Allein verreisen: Dafür kann es viele Gründe geben. Manchmal will es mit der gemeinsamen Urlaubsplanung mit dem Partner oder Freunden einfach nicht klappen. Oder man will ganz bewusst fern der Heimat ganz allein neue Leute, Kulturen und Länder kennenlernen. Wir haben uns mit vier Frauen unterhalten, die seit Jahren allein durch die Welt reisen.

Text: Verena Wolff

Ute Kranz hat 2014 Job und Wohnung gekündigt, um die Welt zu bereisen – alleine. In ihrem Blog bravebird.de berichtet sie von ihren Touren und hat mehrere Bücher zum Thema geschrieben.

Der Trend zum Alleinreisen wird größer, sagt Ute Kranz. Denn: Frauen werden immer selbstbewusster und mutiger – und weil es im Vorfeld immer mehr Frauen vormachen.

»Ich glaube, dabei geht es weniger darum, mal keine Kompromisse eingehen zu müssen, sondern eher, weil man einfach seiner Reiseleidenschaft nachgehen möchte, für die man nicht zwingend einen Reisepartner oder Reisepartnerin braucht«

sagt sie.

Portrait Ute Kranz, bravebird

Ute Kranz

Nach vielen Jahren des Alleinreisens hatte sie durch die sehr unterschiedlichen Länder und Kulturen so viel Erfahrung gewonnen, dass sie häufiger darauf angesprochen wurde, warum sie diese Erfahrungen nicht teilen wolle. Andere aus ihrem Bekanntenkreis fragten wiederum regelmäßig nach ihren Reisefotos. Und da bot es sich an, eine Plattform online zu gründen, auf der sich Reiseleidenschaft, die Weitergabe von Erfahrungen und Inspiration vereinen können. Mit der Zeit ergab sich dann die Gründung von Facebook-Gruppen für Frauen und ein Blog für Frauen namens »Bravegirls«. Hier können Frauen ihre eigenen Geschichten teilen, ohne extra den Aufwand für einen eigenen Blog betreiben zu müssen.

»Zum Alleinreisen bin ich damals selbst gekommen, weil ich nach der Trennung meines Freundes dringend mal raus musste. Und obwohl die erste Alleinreise ein totaler Flop war, hat mich der Reiz des allein Unterwegsseins total gepackt. Heute ist es für mich eine ganz normale Art zu reisen und ein Ausdruck meiner Autonomie und Unabhängigkeit«, so Ute Kranz.

Von der Angst vor Einsamkeit

Die beiden größten Sorgen im Vorfeld und manchmal auch unterwegs seien die Faktoren Sicherheit und Angst vor Einsamkeit. Und beides sei auch vollkommen nachvollziehbar und daher völlig normal. In einem fremden Land weit weg von zu Hause allein auf sich gestellt zu sein, macht auch erst mal Angst. Das Wunderbare an dieser Situation aber sei, dass man nach der Reise zurückblicken und feststellen wird, dass aus der ursprünglichen Angst großer Stolz geworden ist, diese Reise ganz allein gemeistert zu haben. Darauf könne man dann immer weiter aufbauen. Einen Tipp hat sie auch parat: »Um der Sorge vor Einsamkeit zu entkommen, lohnt sich etwas Vorausplanung: Hostels oder Zimmer in Ferienwohnungen mieten, wo man vom ersten Moment an Anschluss hat. Anders gesagt: Orte meiden, wo sich aller Voraussicht nach kaum Reisende oder Gleichgesinnte aufhalten werden – das sollte man nur als fortgeschrittene Alleinreisende planen«, sagt sie.

Maike Marth, 34, aus dem Schwarzwald hat immer ihren Schulhund Milli dabei und verläuft sich trotzdem ständig. Egal ob daheim oder unterwegs.

Manchmal, hat Maike Marth festgestellt, wäre es vielleicht doch gar nicht so schlecht, wenn ein Reisepartner sie vor sich selbst schützen könnte. So wie damals in Südtirol, als sie allein in die Berge ging, als der Schnee noch nicht so richtig weggeschmolzen war. »Da bin ich im Schnee steckengeblieben und in ein Loch gefallen«, erinnert sie sich. »Weil ich zu stolz war, umzudrehen und immer weitergegangen bin – auch wenn die Bedingungen nicht optimal waren.« Mit der Angst hat sie es schon zu tun gekriegt, allein im Wald in einem Loch. »Dann habe ich mir Stufen gebaut und bin wieder raus gekommen.« Trotzdem sagt sie, wäre es ganz gut gewesen, jemand hätte damals darauf bestanden, einfach umzudrehen.

