Eine Kreuzfahrt kam für reisen EXCLUSIV-Autor Harald Braun bislang nie infrage. Zu viele Menschen auf einem viel zu großen Gewässer. Erst die Möglichkeit, im charmanten Boutique-Boot ein paar Tage auf dem Mekong zu cruisen, änderte die Meinung unseres störrischen Schreibers.

Prolog

Alles, was über eine Kreuzfahrt zu sagen ist, hat David Foster Wallace bereits in seinem Büchlein »Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich« niedergeschrieben. Dachte ich jedenfalls. Allerdings bezog sich Foster Wallace auf einen Trip mit einer Art fahrendem Möbelhaus, so gigantisch, dass eine Kleinstadt darin Platz finden würde. Zudem schipperte er im Pazifik herum, was mir als Nichtschwimmer einen gewissen Respekt abverlangt. Nein, ich war kein Fan. Was sieht man denn auf so einer Reise, was lernt man kennen? Außer sehr viel Wasser und bunten Buffets, die auf jedem Stockwerk dieser schwimmenden Vergnügungsfabriken davon ablenken sollen, dass es auf solch einem Traumschiff wenig zu tun gibt. So weit zu meinen und von Foster Wallace untermauerten Vorurteilen.

Neulich aber erhielt ich die Einladung, mit einem Boutique-Boot ein paar Tage lang auf dem Mekong zu cruisen. Das klang doch schon mal ganz anders, aufregend, geheimnisvoll. Ich entschloss mich, über meinen Schatten zu springen und das erste Mal an einer »Kreuzfahrt« teilzunehmen. Spoiler-Alarm: Ich habe es nicht bereut.

Autor Harald Braun auf dem Balkon seiner Kreuzfahrt-Kabine

Patrick Ohligschläger

Tag 1

Beginnen wir mit der Beschreibung dessen, was so eine Fahrt mit dem Boutique-Boot von einer beliebigen Sause mit einer schwimmenden Kleinstadt unterscheidet. Die Mekong Sun ist nur 40 Meter lang und wirkt durch die eleganten Aufbauten aus Teak- und Mahagoniholz wie die schwimmende Gartenlaube eines skandinavischen Designers. Schuhe aus. Das ist der erste Satz, den wir an Bord hören – die glänzenden Holzbohlen sollen möglichst nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Auf den beiden Decks befinden sich nur 14 Kabinen. Das Schwesterschiff Mekong Pearl hat nur eine Kabine mehr. Das heißt, dass nie mehr als 28 Gäste an Bord sind – zuzüglich der 16 Crewmitglieder natürlich, die wir im Rahmen einer Vorstellungsrunde kennenlernen.

Bevor wir in Luang Prabang an Bord der Mekong Sun einchecken, bleibt ein Tag Zeit, um uns den wohl schönsten Ort Südostasiens anzuschauen. Luang Prabang gilt als Stadt der Tausend Pagoden, doch wirklich gezählt hat offenbar niemand. Ständig wechseln die Angaben. Sicher ist nur, dass es sehr, sehr viele Tempel sind. Man kann es jeden Morgen aufs Neue sehen. Dieses Schauspiel auf Luang Prabangs Straßen ist wirklich beeindruckend: Im Morgengrauen schwärmen Heerscharen leuchtend orange gekleideter Mönche aus, um sich ihre tägliche Spende abzuholen. Tak Bat heißt dieses Schauspiel, das auch als »Offering« oder »Einsammeln der Morgengabe« bekannt und zur beliebten Touristenattraktion geworden ist.

