. Das hatten wir auch vor zwanzig, dreißig Jahren in fast jedem Sommer erlebt. In den letzten beiden Jahren sind wir an anderen Szenarien gewöhnt worden.
Und das Sonne- und Hitze-Szenario, das wir aus 2018 und 2019 kennen, tritt nun ein?
Jetzt ist eine Umstellung im Gange. Der »Schaukelsommer« geht zu Ende, die Großwetterlage stellt sich um. Ein Hochdruckgebiet mit dem Namen »Detlev« scheint sich jetzt zu etablieren. So wie es aussieht, bewegt es sich nicht mehr vom Fleck. Das ist der Grund, warum wir es jetzt wirklich für einen längeren Zeitraum mit einer Hitzeperiode zu tun haben werden, die das Potential hat, extreme Ausmaße anzunehmen.
Wo wird es besonders heiß?
Wir erwarten im Rheinland und am Niederrhein in der Spitze um die 36 bis 37 Grad. Aber auch weiter südlich am Oberrhein, von Freiburg bis Karlsruhe, werden es um die 35 Grad werden. Aber es ist auch so, dass die bisher etwas benachteiligten Reiseregionen an der Nord- und Ostseeküste davon profitieren werden. Die warme Luft kann sogar an die Küsten und die Inseln vordringen. In einigen Küstenregionen kann die 30-Grad-Marke geknackt werden. Es wird viel Sonnenschein und kaum Niederschlag geben. Die nächsten Tage wird ganz Deutschland, von der Zugspitze bis nach Sylt, von dieser Hitzewelle betroffen sein.
Aber Temperaturen von über 30 Grad über ein paar Tage hinweg hatten wir doch schon in der Vergangenheit. Warum sprechen Sie von extremen Ausmaßen?
Die Länge der Hitzewelle, das könnte wirklich außergewöhnlich werden. Wenn ich mir die Computervorhersagen anschaue, erwarten wir neun Hitzetage mit mehr als 30 Grad im Rheinland. Ab dem Wochenende erwarten wir an sechs Tagen hintereinander mehr als 35 Grad. Oder wenn ich mir Frankfurt anschaue, dann soll es sich sieben Tage am Stück nicht unter 20 Grad abkühlen. Auch das wäre in Deutschland bisher selten so dagewesen, wenn sich diese Vorhersagen bestätigen.
Klima und Wetter sind bekanntlich zwei verschiedene Paar Schuhe. Und doch hat diese Wetterlage durchaus mit der Veränderung des Klimas zu tun, oder?
Ja, wir spüren die Auswirkungen des Klimawandels deutlich. Der ist bereits im Gange. Wir müssen natürlich beobachten, was weltweit passiert. Wir hatten in diesem Sommer neue Hitzerekorde in Spitzbergen, da hatten wir vor zwei Wochen erstmals mehr als 21 Grad. In der Arktis verzeichnen wir Negativrekorde, was die Eisbestände angeht. Das sind Dinge, die im globalen Klima Änderungen herbeiführen können – wobei man noch gar nicht weiß, was für Auswirkungen das hat. Klar ist: Es ist immer ein Risiko, wenn weltweit die Klimaerwärmung voranschreitet, sodass man wirklich aufpassen sollte. Die politischen Bemühungen, den Klimawandel zu stoppen, dürfen jetzt auch in dieser Corona-Zeit nicht nachlassen. Wir Meteorologen und Wissenschaftler hoffen, dass sich die Politik dieses Themas weiter ernsthaft annimmt und dass der Klimaschutz weiter hoch oben auf der Agenda steht.
Sie sprachen von Spitzbergen und der Arktis mit wirklich ganz dramatischen Veränderungen. Inwieweit lässt sich der Klimawandel bei uns in Deutschland konkret nachweisen?
Wir haben bereits seit 1981, seitdem wir flächendeckende Wetter- und Klimabeobachtung in Deutschland haben, einen Temperaturanstieg von im Mittel 1,3 Grad feststellen können. Das wirkt sich natürlich dadurch aus, dass die Ausschläge nach oben immer heftiger und immer häufiger vorkommen. Das heißt, wir haben immer öfter Rekordtemperaturen im Sommer. 36 Grad erreichen wir mittlerweile locker bei jeder Hitzeperiode. Das war früher anders. Man sieht also, dass die Klimaerwärmung schon jetzt Auswirkungen hat.
Sind die Folgen der Klimaerwärmung auch bei den Niederschlägen zu beobachten?
Die Niederschläge nehmen im Sommer im Mittel tendenziell ab. Im Winter dagegen nehmen sie etwas zu. Das haben wir schon herausgefunden bei unseren Untersuchungen. Diese Auswirkungen haben sich extrem in den letzten beiden Jahren gezeigt. Die Sommer 2018 und 2019 waren die heißesten nach dem Rekordsommer 2003. Dieses Jahr liegen wir bisher noch deutlich darunter. Aber die Dürre, die wird in diesem Sommer in einigen Regionen Deutschlands wieder ein Problem sein. Das gilt ganz besonders für den Streifen vom Saarland bis nach Thüringen. Das wird auch für den Tourismus ein Problem sein, wenn wegen drohender Brandgefahr Wälder gesperrt werden müssen.
Nun gibt es Menschen in Deutschland, die sagen: Wenn es jeden Sommer so warm und sonnig ist, dann brauche ich doch nicht mehr ans Mittelmeer reisen ...
Sicherlich gibt es immer Gewinner und Verlierer. Derjenige, der seinen Sommerurlaub in Deutschland verbringen will und sich freut, wenn es heiß ist, der muss nicht mehr unbedingt in die Türkei oder nach Spanien im Sommer fliegen. Zumal es dort im Juli unerträglich heiß wird. Wir haben jetzt schon wieder Hitzerekorde in Südspanien, 43 Grad heiß war es dort, in der Türkei bis zu 45 Grad. Ich denke, das ist dann auch selbst für den wärmeliebenden Urlauber grenzwertig. Insofern kann man sagen, dass unter diesem Aspekt einige Regionen Deutschlands touristisch attraktiver geworden sind. Aber die negativen Konsequenzen für die Landwirtschaft und die Trinkwasserversorgung sind beachtlich.
Wo in Deutschland kann man eigentlich im Sommer gut Urlaub machen, wenn man es warm und sonnig haben will, aber nicht an die überlaufenen Tourismus-Hotspots reisen möchte?
Da gibt es schon ein paar Geheimtipps. Im östlichen Deutschland möchte ich die Lausitz hervorheben. Durch die Renaturierung sind die Tagebau-Restlöcher geflutet worden, es entstanden viele künstliche Seen. Das sind natürlich jetzt im Sommer tolle Gebiete, weil sich die Seen stark erwärmen. Da hat man wirklich badetaugliche Temperaturen. Generell ist es im Osten Deutschlands oft so, dass sich die Tiefausläufer aus dem Westen dort kaum noch bemerkbar machen. Und in Sachen Temperaturen haben Sie im Sommer im Osten keine großen Unterschiede zu jenen im Rheinland oder im Breisgau. Ein weiter Tipp ist Hessen, etwa der Edersee, immerhin der drittgrößte Stausee Deutschlands. Dort kann man auch einen wunderschönen Badeurlaub verbringen.