Umweltschutz und Tourismus – kann das Hand in Hand gehen? Darüber zerbrechen sich nicht nur umweltbewusste Reisende die Köpfe, sondern auch die Tourismusbranche. Wir stellen euch an ein paar Beispielen vor, wie Tourismusunternehmen nachhaltiger werden wollen.
Wenn Umweltaktivisten auf die Reisebranche zu sprechen kommen, dann wird meist Tacheles geredet: Die Reise mit dem Flugzeug verursache Unmengen an CO2-Ausstößen, auch andere Substanzen wie Stickoxide, Aerosole und Wasserdampf gelangen in die Erdatmosphäre. Alles schlecht in Sachen Erderwärmung, heißt es unisono.
Und dann erst die Kreuzfahrtdampfer. Deren Abgase, durch das Verbrennen des Schweröls, allen voran Feinstaub, Ruß, Stickoxide und Schwefeloxide sind schlecht für die Gesundheit, das Klima und die Biodiversität. Nachhaltiges Reisen sieht anders aus.
Die Kritik und auch die verstärkte Diskussion über den Klimaschutz der vergangenen Jahre haben auch die Akteure der Tourismusbranche nicht unbeeindruckt gelassen. Ganz im Gegenteil. Sie steuern mittlerweile gegen. Egal ob Airlines, Reiseveranstalter, Hotels oder Touranbieter: Vielerorts ist von Umweltschutz-Maßnahmen die Rede. Das reicht von kleinen Maßnahmen wie dem Plastikverzicht in zertifizierten Hotels bis hin zum reduzierten CO-Ausstoß und freiwilligen Ausgleichszahlungen fürs Fliegen. Aber ist das wirklich ausreichend, um die Umwelt zu schützen – oder einfach nur cleveres Marketing?
Nachhaltiges Reisen in Kooperation mit dem WWF
Der Wanderreisespezialist Wikinger Reisen stellte in diesem Monat seinen Touristenratgeber in Kooperation mit dem WWF vor. Mit Unterstützung von Wikinger Reisen hat die Umweltorganisation darin Maßnahmen zur Vermeidung von Plastikmüll entwickelt.
Neben Information über zertifizierte Hotels, Abfallsituation und Trinkwasserqualität am Urlaubsort gibt es viele nützliche Umweltipps für den Urlaubsalltag. »Wer Proviant für unterwegs in Mehrwegbehältnissen einpackt, reduziert schon bei der Anreise seinen Plastikmüll. Shampoo und Co. reisen in nachfüllbaren Flaschen und Tiegeln mit, so werden Kleinpackungen im Badezimmer überflüssig. Bei Sonnenschutz sollten Urlauber auf mikroplastikfreie Produkte umsteigen – alles andere ist ungesund und belastet das Ökosystem«, heißt es.
»Entspannen, entdecken, genießen, sich bewegen – jeder sucht in seinem Urlaub etwas anderes. Aber Müll sucht niemand. Deshalb ist der gemeinsame Kampf gegen die Plastikflut so wichtig«, so der WWF Deutschland und Wikinger Reisen.
Soziale und umweltrelevante Projekte auf Mauritius
Auch bei den Branchengroßen tut sich was. So wollen Dertour und Meiers Weltreisen mit neuen nachhaltigen Reiseangeboten zum Beispiel auf Mauritius soziale und umweltrelevante Projekte unterstützen. Auf Mauritius sind die Veranstalter exklusive Pilotpartner des Projekts »Sus Island«. Dessen Ziel ist die Entwicklung der Insel als nachhaltiges Reiseziel. Es wurde 2018 von der mauritischen Tourismusbehörde (MTA) und dem in Wuppertal ansässigen Collaborating Centre on Sustainable Consumption and Production (CSCP) ins Leben gerufen.
Im Rahmen des Projekts arbeiten Reiseveranstalter, Hotellerie, Politik und Zielgebietsagenturen zusammen. Inhaltlich liegt der Fokus darauf, den positiven Einfluss des Tourismus, den sogenannten Handabdruck, im Urlaubsziel zu verstärken. Gleichzeitig sollen die negativen Auswirkungen reduziert werden.
Klingt abstrakt? Darum geht es: So beinhaltet einer der Wise-Dodo-Ausflüge beispielsweise eine geführte Eco-Tour auf die geschützte Île aux Aigrettes, ein Refugium für viele seltene und endemische Arten wie z. B. die bedrohten Flughunde, Mauritius-Webervögel und Riesenschildkröten.
Die Kultur der Insel und ihrer Bewohner sollen die Gäste mit Wise Dodo kennenlernen. Dabei werden sie zum Beispiel von Fischern in die Kunst des Netz-Knüpfens eingeweiht.
Nachhaltig reisen: Enchanting Travels unterstützt Klimaschutzprojekt
Der Spezialreiseveranstalter Enchanting Travels will anfallende CO2-Emissionen für alle seine verkauften Reisen ausgleichen. Um das durch Transport, Unterkünfte und Aktivitäten ausgestoßene Kohlenstoffdioxid zu kompensieren, wird Enchanting Travels für anfallende Emissionen an das Klimaschutzprojekt »Isangi REDD+« spenden. Dazu arbeitet der Reiseveranstalter mit dem Umweltberater South Pole zusammen.
Das von Enchanting Travels unterstützte Projekt soll dazu beitragen, mehr als 187.500 Hektar des Kongobecken-Regenwaldes zu schützen. Wie? Abholzung soll verringert und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken gefördert werden.
Gleichzeitig wird die Lebensqualität der lokalen Bevölkerung verbessert, indem in Bildung, Gesundheitsversorgung und wirtschaftliche Möglichkeiten investiert wird. Weitere Informationen über South Pole und das Isangi Forest-Projekt findet man hier.