Frau vor Tempel in Laos

Patrick Ohligschläger

Schweigend schlurfen die müden Mönche durch den Morgennebel und sammeln Früchte und eine Menge Klebereis in glänzenden Bottichen aus Plastik ein – ihr Frühstück, Mittag- und Abendessen. Mönche dürfen keinen weltlichen Besitz haben und sind auf dieses malerische Bettelritual angewiesen. Der Preis dafür: Touristen aus aller Welt rücken ihnen mit Kameras und Mobiltelefonen zum Teil sehr nah auf die Pelle. Nicht immer bleibt die Würde dieser traditionellen Zeremonie gewährleistet. Kaum haben sich die Mönche im Tempel zurückgezogen, öffnen die ersten Frühstückscafés in Luang Prabang. Avocados werden aufgeschnitten, Siebträger-Kaffeemaschinen zischen, frische Früchte werden auf Tellern zerteilt. Es könnte auch Ibiza sein oder ein Hipsterspot in New York, wenn man nicht so genau hinschaut.

Suppe in Laos auf einer Mekongkreuzfahrt

Patrick Ohligschläger

Luang Prabang ist dank üppiger Finanzspritzen seiner einstigen französischen Besatzer zu einer Art Freilichtmuseum geworden, hübsch anzusehen, aber doch auch sehr künstlich. Backpacker aus der ganzen Welt klappen hier in schmucken Gasthäusern ihre Laptops auf, die Restaurants und Cafés sind stilvoll aufgerüscht, die Straßen überwiegend sauber – mit dem Rest von Laos, einem der ärmsten Länder der Welt, hat Luang Prabang wenig zu tun. Das ist Fluch und Segen für die Bewohner dieser wundervollen Stadt, denn vom ursprünglichen laotischen Leben ist man hier zumindest in der historischen Altstadt weit entfernt. Selbst die rauen, lange so angenehm ungeordneten Tages- und Nachtmärkte haben sich verändert, sind weitgehend zugeschnitten worden auf westliche Bedürfnisse. Aber Vorsicht, es gibt Ausnahmen: Nicht jeder Besucher ist auf den Anblick von gekochten Ratten oder Flughunden eingestellt – oder auf blutige Stümpfe von Ziegenbeinen, die auf die Auslage tropfen.

Tempel in Laos

Patrick Ohligschläger

Tag 2

Der Oberlauf des Mekongs gehört zu den schönsten Flussstrecken der Welt. Unsere Route zwischen Luang Prabang und Vientiane, der Hauptstadt von Laos, ist knapp 500 Kilometer lang – ein Klacks nur im Vergleich zu den fast 5.000 Kilometern, in denen sich die »Mutter aller Flüsse« von den Götterbergen Tibets bis ins Delta von Vietnam windet. Doch es sind abwechslungsreiche 500 Kilometer, das erkennen wir schon nach kurzer Fahrt. Sie werden bestimmt von engen Biegungen, mächtigen Schleusen und raffiniert versteckten Sandbänken. Der Eindruck täuscht allerdings. Was aus unserer Perspektive wie die betuliche Verfilmung von »Das Leben ist ein langer, ruhiger Fluss« wirkt, kann in Wahrheit zu einem echten Abenteuer werden.

Der Mekong hat viele Gesichter: An einigen Stellen ist er 100 Meter tief, an anderen nur einen einzigen Meter. Mal misst er erstaunliche 50 Meter von Ufer zu Ufer, dann wiederum dehnt er sich auf bis zu gewaltige 14 Kilometer aus. Unser Kapitän Huan Chith Ta Phon ist ein kurzer Mann. Er steht auf einem Höckerchen, um freie Sicht auf den Fluss zu haben und die Mekong Sun zu lenken. Das geschieht auf Sicht, keine automatische Navigation steuert unsere Geschicke. Er gehört zu den wenigen Kapitänen, die ein Schiff wie die Mekong Sun überhaupt lenken können.

Schriftliches Kartenmaterial, das helfen könnte, einen sicheren Weg zwischen Stromschnellen und tückischen Sandbänken zu finden, gibt es nicht. Erfahrung und ein Gefühl für die Launen des Mekong sind es, die unseren Kapitän leiten. Und das auch nur tagsüber. Bevor die Dunkelheit einsetzt, muss ein Ankerplatz gefunden werden. Fest kalkulierbare Ziele gibt es nicht. Der Mekong hat ein Eigenleben. Wann wir wo sein werden, ist im Voraus nie genau zu bestimmen.

