Um Namibia in seiner ganzen Pracht zu entdecken, braucht man Zeit, Geduld und muss früh auf den Beinen sein. Denn der wohlbehütete Schatz des Landes ist seine Natur, die so vielfältig ist wie kaum in einem anderen afrikanischen Land. Kein Wunder also, dass der Naturschutz sogar Teil der Verfassung ist. Text: Ulrike Klaas
Ballonfahren über der Wüste
Lautlos gleitet der Heißluftballon über ein Meer an orangefarbenen Dünen, die in der gerade erwachten Sonne eine intensive Leuchtkraft zur Schau tragen. Je weiter sich die Sonne gen Himmel hinaufreckt, desto intensiver wird das Orange. Ab und an unterbricht Mani, der den Heißluftballon steuert, die Stille: Mit einem lauten Fauchen bäumt sich die Flamme auf, die den Ballon in der Höhe hält. Ansonsten gibt es nur uns 16 Insassen und die rotbraune Unendlichkeit des Namib-Naukluft-Park mit dem Dünenmeer von Soussusvlei.
Selbst aus der Vogelperspektive kommt man sich angesichts dieses Wunders der Natur ziemlich mickrig vor. In der Ferne ist die Düne 45 auszumachen, auf die wir am Vorabend gekraxelt waren. Auch wenn wir angesichts der 170 Höhenmeter vor dem Gipfel kapitulieren mussten, hatten wir ein nicht minder faszinierendes Panorama genossen, während die Sonne sich ebenso fulminant schlafen gelegt hat.
Namibia ist ein zauberhaftes Land aus Wüsten, Savannen, Bergen und Küsten. Eine wilde Schönheit, die mit einer landschaftlichen Vielseitigkeit besticht, die kaum in einem anderen afrikanischen Land in dem Ausmaß zu finden ist. Dabei liegt der Zauber des Landes in seiner unendlichen Einsamkeit. Namibia ist zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland, aber hat nur 2,3 Millionen Einwohner. Das macht 2,8 Einwohner pro Quadratkilometer, und die Touristen, die mit dem Mietwagen von Attraktion zu Attraktion über die Rumpelpisten holpern, denen kommt im Zweifel über Stunden weder ein anderes Auto entgegen, noch eine menschliche Siedlung in Sicht.
Dafür ziehen grandiose Landschaften gespickt mit Springböcken, Giraffen, Oryxen und Gnus links und rechts an der Fensterscheibe vorbei. Der Hauptstadt Windhoek hatten wir nach unserer Ankunft schnell den Rücken gekehrt, und kaum hatten wir die letzten vereinzelten Häuser hinter uns gelassen, verwandelte sich die Landschaft in jene schweigende Schönheit, die uns im ganzen Land begegnen wird.
Schon in Soussusvlei denke ich: Dieses Panorama ist nicht zu toppen. Die Weite. Die Kargheit. Das Licht. Ein Naturerlebnis erster Güte, dem man ungern den Rücken kehrt.
Und ein exklusives Erlebnis dazu, denn allein die Gäste der Sossus Dune Lodge, die einzige Lodge innerhalb des Namib-Naukluft-Parks, dürfen sich nach dem Schließen des Parks weiter dort aufhalten. Ein exklusiver Sonnenuntergang vor dieser Kulisse also. Na gut, Springbock und Oryx waren noch zugegen.
Ach, Du lieber Sternenhimmel
Als ich am nächsten Abend 120 Kilometer weiter mein Bett nach draußen unter den Sternenhimmel rolle, habe ich auch diesen Anblick fast für mich alleine. Die Galaxien sind so nah, dass man fast meint, sie herunterholen zu können. Die Sterne funkeln wie Abertausende Diamanten. Wieder beschleicht mich das Gefühl: Dieses Naturerlebnis ist nicht zu überflügeln.
