Er schmeckt als Longdrink, als Cocktail, pur oder on the Rocks. Selbst mit Perrier oder Ginger Ale und einem Schuss Limette ist er schön erfrischend. Vielleicht muss man erst einmal nach Cognac, um zu begreifen, wie köstlich Cognac ist. Die Geschichte, wie ich zum Cognac-Fan wurde. Text: Karolina Golab
»Und? Wann haben Sie das letzte Mal einen Cognac getrunken?«, wollte der Taxifahrer wissen, der mich ins Hotel bringt. Damals habe ich diese Frage noch mit einem Seufzer und einem Blick zum Boden nonverbal beantwortet. Wenn man mich heute fragt, sage ich »Gestern«.
Eine kleine Reise an die Charente und das folgende Rezept hat meine alkoholischen Vorlieben verändert:
Man nehme also ein Tumbler-Glas mit Zitronen- oder Limettenzeste und hauchdünn geschnittenen Ingwerscheiben und füge zwei Zentiliter Cognac V.S.O.P. hinzu. Noch ein paar Eiswürfel hinterher. Umrühren. Weitere zwei Zentiliter V.S.O.P. sowie sechs Zentiliter Limonade eingießen. Zum Schluss noch eine dünne Gurkenpelle. Fertig ist der »Cognac Summit«!
Cognac – das beklagen die Cognac-Produzenten – ist in vielen Köpfen verstaubt, wenn nicht gar vergessen. Oder, was noch schlimmer ist, durch Whisky ersetzt. Heute tüfteln die besten Barkeeper der Welt an neuen Cognac-Kreationen, um am Image des bernsteinfarbenen Getränks zu feilen. Mein Großvater hätte mich für einen solchen »Punch« der Blasphemie bezichtigt. Aber die Zeiten, als er nach einem deftigen Mahl aus seiner Bar ein Fläschchen »Napoléon« wie den Heiligen Gral zum Tisch trug, um meiner Großmutter und sich zwei Fingerbreit im Bauchglas einzuschenken und dabei den Moment vor dem Trinken ganz lange hinauszuzögern, sind ein für alle Mal vorbei. Aber das malerische Städtchen an der Charente hat mich mit seinem charmanten Atem bezaubert.
Viele sind auf der Durchreise. Ich reise nach Cognac, wie man nach Paris oder Cannes reist.
Ein Vorteil liegt schon im Flächenmaß. Das Leben spielt sich zwischen dem Hôtel de Ville und dem Ufer der Charente am Pont Neuf ab. Jeder kennt sich, jeder grüßt sich. Kein Wunder, wenn man keine 20 Minuten braucht, um Cognac strammen Schrittes komplett zu erforschen. Im Cognac l’art de vivre gibt es kein »schnell«. Hier nimmt man sich gerne Zeit. Für einen Café au lait an einer Fußgängerzone oder einen Cognac-Aperitif. Und auch eine Verkostung bei Otard, eine der traditionsreichsten Cognac-Brennereien, die ihren Sitz am Ufer der Charente hat. Eine Größe, die es sich selbst dann zu besuchen lohnt, wenn man für Weinbrand nichts übrig hat, dafür einen Funken Interesse für Geschichte.
Denn dort, wo nun Otard seine preziösen Fässer lagert, wurde der große Renaissance-König, François I., geboren. Einer seiner Verdienste war es, Leonardo da Vinci über Jahre hinweg als Gast zu beherbergen und ihn als Mäzen zu unterstützen. Das hat sich ausgezahlt, denn da Vinci hat in Frankreich und so auch bei Otard seine Spuren hinterlassen: Die Dekorationen der hiesigen Festräume stammen von keinem Geringeren als Leonardo. Weitere Schätze lagern im »Paradies« der Kellergewölbe.
Und man muss viele dunkle und feuchte Räume durchschreiten, entlang an Tausenden von gestapelten Fässern, um hinter Gittern und schweren Schlössern schließlich die ältesten Otard-Brände in Ballonflaschen zu bestaunen.
Sie sind von Spinnweben überzogen und mit dem Staub der Jahrhunderte zugedeckt. Nur der Kellermeister weiß um den wahren Wert dieser Brände. Und die Engel, die ihren Durst mit ihrer »Part des Anges« stillen, dem verdunstenden Weinbrand, der sich in Form eines Pilzes »Tortula Compniacencis« auf die Häuserfassaden Cognacs legt. Nimmt man alle 152 Cognac-Hersteller zusammen – darunter die Big Five wie Hennessy, Rémy Martin, Martell, Otard, Courvoisier kommen die Engelchen auf Flaschen in Millionenhöhe. Davon müssten sie ganz schön beschwipst sein.
Kellermeister ist eigentlich eine Kellermeisterin
Und ich bin es auch bald. Denn bei Hennessy, Otards Nachbarn, gibt es nicht nur den perfekten Einstieg in die Cognac-Herstellung – hier wurden kein Geld und keine Mühen gescheut, um bei multimedialer Präsentation die Unternehmensphilosophie sowie die Produktion von der Ernte bis zur Abfüllung im 3-D-Erlebnis zu erläutern –, sondern man kann auch einige Tropfen »Fine de Cognac« probieren. Bei Rémy Martin erfahren Besucher, dass in seinen 27 Kellern 6000 Fässer lagern.
Bei Camus nimmt man an einem Cognac-Workshop teil und übt sich selbst in der Profession des Masterblenders. Natürlich verkostet man im Tulpenglas die hauseigenen Produkte, prüft die Viskosität, die Farbe und tastet olfaktorisch nach den fruchtigen und holzigen Noten, nach der Schokolade und den Litschi. Dann fachsimpelt man, welche Speise mit welchem Getränk am besten harmoniert: Der V.S.O.P. passt eiskalt serviert zum Ziegenkäse mit Tomate und Chili. Wie oft wurde schon die französische weihnachtliche Harmonie mit der Frage aufs Spiel gesetzt, ob nun Foie Gras mit einem X.O. serviert werden darf oder nicht.
Und Jahr für Jahr bleiben die Lager geteilt.
Ich habe mich jedenfalls entschieden: Für einen Cog-nac, der nicht ab Hof verkauft wird und nur in der gehobenen Gastronomie serviert wird. Er ist feminin und elegant. Und sein Geschmack ist anhaltend. Es ist der »Frapin Domaine Château de Fontpinot Grand Champagne X.O.«. Für diese Kreation von Kellermeister Olivier Paultes nehme ich mir ganz viel Zeit. Auch nach dem Essen. Zwei Fingerbreit in einem Tulpenglas.
Ohne Eis.
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