Neben diesen Engagement setzt Enchanting Travels auch bei der Reiseplanung auf umweltfreundliche Optionen. Wo es möglich ist, werden Flüge vermieden und nachhaltige Transportwege wie Zugfahrten bevorzugt. Bei den angebotenen Ausflügen wie Safaris wird auf einen respektvollen Umgang mit der Natur geachtet. So werden Ausflüge abseits überlaufener Tourismus-Hotspots ermöglicht, die Overtourism vermeiden.
Hotels in Schweden setzen auf Recycling, Komposttoiletten und Bio-Bettwäsche
Auch viele Hotels haben sich dem Thema nachhaltige Reisen verschrieben. So etwa das 250 Kilometer nördlich von Stockholm gelegene kleine STF Hostel Växthuset. Das Hostel liegt in einem Ökodorf am Badesee Edesjön in Mobodarne, etwa 20 Kilometer von Söderhamn entfernt. Es bietet gute Bedingungen für nachhaltigen und naturnahen Urlaub. Das zwölfkantige Gebäude setzt auf Nachhaltigkeit und Recycling – angefangen bei Solarenergie und einem Öko-Heizkonzept über Komposttoiletten bis hin zur Bio-Bettwäsche.
Nachhaltige Reisen stehen auch beim Camp Naturbyn im Mittelpunkt, das aus diesem Grund 2019 mit dem Tourismuspreis der Tourismusorganisation Visit Värmland ausgezeichnet wurde. Versteckt zwischen Tannen und Kiefern liegt es in einer ruhigen Bucht am See Eldan und bietet luxuriöse Outdoor-Erlebnisse ohne Schnickschnack.
Die Gäste erwarten hier verschiedene, von Hand gebaute Holzhütten – wahlweise auf dem Wasser, an Land oder in den Baumwipfeln – sowie über dem offenen Feuer zubereitete Mahlzeiten, eine holzbeheizte Sauna mit Bad – all das ohne Elektrizität und W-Lan. Und der Wald ist immer in der Nähe.
Luxushotelgruppe Kempinski: Kooperation mit Clean the world
Die Luxushotelgruppe Kempinski ist eine Partnerschaft mit Clean the World eingegangen – einer Organisation im Bereich der globalen Gesundheit und der Nachhaltigkeit in Bezug auf Wasser, sanitäre Einrichtungen und Hygiene. Europas älteste Luxushotelgruppe hat sich damit verpflichtet, ihre Aktivitäten auf dem Gebiet des Recyclings zu erweitern und – passend zur Corona – gleichzeitig die Ausbreitung hygienebedingter Krankheiten zu bekämpfen.
Mit dem Hotelprogramm von Clean the World werden ausrangierte Seifenstücke und in Flaschen abgefüllte Duschgels und Shampoos zum Schutz der Umwelt recycelt und Menschen in Not unterstützt. Der fließende Prozess beginnt im jeweiligen Hotel im Housekeeping. Los geht es mit dem Einsammeln der gebrauchten Seifen und Duschgels. Sie werden in einem speziellen Behälter abgefüllt und an eine der sechs Sammelstellen von Clean the World geliefert.
Anschließend durchlaufen die Produkte einen Vorgang, bei dem alle Rückstände entfernt und gefiltert werden, um sie dann zu »mahlen«. Das Mahlgut wird mit einer im Labor getesteten Sanitärlösung vermischt und zu neuen Seifenstücken gepresst. Die Seifen werden geschnitten, verpackt und an eine der vielen Organisationspartner in der ganzen Welt versandt; darunter das UN-Flüchtlingshilfswerk, Children International, Global Medic, World Vision und das Rote Kreuz, um nur einige zu nennen. Von dort werden die Seifen dann direkt an Bedürftige verteilt.
CO2-Emissionen der Airlines ausgleichen
Auch die Airlines sind in der Pflicht. Sie waren 2018 für insgesamt 2,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich (International Council on Clean Transportation). Dies bedeutet zwar, dass die Luftfahrt für 97,5 Prozent der weltweiten CO2-Ausstöße nicht verantwortlich ist. Dennoch sieht sich die Branche seit vielen Jahren in der Pflicht, die CO2-Emissionen zu verringern und Fliegen umweltfreundlicher zu gestalten. Beispielsweise über die Forschung im Bereich alternativer Treibstoffe.
Solange es noch keine optimalen Lösungen gibt, hilft Kompensation. CO2-Kompensation scheint vielen Reisenden aber noch immer sehr unübersichtlich. Unzählige Klicks und das Ausfüllen langer Formulare schrecken Verbraucher ab. Organisationen wie atmosfair und myclimate bemühen sich, die Kompensation auf der Webseite so intuitiv wie möglich zu gestalten. Hier kann man schnell und einfach direkt Flüge ausgleichen oder auch direkt eine spezifische Wunschmenge an CO2 kompensieren. Noch einfacher ist die Kompensation auf Plattformen wie Flyla oder Meravando, die bei jeder erfolgten Flug- und Kreuzfahrtbuchung automatisch und ohne Zusatzkosten für den Kunden kompensieren.
Aber letztlich ist es der Verbraucher selbst, der Reisende, der viel für die Umwelt tun kann. Tourismusforscher Stefan Gössling appelliert denn auch an jeden Einzelnen, verantwortungsbewusst zu reisen: »Es war so einfach, auf andere zu zeigen: Das Problem muss die Fluglinie lösen, der Flugzeugbauer oder der Staat. Mit Fridays for Future haben wir eine andere Sichtweise bekommen: die der Eigenverantwortlichkeit. Das ist für mich auch die einzig richtige Perspektive. Jeder muss nachhaltig leben», sagte er jüngst in einem Interview der Süddeutschen Zeitung.