Gerade einmal neun komfortable Holzhäuser bilden das »Dune Star Camp«, das hoch oben einsam in den Hügeln gebaut wurde – mit Blick auf die trockenste Wüste der Welt, der Namib, und Betten mit Rollen, damit die Gäste sie auf die Terrasse schieben können. Das »Dune Star Camp« gehört zur »Namib Desert Lodge«, und diese gehört wiederum zur »Gondwana Collection«. Betreiber der aktuell 14 Lodges und vier Nationalparks ist Mannfred Goldbeck. Der Hotelier ist in Namibia aufgewachsen, wie er mit norddeutschem Akzent erzählt. Seine Urgroßeltern stammten aus Mecklenburg. »Manni« Goldbeck hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten um einen nachhaltigen Tourismus in Namibia bemüht. »Das Dune Star Camp ist ohne Beton, nur aus Holz und auf Stelzen gebaut«, erklärt Goldbeck sein kürzlich eröffnetes Projekt. Wenn man es abreißen würde, bliebe nichts über.
Auch in der im Tal liegenden »Namib Desert Lodge« wurde auf Nachhaltigkeit Wert gelegt. Das Resort hat eine eigene Kläranlage, das Gemüse für die Gäste wird in umliegenden Gewächshäusern angebaut, und auf den Dächern wurden 17.000 Platten mit Solarzellen verschraubt.
»Der Naturschutz ist Teil der Verfassung des Landes, doch an der Umsetzung hapert es noch«, sagt Manni Goldbeck. Namibia war das erste Land weltweit, das mit seiner Unabhängigkeit 1990 den Naturschutz als Verfassungsziel festgeschrieben hat.
Manni Goldbeck versucht, dies in die Tat umzusetzen und hat sich in den letzten Jahren beispielsweise erfolgreich darum bemüht, die umliegenden Farmer zu überreden, ihre Zäune abzubauen, sodass die Tiere wieder ungehindert durchs Land ziehen können. »Ich denke, in zehn Jahren wird die Namib offen sein«, hofft er.
Lernen aus der Geschichte
Denn obwohl Namibia weit und grenzenlos scheint, ist es dennoch eingepfercht. Vor 100 Jahren versuchten die Siedler, die unwirtliche Wüste in Ertrag bringendes Farmland zu verwandeln, und zogen Zäune, um ihre Rinder und Schafe vor den wilden Tieren zu beschützen. Überweidung, unkontrollierter Abschuss von Wild, sorgloser Umgang mit Wasser – all dies beschleunigte die Ausbreitung der Wüste und rottete manche Tiere fast aus. Mittlerweile ist die Farmwirtschaft weitestgehend unrentabel. Zumindest im Süden Namibias.
»Heute farmen wir sozusagen mit Touristen«, sagt Manni und lacht dabei auf seine sympathisch zurückhaltende Art. Allein rund 86.000 Touristen aus Deutschland bereisen jährlich Namibia. Einnahmequelle Nummer eins ist neben dem Bergbau der Tourismus. Goldbeck ist ebenso bemüht, dass seine Lodges von Namibiern aller Bevölkerungsgruppen geführt werden, denn die Schatten der Apartheid sind auch 25 Jahre nach der Unabhängigkeit noch sichtbar, die Trennung von Schwarz und Weiß noch nicht aufgehoben, und die meisten Lodges werden von Weißen geführt. Noch in diesem Jahr eröffnet die Gondwana Collection eine Academy, um Mitarbeiter zu schulen und für Chancengleichheit zu sorgen. Finanziert werden solche Projekte von den Einnahmen der Lodges.
Ort, wo nichts ist
Die »Dune Star Lodge« liegt mitten im »Nichts« – mitten in der Namib, die übersetzt so viel bedeutet wie »Leerer Platz« oder »Ort, wo nichts ist«. Die Erkenntnis, dass Nichts unermesslich viel sein kann, dauert nicht lange. Das Naukluft-Gebirge erhebt sich schemenhaft in der Ferne, die versteinerten Dünen scheinen im ersten zaghaften Morgenlicht wie weichgezeichnet. Wir sind noch vor der Sonne aufgestanden. Namibia ist kein Land für Langschläfer und Ungeduldige.
Die Giraffen, Springböcke, Schakale, Oryxe und Zebras sind früh am Morgen auf den Beinen. Und auch dann drehen sie einem meistens das Hinterteil zu.
Nur selten bannt man sie von Angesicht zu Angesicht auf ein Bild. Naturführer Janco nimmt uns mit auf einen morgendlichen Spaziergang, der sich eher den kleinen Wilden der Wüste widmet.
