Mit einer Produktion von etwa 90 Millionen Litern im Jahr ist Jack Daniel’s die weltweit bestverkaufte Whiskeymarke aus den USA. Wer einige besondere Abfüllungen verkosten möchte, die es nicht in jedem Supermarkt gibt, kann an einem Rundgang in der Jack Daniel’s Destillerie eineinhalb Stunden südlich von Nashville teilnehmen. Nach dem Besuch weiß man: Die Brennmeister können nicht nur Masse, sondern auch Klasse. Text: Philipp Eins

Wer Golf spielt, hat keinen Sex mehr, so lautet ein Sprichwort. Wenn beides nicht mehr klappt, ist das aber auch nicht schlimm. Dem Gentleman bleibt immer noch ein Hobby: der Whiskey. Egal, wie alt man ist: Wer Whiskey trinkt, zeigt Stil, Geschmack und Sinn für Luxus. Außer er wählt statt einer Flasche echten schottischen Single-Malts einen Bourbon aus den USA. Der Spott aller Kenner ist ihm in diesem Fall sicher. Bourbon aus Brennereien wie Jim Beam oder Jack Daniel’s gilt als Discounter-Ware unter den Whiskeys. Massenhaft produziert, kurz gelagert, kratzig im Hals und nur gemischt mit Cola zu ertragen, wenn auf einem Trinkgelage nach reichlich Bier und Wein ohnehin alles egal ist.

Als ich an einem Sonntag in Nashville zwischen den kaminroten Klinkerbauten am Broadway entlangschlendere, wo in Musikkneipen die Stimmung so bierselig ist, dass massenhaft »Jacky Cola« über die Theke gehen, bekomme ich einen Flyer in die Hand gedrückt.

Zentrum von Tennessee

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Er wirbt für einen Besuch in der Jack Daniel’s Destillerie in Lynchburg, 72 Meilen von Nashville entfernt. Dort, so lese ich, kann ich mich auf einen exklusiven Rundgang zu den historischen Bürostuben des Gründers und den modernen Destillieranlagen begeben.

Anfängliche Zweifel

Aus den genannten Gründen bin ich mir unsicher ob das Angebot so reizvoll ist, wie der Flyer in Eichenholz-Optik verspricht. Ein Vorschlag der Marketingstrategen überzeugt mich dennoch. Nach der Führung darf ich gegen einen Aufpreis von zehn Dollar Whiskeysorten verkosten, von denen ich noch nie etwas gehört habe. Darunter der Gentleman Jack, der Leichte für den Einstieg. Und eine Single-Barrel-Abfüllung aus einem einzigen Fass, wie man es von gutem Scotch kennt. In die Regale deutscher Supermärkte schaffen es diese Sorten nur selten. Eine echte Chance also.

Ich stecke den Flyer ein und mache mich am nächsten Morgen auf den Weg. Die Strecke nach Lynchburg führt über die sanfte Hügellandschaft von Tennessee, vorbei an cremefarbenen Einfamilienhäusern, Farmen und Fastfood-Restaurants, die ihre Hamburger mit Pommes auf klobigen Reklametafeln anpreisen wie in einem James-Dean-Film der 50er-Jahre. Nach knapp anderthalb Stunden Autofahrt erreiche ich die Jack Daniel’s Destillerie in Lynchburg. Die Größe des Geländes ist vom Parkplatz aus kaum zu erahnen.

Eingang der Jack Daniel's Destillerie in Lynchburg

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90 Millionen Liter Whiskey werden in Lynchburg pro Jahr produziert, in Eichenholzfässer abgefüllt und anschließend zwischen vier und sieben Jahre lang in 67 Lagerhäusern geparkt. Jack Daniel’s ist damit die bestverkaufte US-amerikanische Whiskeymarke weltweit.

Leslie, unser Tour-Guide, führt uns durch die Jack Daniel’s Destillerie in Lynchburg

Im Besucherzentrum der Jack Daniel’s Destillerie in Lynchburg treffe ich Leslie, eine freundliche, resolute Frau mit kurzen blonden Haaren und Sonnenbrille. Für mich und ein Dutzend andere Besucher ist sie der Tourguide in den nächsten anderthalb Stunden. Leslies Kollegin an der Kasse checkt meinen Ausweis. Sie prüft, ob ich älter bin als 21 und an der Verkostung teilnehmen darf. Ein Kompliment, denke ich erst. Ich habe mich wohl gut gehalten. Doch dann bemerke ich, dass hier jeder Teilnehmer gecheckt wird. Selbst wenn er 70 ist.

