Laufen, schweigen, lauschen, schauen – oder doch einfach nur stehenbleiben und staunen über ein Meer von Orchideen, den Gesang der Murmeltiere und König Steinbock. Auf 125 Kilometern führt der Lechweg – von der Quelle bis zum Fall – durch fünf touristische Regionen in Deutschland und Österreich und bietet den aufmerksamen Blicken der Wanderer allerlei beeindruckende Naturphänomene.

Aufi geht’s!

Und bald schon erwartet den wandernden Naturliebhaber der schönste Platz des Landes, zumindest setzte der ORF dem Formarinsee oberhalb von Lech am Arlberg 2015 diese Krone auf. Das verwundert wenig, denn gleich zu Beginn des Wanderweges leuchtet der beinah kreisrunde Formarinsee auf 1.793 Metern je nach Sonneneinfall von smaragdgrün über türkis bis hin zu azurblau. Das natürliche Gebirgsgewässer vor der mächtigen Roten Wand bildet sich jedes Jahr neu aus der Schneeschmelze der umliegenden Vorarlberger Alpen. Es ist ein wahrlich himmlischer Anblick. Ganz in der Nähe entspringen Formarin- und Spullerbach, die sich nur wenige Kilometer später zum Wildfluss Lech vereinen.

der Lechweg mit Ausblick

Verein Lechweg/Fabian Heinz

Steinböcke im Alpenraum

Die erste Lechweg-Etappe führt in Richtung Norden über die Alpe Formarin, wo ein bronzenes Steinbock-Denkmal an die Wiedereinsetzungserfolge des 19. Jahrhunderts erinnert. Damals gab es nur noch knapp 40 Tiere im gesamten Alpenraum. Glücklicherweise wurde 1821 ein königliches Dekret zum Schutz der Ziegenart erlassen, und das Bergwild gelangte so wieder zurück an den Arlberg. Mittlerweile können wieder rund 600 Exemplare von den Lechweg-Wanderern bewundert werden.

Täglich grüßt das Murmeltier

Auf der zweiten und dritten Lechweg-Etappe, sofern die Strecke in Lech am Arlberg begonnen wird, passiert man das Walserdorf Warth. In der klaren Warther Luft fühlen sich jede Menge tierische Bergbewohner wohl. Am besten einfach mal innehalten und die Ohren aufsperren, dann kann man manchmal bereits unten im Dorf das Pfeifen der im Alpenraum Mankei genannten Murmeltiere hören. Weiter oben bekommt man die putzigen und teilweise wenig scheuen Nager dann auch zu sehen. Und manchmal können aufmerksame Betrachter flinke Gämsen und auch Adler, die ihre Kreise über den Arlberger Alpen ziehen, in den luftigen Höhen entdecken.

Alpental entlang des Lech

Verein Lechweg/Fabian Heinz

Hoch hinaus

Ungefährlich, dennoch nichts für schwache Nerven ist die Überquerung der Höhenbachtalschlucht nahe Holzgau. Mit einer Länge von 200 Metern schwebt die ein Meter breite Hängebrücke mehr als 100 Meter über dem Boden und führt von den blühenden Wiesen am Gföllberg bis zum Sonnenplateau Schiggen. Die höchste, außerdem unentgeltlich zugängliche Fußgängerbrücke Österreichs bietet zudem freien Blick auf den Simmswasserfall. Im 19. Jahrhundert künstlich angelegt, gilt die Kaskade als bedeutendste Sehenswürdigkeit von Holzgau. 

Ein Drache und der Doserwasserfall

Es ist und bleibt ein Rätsel: Alljährlich und das ausgerechnet am St. Martinstag, am 11. November, versiegt der Doserwasserfall plötzlich da, wo er am 23. April, dem St. Georgstag, wild schäumend aus einer Felsengrotte heraus wieder zu sprudeln beginnt. Dieses mysteriöse Naturphänomen, das sich bei Häselgehr im Tiroler Lechtal zeigt, gibt Naturwissenschaftlern immer noch Rätsel auf. Der Legende nach ist ein Drache verantwortlich für die sonderbare Erscheinung. Es könnte aber auch ein unterirdischer See und dessen Überlauf durch die Schneeschmelze verantwortlich sein. Wie gesagt, die Wissenschaftler rätseln weiter.

der Doserwasserfall in Österreich

Verein Lechweg/Fabian Heinz

Der gelbe Frauenschuh

Prachtvoll zeigt sich die Blüte des Gelben Frauenschuhs, einer so seltenen wie begehrten Orchideenart. Aufgrund der reichen Bestände im Tiroler Lechtal gelten die halbschattigen Lechauen bei Martinau als größtes zusammenhängendes Frauenschuhgebiet Europas. Und werden deshalb von der örtlichen Bergwacht nicht aus den Augen gelassen. Mit dem wasserdurchlässigen Kalkschotterboden des lichten Kiefern- und Trockenauwalds herrschen dort perfekte Bedingungen für »Kriemhilds Helm«. Während ihrer Hoch-Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juni sind die unter Artenschutz stehenden Wildblumen den Abstecher vom Lechweg absolut wert.

Alle Vögel sind schon da

Was haben zwei Drittel aller in Tirol vorkommenden Brutvogelarten und die meisten Lechweg-Wanderer gemeinsam? Genau, sie machen Station im Schutzgebiet Pflacher Au bei Reutte. Das Schutzgebiet Pflacher Au in Reutte liegt ganz nah am Lechweg. Hobby-Ornithologen genießen den 360-Grad-Blick über Bäche, lehmige Tümpel und Stillgewässer, umgeben von einem Dschungel aus Totholz und Gestrüpp, vom 18 Meter hohen Vogelbeobachtungsturm. Wer noch mehr über den idealen Lebensraum für junge Vogel-Eltern und ihren Nachwuchs, über Wasservögel, Blässhühner, Schwalben und Mauersegler lernen möchte, der unternimmt am besten eine geführte Safari mit dem Naturparkguide.

zwei Menschen am Wandern auf dem Lechweg

Verein Lechweg/Fabian Heinz

Das Ziel vor Augen

Er zählt nicht umsonst zu Bayerns schönsten Geotopen: der türkisgrüne Lechfall bei Füssen am Rand einer tief eingeschnittenen Klamm. Ein Ort zum Innehalten und das ist vor allem einer Legende zu verdanken, die besagt, dass der Heilige Magnus auf der Flucht vor seinen heidnischen Verfolgern hier über den wilden Lech gesprungen sei. Heute nun überqueren die Lechweg-Wanderer den wilden Lech auf dem 1895 erbauten König-Max-Steg. Ein krönender Abschluss zum Ende der 125-Kilometer-Tour.