Die kleinen Wilden der Wüste
Wie dem kleinen Käfer Tok-Tockie, der eine gewisse Ähnlichkeit mit dem hiesigen Mistkäfer aufweist und dabei ein ganz schlaues Köpfchen ist, denn er kommt täglich mit nur einem Tropfen Wasser aus. Diesen entlockt er der Natur mit akrobatischem Geschick: Er stemmt sich in den Kopfstand und wartet auf den Morgennebel, der an ihm zu einem Tropfen kondensiert, und lässt ihn hinabrinnen in seinen Mund.
Dann wären da noch die Dünenameisen, die allabendlich im Dünengras Schutz suchen, das den Dünen Halt gibt und sie im Unterschied zu jenen in Soussusvlei nicht wandern lässt. Hier in der Wüste kann es ganz schön winden.
Oder die Dancing White Lady, eine Spinne, die sich nur nachts aus dem Sand wagt, da sie in der Sonne sofort pink anlaufen und sterben würde. Sie legt solch ein Geschick an den Tag, dass sie seidene Bauten in bis zu 50 Zentimetern Tiefe baut. Janco muss uns auf die zarten Ringe im Sand aufmerksam machen, damit wir nicht drauftreten. Beim Bau einer solchen Behausung bewege die Spinne bis zu zehn Liter Sand, das 80.000-Fache ihr eigenes Körpergewichts, erklärt Janco. Wenn Geckos oder Wegwespen sie bedrohen, rollt sie sich wie ein Rad mit ausgebreiteten Beinen den Hang hinab und kann bis zu 44 Umdrehungen pro Sekunde erreichen. Ein erneutes Wunder der Natur!
Eine Arche Noah für Wildkatzen
»Das ökologische Gleichgewicht ist so empfindlich«, sagt Janco. Deswegen sei es immens wichtig gewesen, das Dune Star Camp so nachhaltig wie nur möglich in die Natur einzupflegen. Ein anderes Projekt, das sich dem Schutz der wilden Schönheit Namibias verschrieben hat, ist das »People and Wildlife Solutions« mit der Okonjima Lodge. Der private Park auf halber Strecke zwischen Windhoek und dem Etosha-Nationalpark, ist wie eine Arche Noah für Leoparden und Geparden. Auch reichlich »Futter« in Form von Giraffen, Zebras, Kudus, Gnus, Springböcken und Oryxen lebt im Reservat. 22.000 Hektar misst das Areal der ehemaligen Farm, die nun in der dritten Generation keine Rinderfarm mehr ist, sondern sozusagen eine Farm für Touristen, die vom Zeltplatz mitten im Busch bis zu luxuriösen Bungalows alle Arten der Unterbringung buchen können.
»Der Tourismus finanziert unsere Tierschutzprojekte«, erklärt Ranger Previous. Der Ranger wird uns Gäste im Jeep auf unsere erste nachmittägliche Pirschfahrt begleiten – mit Sundowner und Blick über die weite, grün-braun gesprenkelte Savanne zum mächtigen Waterberg, der sich am Horizont erhebt. So friedlich, so unberührt liegt die Weite vor uns. Doch der Schein trügt, denn hier tummeln sich allein 35 Leoparden, von denen 15 aus Forschungsgründen einen Peilsender tragen. Der erste lässt nicht lange auf sich warten. Previous hat ein Signal empfangen. Versteckt liegt er am Wegesrand. Nur die stahlgrünen Augen sind im Gebüsch auszumachen. Schließlich gähnt Leopard Mafana, zeigt uns seine Reißzähne und stolziert erhobenen Hauptes im Zeitlupentempo am Jeep vorbei, um sich im gebührendem Abstand auf die Schotterpiste vor uns zu legen.
»Mafana war damals ein Jahr, als er mit einer Schussverletzung nach Okonjima kam. Das ist neun Jahre her«, erklärt Ranger Previous. Im Reservat finden verwaiste oder verletzte Raubkatzen Zuflucht. Sie werden gesund gepflegt und, sobald eine neue Heimat für sie gefunden ist, wieder ausgesetzt. Die Bilanz der AfriCat Foundation, wie die Stiftung von Okonjima zum Schutz der Raubkatzen sich nennt: 690 Geparden, 378 Leoparden und zwölf Löwen wurden seit 1993 gerettet und 86 Prozent von ihnen wieder in die Wildnis entlassen.