Maike Marth mit Malteser Hund

Maike Marth

Seit einem guten Jahrzehnt ist die Realschullehrerin allein unterwegs. Zum ersten Mal fuhr sie per Anhalter nach Jersey. Drei Wochen war sie unterwegs – eine Woche hin, eine Woche zurück und eine Woche bei einer Freundin auf der mediterranen Kanalinsel. Richtig weite Fernreisen macht Maike nicht, denn sie hat immer den Schulhund dabei. »Früher war ich mit Cabrio und Zelt unterwegs, jetzt mit meinem VW-Bus.« Die Frage Berge oder Meer stellt sich ihr selten – am besten sieht sie beides bei einem Trip. »Trotzdem nehme ich gern Meeresstrecken mit, weil ich begeisterte Kite-Surferin bin.«

Zwei Mal im Jahr ist sie in der Gruppe mit Freunden unterwegs – im Winter zum Skifahren, im Sommer am Strand. Doch das Alleinreisen ist anders.

»Ich habe lieber eine schöne Zeit mit mir selbst, ehe ich mit jemandem aus der Not heraus verreise«, betont sie.

Die Intensität der Reise steigt

Außerdem nehme man als Solo-Reisende die Umgebung ganz anders wahr.

»Und man trifft immer wieder tolle Menschen.«

Vor allem unerwartet tolle Sachen genießt sie, wenn sie allein unterwegs ist: das Muschel-Restaurant mitten in der Pampa, die guten Tipps, die man ganz unverhofft von Fremden bekommt.

Ein paar Strategien gehören allerdings auch dazu – damit so etwas wie die Geschichte mit dem Loch im Schnee möglichst nicht noch einmal passiert. »Ich habe vor einer Weile die Alpen überquert, von Berchtesgaden nach Lienz.« Und da hat sie die Tipps der Herbergsvermieter genau genommen. »Wenn sie wussten, dass die Wandergruppe auf dem gleichen Weg ist wie ich und um sieben Uhr losgeht, bin ich halt um sechs Uhr losgegangen.« Wäre ihr etwas passiert, hätten die anderen Wanderer sie gefunden. »Man ist ja nirgendwo mehr wirklich allein.« Vom Herbst an ist die 34 Jahre alte Lehrerin im Sabbatical und will England, Irland und Schottland bereisen. Wenn das Corona-Virus ihr keinen Strich durch die Rechnung macht. Mit dem Bulli und dem Hund. »Und wenn ich mal eine Dusche brauche oder Leute sehen will, suche ich einen Campingplatz.«

Melanie Hastler, 25, sieht als größte Herausforderung am Alleinreisen das Heimkommen

Für Melanie Hastler ist der Reiz am Alleinreisen hauptsächlich das Gefühl der absoluten Freiheit: »Keine Absprachen treffen zu müssen, das zu machen worauf ich jetzt oder morgen oder in den nächsten Tagen Lust habe. Keine Kompromisse schließen zu müssen, aber so viel Zeit für Aktivitäten nehmen zu können, wie ich möchte. Außerdem ist es für mich ein Reiz, mich selbst herauszufordern: Wie komme ich den verschiedenen Ländern klar? Das führt zu einer unglaublichen Steigerung des Selbstbewusstseins«, berichtet sie.

Maike Hastler auf der Route 66

Maike Hastler

Ihre erste Solo-Reise hat sie als Work and Travel in Neuseeland gemacht. Zwei Jahre später ist sie dann auf Weltreise gegangen. Sie besucht gern Länder, die weit weg von zuhause sind, am besten außerhalb Europas. Dort will sie die Kultur ebenso wie die Landschaften kennenlernen. Ziele innerhalb Europas könne man recht schnell erreichen, auch im normalen Arbeitsleben. Geht es weiter weg, sieht es schon anders aus:

»Ziele wie Australien, Neuseeland oder Südostasien lohnen sich nicht für zwei Wochen. Dafür brauche ich mehr Zeit, da alleine der Flug schon so lange dauert. Deshalb bin ich beim Solo-Reisen gerne lange und weit weg unterwegs«, so die 25-Jährige.

