Eis ist mehr als nur ein Nachtisch. Es ist Kindheit in der Waffel, Sommer in Kugelform, Nostalgie mit Sahnehaube. Und gleichzeitig ein kulinarischer Kompass: Jedes Land interpretiert das Gefrorene anders, traditionell oder verrückt, subtil oder exzentrisch. Schlemm dich durchs beste Eis der Welt.
USA: Frozen Custard – dichter, cremiger, amerikanischer geht’s nicht
Wer in den USA ein typisches Eis genießen möchte, landet meist nicht bei klassischem Speiseeis, sondern oft bei einer cremigen Variante: Frozen Custard. Die amerikanische Interpretation ist reichhaltig, fast wie ein Hybrid aus Pudding und Eis, hergestellt mit Milch, Sahne, Zucker und vor allem: Eigelb. Diese Zutat sorgt für die dichte, fast puddingartige Textur, die durch eine spezielle Maschine entsteht – eine, die im Gegensatz zu herkömmlichen Eismaschinen keine Luft in die Masse schlägt.

Foto: Meagan Sanders
Während normales Eis luftig und leicht wirkt, präsentiert sich Frozen Custard als samtige, schwere Versuchung. In klassischen Diners oder an Straßenständen kann man wählen: Vanille, Schokolade oder die beliebte Swirl-Variante. Und wer mag, rollt sein Custard durch bunte Streusel oder taucht es in heiße Schokosauce, die sich augenblicklich in eine knackige Hülle verwandelt. Kultläden wie »Dairy Queen« oder »Culver’s« haben das Dessert zur Institution gemacht – ein süßer Beweis dafür, dass Einfachheit und Nostalgie unschlagbar sein können.

Foto: RozenskiP/Shutterstock.com
- Topadresse: Frozen Custard bei »Ted Drewes« in St. Louis – eine echte Institution und für viele die erste Wahl, wenn es um eiskalte Sünden geht.
Mexiko: Raspado – Fruchteis mit Straßencharme
In Mexiko geht’s fruchtig zu. Und kreativ. Hier spielt Raspado die eiskalte Hauptrolle. Eine Art Schneekegel, aber weit entfernt vom künstlich-bunten Sirup-Einerlei der USA. Stattdessen: frisch gepresste Fruchtsäfte, Tamarinde, Limette, Mango, Orange und manchmal sogar cremige Zutaten wie Rompope, die mexikanische Version von Eierlikör.

Foto: IvanMC_Stockjpg/Shutterstock.com
Raspados sind Streetfood pur. Verkauft werden sie an bunten Karren, die durch Städte und Märkte ziehen. In manchen Regionen wie La Paz wird sogar eine Kugel Eis obendrauf gesetzt – etwa auf Joghurt-Orangen-Raspado. Eine Mischung aus Sorbet, Slush und Smoothie – serviert in Bechern, niemals in der Waffel.

Foto: ehudson/Shutterstock.com
- Topadresse: Da Street-Food, gibt es keine bestimmte Adresse. Einfach die Augen offenhalten! Ein kleiner Tipp: Vorher kurz sicherstellen, dass es sich um gereinigtes Wasser oder in Plastik gepacktes industriell hergestelltes Crushed Eis handelt (und nicht Leitungswasser). ¡Buen provecho!
Italien: Gelato – Das cremige Herz des Landes
Wenn Italien ein Lebensmittel wäre, es wäre Gelato. Das samtige Eis ist mehr als Dessert – es ist kulturelles Ritual. Italiener treffen sich in der Gelateria, debattieren über die beste Sorte und vergleichen leidenschaftlich ihre Lieblingsläden.

Foto: tomeqs/Shutterstock.com
Was Gelato so besonders macht? Es enthält weniger Fett als amerikanisches Eis, weniger Luft, aber mehr Geschmack. Hergestellt wird es mit Vollmilch, Zucker, Eiern und natürlichen Aromen: Haselnuss aus dem Piemont, Pistazie aus Sizilien oder Stracciatella mit zarten Schokosplittern. Statt Kugeln mit Löffel gibt’s in Italien das Eis übrigens mit dem Spachtel – kunstvoll in die Waffel gedrückt.
In Mailand schwört man auf »Massimo del Gelato« mit Sorten wie Schokolade-Kirsch oder Schokolade-Zimt. In Rom oder Neapel wiederum gelten andere Läden als Maß aller Dinge. Es gibt sie überall – aber jede Region hat ihren eigenen Stolz.

Foto: smpoly/Shutterstock.com
- Topadresse: Als beste Gelateria der Welt gilt für viele die »Gelateria Dondoli« in San Gimignano, weil sie vielfach ausgezeichnet und berühmt für ihr cremiges Gelato. Ebenfalls beliebt: »Vivoli« und »Gelateria dei Neri« in Florenz.
Frankreich: Crème Glacée – die elegante Schwester des Gelato
Frankreich wäre nicht Frankreich, wenn nicht selbst das Eis einen Hauch aristokratischer Raffinesse hätte. Crème glacée, wie es hier heißt, sieht dem Gelato ähnlich, doch geschmacklich ist sie noch reichhaltiger. Der Grund: mehr Sahne, mehr Eigelb, oft mit geschmacksintensivem Karamell oder Nüssen veredelt.

Foto: Ivan Pergasi
Die Franzosen schätzen Qualität – und so sind viele Eisdielen kleine Manufakturen, die auf beste Zutaten setzen.

