Ein Glas Champagner in der Hand, dazu eine frische rohe Auster direkt aus dem Meer, klingt nach Urlaub wie er uns gefällt. Ob in einer französischen Brasserie oder an der Atlantikküste Irlands: Rohe Austern gelten als Delikatesse mit maritimem Flair. Doch genau dieser Genuss hat derzeit einen Haken.

Austern gelten als Inbegriff maritimen Genusses. Doch wer sie roh verzehrt, sollte wissen: Hinter der schimmernden Schale lauern just unsichtbare Risiken. Besonders in den Sommermonaten mehren sich die Warnungen von Expertinnen und Experten aus der Lebensmittelsicherheit. Grund dafür ist nicht nur die klimabedingte steigende Wassertemperatur, sondern auch die globale Lieferkette.

Austern der Westcott Bay Shellfish & Co bei Seattle

Foto: Bianca Klement

Bakterien mit Gefahrenpotenzial

Ein Schwerpunkt liegt auf dem Bakterium Vibrio vulnificus. Es gedeiht bevorzugt in wärmeren Küstengewässern und vermehrt sich bei steigenden Temperaturen rasend schnell. Durch den Verzehr kontaminierter Austern kann es zu Magen-Darm-Erkrankungen kommen. In ganz seltenen Fällen entwickelt sich daraus eine lebensgefährliche Blutvergiftung oder Wundinfektion, insbesondere bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem.

Auch Escherichia coli, kurz E. coli, wird regelmäßig in Austern nachgewiesen. Das Spektrum reicht von harmlosen Durchfallerkrankungen bis hin zu ernsten gesundheitlichen Komplikationen. Betroffen sind nicht nur lokal geerntete Meeresfrüchte, sondern auch importierte Ware.

Viren im Gewebe

Neben Bakterien stehen Viren im Fokus. Noroviren und Hepatitis-A-Viren zählen zu den häufigsten Verursachern viraler Magen-Darm-Infektionen. Noroviren sind besonders tückisch: Bereits kleinste Mengen reichen für eine Ansteckung aus. Studien belegen, dass mehr als zwei Drittel der untersuchten Austernproben aus bestimmten Fangregionen positiv auf Noroviren getestet wurden – etwa aus Spanien, Irland und Großbritannien.

Hepatitis A kann durch kontaminiertes Wasser oder unsachgemäße Verarbeitung in die Auster gelangen. Auch wenn die Infektionszahlen insgesamt niedrig sind, zeigt sich ein besorgniserregender Trend bei steigender Nachfrage nach Rohware.

Austern mit Eis auf einem Teller

Foto: Margaret Jaszowska

Warum Austern so anfällig sind

Austern leben als sogenannte Filtrierer. Pro Stunde werden bis zu 25 Liter Wasser durch ihren Körper gepumpt, dabei filtern sie Plankton, aber auch alles, was sonst im Wasser schwebt: Schadstoffe, Keime, Viren. Diese reichern sich im Gewebe der Tiere an, ohne dass äußere Merkmale auf eine Belastung hindeuten.

Im Gegensatz zu gekochten Muscheln bleibt bei rohem Verzehr der gesamte Inhalt der Auster ungefiltert erhalten. Selbst modernste Reinigungsverfahren können nicht garantieren, dass sämtliche Erreger der rohen Auster entfernt werden.

Die unsichtbare Gefahr: Toxine

Ebenfalls problematisch sind sogenannte algale Toxine. Diese entstehen etwa bei Rotalgenblüten.

Doch was ist eine Rotalgenblüte genau? Rotalgen wachsen eigentlich harmlos in vielen Küstengewässern, doch bei Wärme, Nährstoffüberschuss und veränderten Bedingungen können sie sich massiv ausbreiten. Das passiert zum Beispiel an Spaniens Nordküste oder an der US-Ostküste. Statt grünem Seetang dominieren dann schleimige, rötliche Algenmatten, die das Ökosystem ordentlich durcheinanderbringen.

rohe Austern in Dubrovnik

Foto: Marie Tysiak

Das Problem: Manche Rotalgenarten bilden Gifte – besonders bei sogenannten Algenblüten. Diese können sich in Austern und anderen Meeresfrüchten anreichern. Wer dann roh zugreift, riskiert Magen-Darm-Beschwerden oder schlimmeres. Kurzum: Je wärmer das Wasser, desto mehr Stress im Meer – und potenziell auch auf dem Teller.

Was Wissenschaft und Behörden sagen

Weltweit arbeiten Forscherteams an verbesserten Methoden zur Dekontamination. Parallel dazu warnen Gesundheitsämter und Verbraucherschutzorganisationen in unregelmäßigen Abständen vor dem Konsum roher Austern – vor allem bei bestimmten Chargen oder aus saisonal problematischen Regionen.

Ein flächendeckendes Risiko besteht nicht, wohl aber eine reale Wahrscheinlichkeit für Erkrankungen, besonders in den Sommermonaten. Auch wenn sich der Großteil der Liebhaberinnen und Liebhaber roher Austern keiner Gefahr bewusst ist: Der exklusive Genuss hat seine Kehrseite – und die ist oftmals erst Stunden nach dem Verzehr spürbar. Also lieber auf den Winter warten oder die Auster einfach mal überbacken!

frische Austern

Foto: Sargent Seal

Hier liest du unsere Reportage zu Austern in Seattle.