Als Kind fährt man in der Regel mit der Familie in den Urlaub, später sind dann Jugendreisen und Ferienlager angesagt. Ab einem gewissen Punkt lösen Freunde die Familie ab. Und irgendwann ist man meist in einer Beziehung und man schmiedet gemeinsam Urlaubspläne. Unabhängig davon, ob man je in der Lebenssituation war, alleine reisen zu »müssen«, spricht einiges dafür, sich auch mal alleine auf den Weg zu machen. Wir stellen euch sechs gute Gründe fürs Alleine-Reisen vor. Text: Madeline Böse

Unabhängig und Frei

Hotel oder Ferienwohnung mit Selbstversorgung? Dieses oder jenes Hostel? Zum Inder oder doch lieber zum Italiener? Fragen über Fragen und meist auch: Kompromisse über Kompromisse. Ist man mit Familie, Freunden oder Partner/in unterwegs, muss sich rund um die Uhr abgesprochen werden. Reist man hingegen alleine, kann man zu jeder Tageszeit entscheiden, wonach einem just in diesem einen Moment ist. Ein Eis um neun Uhr morgens zum Frühstück? Kein Problem! Noch drei Tage länger in der Hängematte vom Hostel bleiben? Warum nicht! Entscheidungen können ganz für sich getroffen werden und man ist niemandem eine Rechenschaft schuldig. Niemandem, außer sich selbst und seinem Portemonnaie.

Frau steht am Strand und streckt die Arme in die Luft

Brooke Cagle

Meine Rolle: 100 % ich selbst

In sozialen Kontexten nehmen wir (häufig unbewusst) verschiedene Rollen ein. Bei den Verwandten am Geburtstagstisch verhalten wir uns ganz anders als zum Beispiel unter Kollegen/innen. Selbst bei den engsten Freunden und innerhalb einer Partnerschaft verhält man sich »musterhaft« – also der Rolle, und dem Schema entsprechend, die wir innerhalb der jeweiligen Beziehung eingenommen haben. Was ist aber, wenn man sich noch einmal ganz neu erfinden möchte? Oder in gewissen Situationen einfach mal aus der Rolle ausbrechen möchte? Beim Alleine-Reisen ist das problemlos möglich. Hier kann man jeden Tag in eine neue Rolle schlüpfen, ganz ohne ein »Du bist doch sonst nicht so« oder ein »seit wann magst du denn…?« einzuheimsen. Und vielleicht entdeckt man so bisher verborgene Talente, Interessen und Co. und findet die wahre Rolle, sich selbst!

Alleine reisen: Mann spaziert durch die Straßen von Chinatown in Singapur

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Komfortzone, ade!

Hand aufs Herz: Jeder hat doch diese eine bestimmte Person, die unangenehme Sachen für einen übernimmt. Auch beim Reisen lehnen wir uns häufig an die vermeintlich stärkeren Eigenschaften der anderen Person an. Die Frage nach dem Weg oder das Einchecken in die Unterkunft erscheinen als ein Ding der Unmöglichkeit, das Leuchtsignal »Sprachbarriere« oder »zu schüchtern« könnte nicht greller vor dem inneren Auge aufflammen. Ist man alleine unterwegs, heißt es an dieser Stelle: Augen zu und durch – denn Freund oder Freundin können ja schlecht vorgeschoben werden. Und das ist auch gut so. Denn niemand stört es, wenn auf Denglisch zurückgegriffen wird oder der Kopf tomatenrot anläuft. Am Ende zählt doch nur, dass man sein Ziel erreicht hat und mächtig stolz auf sich sein kann!

Schwarze Touristin liest Straßenkarte in London, da sie alleine reist

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Herz über Kopf

Im Alltagsleben ist es meist schwierig, innezuhalten und in einen Dialog mit sich selbst zu gehen. Doch auch im Urlaub kommen das Herz und der Bauch häufig nur schwer zu Wort, ist man doch stets im Austausch mit der Reisebegleitung. Sich alleine aufzumachen, kann daher eine unglaubliche Chance sein, seiner eigenen Stimme wieder mehr Gehör zu verschaffen und sich selbst zu reflektieren. Dabei ist es ganz egal, ob man für einen Wochenendtrip, den Jahresurlaub oder sogar das Sabbatical aufbricht. Wichtig ist, dass man in der Zeit, in der man unterwegs ist, ganz achtsam auf die eigenen Körpersignale und Gefühle hört. Dann kann das Alleine-Reisen zu einer unglaublichen Selbsterfahrung werden, bei der die Stimme im Kopf nicht auf eine beginnende Schizophrenie, sondern auf eine intensive Auseinandersetzung mit sich selbst hindeutet!

Mann steht auf Bergplateau und streckt Arm nach Vögeln aus

Zo Razafindramamba

Am Puls der Zeit … und des Landes

Ohne permanente Verbindung nach Hause, das heißt ohne Reisebegleitung von daheim, wird die Ferne viel präsenter. Alles wird bewusster wahrgenommen und erscheint greifbarer: Sei es die Kultur, die Sprache oder einfach nur die Umgebung – beim Alleine-Reisen geht man nicht nur in einen intensiveren Austausch mit sich selbst, sondern auch mit dem jeweiligen Land. Man ist vielen Situationen offener gegenüber, man lebt für den Moment und in dem Moment. Also Leinen los und auf, die Kraft der Gegenwart wird dann umso stärker!

Alleine reisen und mit Locals in Kontakt kommen. So wie dieser Mann, der ein Selfie mit einer Inderin macht

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Gemeinsam alleine

Das Beste am Alleine-Reisen? Nicht alleine sein (zu müssen)! Man hat immer die Wahl und die Möglichkeit, sich anderen Reisenden für ein paar Tage anzuschließen, sich beim Abendessen mit dem Tischnachbar zu unterhalten oder sonst wie in Kontakt mit seinen Mitmenschen zu treten. In der Reise-Bubble sind wir meist auch Leuten offener gegenüber, mit denen wir sonst nicht verkehren würden – vor allem dann, wenn wir alleine sind! Dann wird der entspannte Hippie auf einmal der beste Buddy vom gestressten Berater und es wird sich über bisher erlebte Abenteuer ausgetauscht. Wenn einem aber nicht nach Interaktion und Austausch ist, dann lässt man es eben bleiben, so einfach ist das.

Allein Reisende sitzen in Hostel und lernen sich kennen

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