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Anfang Oktober 2025 hatte ein heftiger Schneesturm fast 1.000 Menschen – überwiegend Touristen und Trekker – auf der tibetischen Seite des Mount Everest für ein paar Tage eingeschlossen. Die Nordroute des Mount Everest, auch als Nordost- oder Nordgrat-Route ist aufgrund ihrer windexponierten Lage unter Bergsteigern berüchtigt. Wir berichten, was es mit der Nordroute auf sich hat. 

Nordroute zum Mount Everest: Der Weg über den Nordgrat

Zunächst einmal: Es gibt zwei Hauptrouten, um den Gipfel des Mount Everest zu erreichen. Die erste ist der Südanstieg von Nepal, der durch den gefährlichen Khumbu-Eisbruch und weiter zum Südsattel führt. Diese Route wird am häufigsten begangen. Sie war auch der Weg der ersten erfolgreichen Besteigung im Jahr 1953. Die zweite ist die Nordroute von der tibetischen Seite aus. Sie verläuft über den Nordsattel und den Nordostgrat bis zum Gipfel. Auch sie gilt als etablierte Standardroute, die viele Expeditionen nutzen – darunter auch jene Bergsteiger, die derzeit vom Schneesturm betroffen sind.

Die Mount-Everest-Nordroute führt auf den 8.849 Meter hohen Gipfel über das tibetische Hochland und gilt unter erfahrenen Hochgebirgsbergsteigern als anspruchsvolle, aber landschaftlich eindrucksvolle Alternative zur beliebten Südroute in Nepal.

Ausgangspunkt ist das Rongbuk-Basislager auf etwa 5.150 Metern Höhe, das über eine Straße erreichbar ist. Das ist ein logistischer Vorteil gegenüber dem nepalesischen Basislager, das nur zu Fuß über den Khumbu-Gletscher erreicht werden kann.

Basislager auf der Nordroute zum Mount Everest

Foto: Marcus Stevens/Shutterstock.com

Vom Rongbuk-Basislager aus führt die Nordroute des Everest über Moränen und Gletscherzungen zum Advanced Base Camp (ABC) auf rund 6.400 Metern.

Der weitere Aufstieg erfolgt über den North Col (ca. 7.020 Meter), einen schneebedeckten Sattel, der das erste große Hindernis darstellt. Danach folgen mehrere Hochlager:

  • Camp II: ca. 7.500 Meter
  • Camp III: ca. 7.900 Meter
  • Camp IV: ca. 8.300 Meter (letztes Hochlager vor dem Gipfelversuch)

Die exakten Höhenangaben können je nach Expedition leicht variieren, da Teams ihre Zelte an windgeschützten Stellen errichten.

Gipfeletappe und Schlüsselstellen

Die Gipfeletappe der Everest-Nordroute von Camp IV zum Gipfel ist technisch anspruchsvoll und stark wetterabhängig. Mehrere Orte auf dem Weg zum Gipfel prägen diese Passage:

  • Yellow Band (Gelbes Band): Eine steile, felsige Zone auf etwa 8.400 m, gesichert mit Fixseilen. Diese Stelle markiert den Beginn der exponierten Kletterpassagen entlang des Nordgrats.
  • First Step ( ca. 8.500 Meter): Ein Felsaufschwung mittlerer Schwierigkeit, der durch die extreme Höhe sehr kräftezehrend ist.
  • Second Step (ca. 8.600 Meter): Die technisch schwierigste Passage der Nordroute am Everest: ein 30 Meter hoher Steilaufschwung mit der berühmten Chinese Ladder, einer Metallleiter, die seit 1975 den Aufstieg erleichtert.
  • Third Step (ca. 8.700 Meter): Kürzer und weniger komplex, aber weiterhin ausgesetzt. Danach führt die Route über den schmalen Nordostgrat zur Gipfelpyramide.

Der finale Aufstieg über den Nordostgrat ist schmal, eisig und extremer Höhenluft sowie orkanartigen Winden ausgesetzt. Körperliche Ausdauer und gute Akklimatisation sind entscheidend. Der aktuelle Blizzard mit Windgeschwindigkeiten über 100 km/h und Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt macht diesen Abschnitt zu einer lebensgefährlichen Zone für eingeschlossene Bergsteiger.

Symbolbild: Bergsteiger in dichtem Schneesturm

Foto: Pete Morris/Shutterstock.com

Besonderheiten der Everest-Nordroute

  • Fixseile und Logistik: Fixseile werden an allen Schlüsselstellen von Sherpa-Teams und kommerziellen Expeditionen installiert. Planung und Sicherheitsmanagement sind entscheidend.
  • Lawinengefahr: Geringer als auf der Südroute, da kein Durchstieg durch den gefährlichen Khumbu-Eisbruch nötig ist. Dennoch können massive Schneefälle Routen blockieren und Evakuierungen behindern.
  • Windexposition: Durch die offene Topographie des tibetischen Plateaus ist die Nordseite wesentlich stärker Winden ausgesetzt. Böen von über 100 km/h erschweren Hubschraubereinsätze und erhöhen das Risiko von Erfrierungen.
  • Kürzere Gipfeletappe: Das Camp IV der Nordroute liegt höher als auf der Südseite, was den finalen Aufstieg kürzer, aber deutlich anstrengender macht.
  • Genehmigungen: Strenge tibetische Expeditionsbestimmungen machen die Route weniger überlaufen, erschweren jedoch in Krisenfällen die Hilfe.
  • Gesundheitsrisiken: Akute Höhenkrankheit, Lungen- und Hirnödeme sowie Unterkühlung sind große Gefahren. Insbesondere dann, wenn wie aktuell Vorräte und Sauerstoff knapp zu werden drohen.