Der Stolz der Reise und die Ernüchterung der Heimkehr

Und welche Erfahrungen macht sie unterwegs? »Ich bin immer wieder begeistert von mir selbst, wie ich mich so durchschlage, ich erfahre Dinge über mich, die ich niemals erwartet habe. Manchmal gehe ich über die Grenzen hinaus und bin verblüfft vom Ergebnis. Ich lerne so viele neue Menschen kennen, die mich teils heute noch in meinem Leben begleiten. Nach meiner Erfahrung fühlen sich Dinge, die man eigentlich eher mit anderen macht, gar nicht so komisch oder unangenehm an – man muss nur bei sich selbst angekommen sein. Zwar gibt es auch schlechte Erfahrungen, doch die verblassen in meiner Erinnerung recht schnell«, so ihr Resümee.

Das Schwierigste am Reisen sei für sie, wieder nach Hause zu kommen. Plötzlich sitze man wieder in der Stadt, aus der man Monate zuvor abgereist ist. Die Menschen und die Umgebung ist noch immer dieselbe, nichts hat sich verändert. Aber man selbst ist wieder ein Stückchen gewachsen. Oftmals werde man nicht verstanden, man sei jetzt wieder da und niemand interessiere sich noch großartig für deine Reise, niemand könne nachvollziehen wie man sich fühlt oder sich in manchen Situationen auf der Reise gefühlt habe, wenn du darüber berichtest: »Man wird sofort wieder in den Alltag eingebunden und soll funktionieren.«

Julia Falk, 30, trifft die wichtigsten Entscheidungen am Lenkrad ihres VW-Busses

Juli Falk ist ausgebildete Lehrerin – Mittelschule, Hauptfach Deutsch. Eine Planerin, die bei ihren Reisen eigentlich nichts dem Zufall überlässt. »Wenn ich allein unterwegs bin, möchte ich wissen, wo die nächste Autowerkstatt für meinen VW-Bus ist und wo die nächste Tierklinik für meinen kranken Hund.« Doch ihre erste Solo-Reise kam ganz spontan. 2015 war das. »Ich hatte mich von meinem Freund getrennt und mir blieb gar nicht anderes übrig, als allein loszufahren.« Ein lange gehegter Traum: nach Kanada, auf eine Ranch, um dort glückliche Pferde zu sehen.

Julia Falk auf einem Pferd in Kanada

Julia Falk

Über die Webseite workaway.info fand sie nicht nur glückliche Vierbeiner, sondern auch eine Ranch in der Wildnis von British Columbia, auf der sie gegen Kost und Logis arbeiten konnte. »Dort habe ich Freunde gefunden und fliege seither jedes Jahr hin«, erzählt Julia. Und auch wenn sie in einer Partnerschaft lebt, hat sie ihren Freund noch nicht mitgenommen nach Kanada.

»Vancouver habe ich mir damals allein angeschaut und schon das Gefühl gehabt, ich hätte meine Erlebnisse gern gleich mit jemandem geteilt.« Und trotzdem hat sie die Zeit genossen und viel gelernt. »Außerdem fragt man schneller andere Leute, wenn man Hilfe braucht oder etwas nicht findet.«

Alleine nach Norwegen

Das Reisen, die Eindrücke, das Mit-sich-allein-Sein bringt Konsequenzen mit sich – das hat Julia bei ihrer letzten großen Reise nach Norwegen wieder gemerkt. »Ich bin mit meinem VW-Bus aus Regensburg nach Rostock gefahren, von da aus mit der Fähre nach Dänemark, über die Öresundbrücke erst nach Schweden und dann Norwegen«, sagt sie. Tagelang war sie auf Landstraßen unterwegs, »da gehen einem viele Gedanken durch den Kopf, die man wieder und wieder wälzt«. Und irgendwann sind die Themen dann durch. »Dann bin ich mit mir im Reinen«, sagt sie. Und dann geht die wirkliche Entspannung los. In Norwegen wollte Julia sechs Wochen bleiben. Sie sah die Lofoten und Bergen, Alesund und Stavanger. »Aber nach vier Wochen habe ich umgedreht und bin wieder nach Hause gefahren – es war einfach zu kalt.«

Genau die richtige Entscheidung, denn schon am Südkap hat es Julia gut gefallen. »Ich hatte mir das nie so wunderschön vorgestellt.« Doch – genug war genug, und den Entschluss zum Umdrehen musste sie mit niemandem diskutieren. »Ein großer Vorteil des Alleinreisen: Man macht, was man für richtig hält.« Und: »Ich nehme Sachen anders, intensiver wahr, wenn ich allein unterwegs bin.«