Mit Bussen werden wir auf einen Hügel oberhalb des Besucherzentrums gebracht, von dort aus startet die Tour. Leslie führt uns zu Steinöfen, in denen während der Gründerjahre Mitte des 19. Jahrhunderts Holz zu Kohle für die Whiskeyproduktion verbrannt wurde. Bis heute wird Jack Daniel’s über Holzkohle gefiltert. Das Verfahren macht den Bourbon milder und verträglicher, erklärt Leslie. In einer morschen Hütte sehen wir hinter einem gusseisernen Ofen den antiken Schreibtisch, an dem der junge Jack die Geschicke seines Unternehmens lenkte. Und betreten schließlich eine warm-feuchte Halle, in denen die Maische aus Mais, Roggen und Gerste in silbernen Zylindern für die nächste Produktion brodelt.

Endlich wird es feuchfröhlich, die Verkostung steht an

Der Höhepunkt der Tour in der Jack Daniel’s Destillerie in Lynchburg kommt zum Schluss: die Verkostung. Leslie führt uns in einen Saal am Besucherzentrum. Mit grünem Plüsch bezogene Stühle stehen vor einer Bühne aufgereiht wie in einem Theater. Das einzige Schauspiel auf dem Podium aber sind drei schlichte Flaschen Whiskey auf einem Holztisch: der Gentleman Jack, eine Single-Barrel-Abfüllung und eine gewöhnlich Flasche mit schwarzem Label, wie man sie aus Clubs und Kneipen kennt.

Mann stößt mit Whiskey-Glas an

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Wir setzen uns, und als Leslie die Shooter aus durchsichtigem Plastik herumreicht, glucksen und kichern einige ältere Teilnehmer der Gruppe wie Schulkinder. Die Vorfreude steigt. Zunächst der Gentlemen Jack. Der Geruch ist leicht süßlich, aber flüchtig. Im Gegensatz zum Black Label wird dieser Whiskey zwei Mal durch Holzkohle gefiltert, was ihn besonders mild macht. Ein kurzer Schluck, ein warmes Kratzen am Gaumen, ein schneller Abgang. Ein Whiskey, der niemandem wehtut, den man aber auch schnell wieder vergisst.

Der alte Jack mundet am besten

Zweiter Versuch: die Standardabfüllung, Black Label. Er eignet sich vor allem zum Mixen. Die Vanille-Aromen passen gut zur Cola, erklärt Leslie. Pur trinke man ihn eher selten, und wenn, dann auf Eis. Ich kippe den Shooter herunter. Der Whiskey brennt etwas, die Vanille sticht hervor. Das war’s auch schon.

Ein letztes Mal werden die Gläser gefüllt, diesmal mit der Single-Barrel-Edition. Mehr als sechs Jahre hat dieser Whiskey in Eichenholzfässern gelagert. Ich rieche, schmecke. Das Aroma ist würzig, bleibt lange am Gaumen hängen, Noten von Holzkohle kommen durch. Ein Whiskey ohne Rauch und Torf, der dem schottischen aber am nächsten kommt. Mein Gewinner steht fest. Der alte Jack und ich – bei einem Glas aus dieser Flasche wären wir Freunde geworden.

Zufrieden schwanke ich mit den anderen Besuchern aus dem Saal. Und merke plötzlich, dass es keine gute Idee war, die Whiskeys auf nüchternen Magen zu kippen. Das Auto bleibt stehen. Ich beschließe, mir die Zeit in Lynchburg zu vertreiben. Bei einem üppigen Lunch – und einem weiteren Whiskey. Doch das ist gar nicht so einfach: Die größte Whiskeydestillerie der USA liegt ironischerweise in einem „dry county“, der Verkauf von Alkohol ist in der gesamten Umgebung verboten. Und das, obwohl Jack Daniel’s und ich gerade miteinander warm geworden sind. Schade aber auch.

Destillerie. Die Jack Daniel’s Destillerie liegt etwa anderthalb Stunden südlich von Nashville entfernt. Informationen zur Anreise und über die Führungen erhalten Sie auf der Webseite von Jack Daniel’s.

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