Am nächsten Morgen steht um sechs Uhr früh ein besonderer Moment bevor: Die drei Jungen von Geparden-Dame Dizzy werden in die Freiheit entlassen. Die acht Monate alten Geparde tapsen hinter ihrer Mutter durch das Tor des Schutzgeheges. Dizzy scannt aufmerksam die Umgebung, mit gesenktem Kopf bahnt sie sich und ihrem Nachwuchs den Weg in die Weite. Auch die unzertrennliche Dreier-Combo »Coco, Spud und Bones«, alle neun Jahre alt, als Waisen nach Okonjima gekommen und seit fünf Jahren erfolgreich ausgewildert, dürfen nach einer Nacht hinter Gittern wieder in die Freiheit – frisch geimpft und neu markiert, lassen sie sich die Eselkeule, die sie wieder ins Freie lockt, nach einer kleinen Rauferei schmecken.
Kinder müssen lernen mit der wilden Natur umzugehen
»Es ist immer die Frage: Wie weit dürfen wir in die Natur eingreifen?«, sagt AfriCat-Manager Tristan Boehme. Der Grat sei so schmal, sagt er weiter, aber sie würden immer mehr dazulernen. Wie mit Geparden-Dame Dizzy. Ihren ersten Wurf Junge verließ sie viel zu früh, weil sie erneut schwanger war. Keiner der Jungen hatte in der Wildnis eine Überlebenschance. Dieses Mal haben sie eingegriffen und Dizzy sowie die Kleinen so lange im weitläufigen Schutzkäfig gehalten, bis die Kleinen eine realistische Chance in der Wildnis haben. Dizzy selbst kam mit acht Monaten als Waise nach Okonjima und konnte nie von ihrer Mutter lernen, wie man Junge »richtig« aufzieht. Ein weiterer großer Bestandteil in Sachen Großkatzenschutz von Okonjima ist das Schulungsprojekt.
»Wir versuchen, die nachfolgenden Generationen für den respektvollen Umgang mit den Wildtieren zu sensibilisieren«, sagt Tristan Boehme. Rund 600 Schulkinder aus dem ganzen Land haben allein im vergangenen Jahr eine Woche in Okonjima verbracht. »Die alten Farmer sind nicht mehr zum Umdenken zu bewegen«, sagt Boehme. Im Unterschied zu den Löwen des Landes, die zumeist ein weitestgehend sicheres Leben in den Nationalparks führen, wildern die Geparden und Leoparden auf den rund 7000 kommerziellen Farmen des Landes. »Sie sind Territorialtiere«, sagt Boehme.
Wenn ein Leopard oder Gepard die Schafe, Ziegen und Rinder der Farm schlägt, wird er abgeschossen, weil alles, was auf dem Grund einer Farm lebt, dem Farmer gehört. Wichtig ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Wildtieren auf dem Farmland. Ein Leopard muss die Möglichkeit haben, einen Springbock anstatt einer Ziege zu schlagen, so Boehme. Ein weiteres Problem, das AfriCat durch Aufklärung in den Griff zu bekommen versucht: Die Savanne ist in den letzten 100 Jahren durch Überweidung und Brandrodung stark verbuscht. Leoparden und Geparden brauchen aber weite Flächen zum Jagen. »Es ist wichtig, die Vegetation wieder zu verändern hin zum Grasland«, so der Manager. Egal ob AfriCat oder Manni und die Gondwana Collection – sie alle setzen sich für den respektvollen Umgang mit der Natur und den Wildtieren ein, die in ihr zu Hause sind. Damit dieses einzigartige Land seinen unermesslichen, wilden Charme bewahrt – auch für uns Touristen.
Anreise. Mit Condor zweimal wöchentlich nonstop von Frankfurt a. M. nach Windhoek, www.condor.de
Rundreise. Der Reiseveranstalter Thomas Cook bietet verschiedene Rundreisen in Namibia an, www.thomascook.de. Auch die Unterkünfte. Namib Dune Star Camp und Okonjima sind über Thomas Cook buchbar.
Info. Namibia Tourism Board, E-Mail: info@namibia-tourism.com Tel.: 069 133 73 60, www.namibia-tourism.com
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