Foto: EricBery/Shutterstock.com
- Topadressen: Klassiker wie »Berthillon« in Paris sind legendär: Gianduja, also Haselnuss-Schoko, ist dort Pflicht. In Nizza überrascht »Fenocchio« mit Sorten wie Olive, Kaugummi oder weißer Schokolade mit rosa Pfeffer. Eine kleine Revolution in der Waffel.
Türkei: Dondurma – das Eis, das nicht schmilzt
In der Türkei begegnet einem Eis mit Showeffekt. Dondurma, so heißt es, besitzt eine fast gummiartige, elastische Konsistenz. Es wird nicht geschleckt, sondern gezogen, gestreckt, gewirbelt. Der Grund dafür liegt in der besonderen Rezeptur: Ziegenmilch, Zucker und Salep, ein Pulver aus Orchideenwurzeln, das dem Eis seine Dehnbarkeit verleiht. Oft kommt noch Mastic hinzu, ein harzartiger Stoff mit leicht pinienartigem Aroma.

Foto: RauL C7/Shutterstock.com
Wer Dondurma kauft, wird Teil einer Inszenierung: Verkäufer in traditioneller Kleidung spielen mit dem Eis, drehen es auf langen Metallstäben durch die Luft, ziehen es zurück, reichen es wieder – und erst nach einigem Hin und Her landet die Portion wirklich im Becher. Hier zeigen wir die weitere Streetfood-Gerichte in Istanbul, die du probieren solltest.

Foto: grandbrothers/Shutterstock.com
- Topadresse: Besonders beliebt ist der Laden »Ali Usta« in Istanbul, wo Sorten wie Haselnuss, Melone oder Walnuss verkauft werden.
Japan: Kakigori – Eis wie Seide
Was bei uns an ein rustikales Wassereis erinnert, wird in Japan zur hohen Kunst: Kakigori, das Eis ist fluffig wie Watte und schmilzt im Mund wie Schnee in der Morgensonne. Zusätzlich gekrönt mit hausgemachten Sirups: Matcha, Erdbeere, Melone oder Traube. Und manchmal: gesüßte Kondensmilch, rote Bohnenpaste oder frisches Obst.

Foto: Theerawan/Shutterstock.com
Serviert wird Kakigori in Schalen, meist kunstvoll angerichtet. In Teehäusern oder Dessertsalons hat es den Status einer saisonalen Delikatesse – besonders im Sommer, wenn ganz Japan auf die neueste Kombination wartet.

Foto: peopleImages.com – Yuri A/Shutterstock.com
- Topadressen: Besonders beliebt sind »Azuki to Kōri« und »Himitsudo« in Tokio – kreativ, traditionell und köstlich. Ebenfalls heiß gehandelt: »Saka No Ue« mit cremigen Toppings und »Ranran« in Osaka mit Süßkartoffel-Variante.
Indien: Kulfi – süß, dicht und traditionsreich
Kulfi ist Indiens Antwort auf Eis – nur dichter, süßer und aromatischer. Seit dem 16. Jahrhundert wird die Spezialität aus eingekochter Milch hergestellt, oft mit Safran, Kardamom, Pistazien oder Mandeln verfeinert. Die Masse wird in konische Formen gegossen und tiefgefroren. Keine Luft, keine Maschine – nur Geduld.

Foto: food shop/Shutterstock.com
An den Stränden von Mumbai oder in den Hinterhöfen Delhis gibt es unzählige Kulfi-Verkäufer. Mittlerweile ist die Sortenvielfalt riesig: Mango, Banane, Schokolade oder sogar Masala Chai. Kulfi schmeckt wie Kindheitserinnerung in konzentrierter Form – süß, leicht karamellisiert, fast honigartig.

Foto: PradeepGaurs/Shutterstock.com
- Topadresse: Nach dem Shopping in Karol Bagh ein Muss: »Roshan Di Kulfi«. Seit Jahrzehnten eine Legende unter Kulfi-Fans – cremig, süß und herrlich nostalgisch.
Taiwan: die erste Michelin-Eisdiele der Welt
Zwischen all diesen Klassikern ragt ein Ort heraus, der die Eiswelt revolutioniert hat: »Minimal« in Taichung, Taiwan. Die winzige Eisdiele wurde 2024 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet – als erste weltweit. Und das völlig zurecht. Denn was hier in die Schälchen kommt, hat mit Kugeln in Waffeln nichts zu tun.

Foto: provided by MINIMAL
»Minimal« ist ein kulinarisches Gesamtkunstwerk. Denn Gäste erwatet hier ein mehrgängiges Eis-Menü, bei dem Texturen, Temperaturen und Aromen aufeinander abgestimmt sind wie in einem Sternerestaurant. Grüner Tee mit Angelikawurzel, Miso-Mandeln, Zitronensorbet mit Sichuan-Pfeffer – alles reduziert, alles radikal anders.
Die Zutatenliste ist meist kurz, die Technik aufwendig. Obwohl der Laden winzig ist, ist die Warteliste lang. Ein Erlebnis, das beweist: Eis kann Hochküche sein – und Kunst.

Foto: provided by MINIMAL
- Topadresse: »Minimal« in Taichung, Taiwan. Hier geht es zur Webseite des Michelin-Guide mit der Eisdiele »minimal«.