Captain einer Flusskreuzfahrt in Laos

Patrick Ohligschläger

Am zweiten Abend landen wir irgendwo weit abseits von Spuren menschlicher Zivilisation. Auf einer dünnen Landzunge errichtet unsere Crew ein Lagerfeuer und stimmt zu den Klängen einer schlichten Klampfe laotische Lieder an. Wir kontern mit US-amerikanischen Gassenhauern: »Take me home, country roads.« Ob John Denver geahnt hat, dass sein Song laotischen Matrosen mal eine solche Freude bereiten wird? Die höflichen Gesellen haben jedenfalls so getan.

Tag 3

Wir besuchen ein kleines Dorf: Ban Don Sai Ngam. Seine Bewohner gehören zu den sogenannten Tiefland-Laoten, einer von drei Bevölkerungsgruppen in Laos. Neben ihnen gibt es noch Hochland- und Berghang-Laoten. Im Laufe des letzten Jahrzehnts entwickelte sich im Schatten der prosperierenden Tigerstaaten Thailand, Vietnam und China auch in Laos spürbares Wirtschaftswachstum. Ob sich das in der Lebensqualität der Menschen im winzigen Ban Don Sai Ngam widerspiegelt, ist eine interessante Frage.

Einige Kinder zwischen drei und 13 Jahren erwarten uns vor dem Eingang zum Dorf. Einer aus unserer Gruppe hat Spielzeug dabei, extra für diese Begegnung aus Deutschland durch alle Zollkontrollen geschleppt: Puppen, Steiff-Tiere, ausrangierter Plüsch aus westlichen Altbaustuben. Die laotischen Kinder nehmen die Geschenke erfreut, aber auch sichtlich irritiert entgegen. Teilweise tragen sie Fußballtrikots von Manchester United oder Real Madrid. Die Häuser im Dorf sind einfach, aber solide erbaut, nur der randständige Tempel sieht verwahrlost aus. Der Grund: Der Mönch ist weg. Länger schon, wie wir hören, weitergezogen, weil sich die Gemeinde seinen Unterhalt nicht mehr leisten konnte. Das vermutet jedenfalls Thomas Stukenbrok, unser bedächtiger Guide in allen Fragen der Völkerverständigung auf der Mekong Sun.

der Mekong in Laos

Patrick Ohligschläger

Die Menschen im Dorf leben von der Landwirtschaft. Hier in Ban Don Sai Ngam will uns niemand etwas verkaufen. Einer von uns darf einen seltsamen dreirädrigen Traktor Probe fahren, der eines der wenigen technischen Hilfsmittel zu sein scheint, mit dem die Tiefland-Laoten hier Landwirtschaft betreiben. Das meiste ihrer Ernte verkaufen sie auf einem Markt in der Gegend, davon leben sie. Ban Don Sai Ngam ist kein Show-Dorf, das von Touristen lebt, versichert Thomas Stukenbrok, und es stimmt. Die Menschen dort haben genauso viel Interesse an uns wie wir an ihnen, ohne dass daraus unbedingt ein Geschäft entstehen müsste.

Als wir zurück an Bord gehen, sind wir trotzdem bedrückt. Objektiv sind die Tiefland-Laoten bitterarm. Der Eindruck, den sie auf uns machen, suggeriert allerdings eine gewisse demütige Zufriedenheit. Oder ist es nur unser westlicher Blickwinkel, der uns beruhigt glauben lässt, dass Menschen in diesen Verhältnissen ein gutes Leben führen?

Angestellter einer Kreuzfahrt in Laos

Patrick Ohligschläger

Tag 4

Wäre die Langsamkeit nicht schon von Schriftsteller Stan Nadolny entdeckt worden, nach dieser Reise hätte ich mich auch dafür bewerben können. Seit Tagen schweben wir nun bereits im stillen Wasser durch den laotischen Teil des Mekongs und hängen unseren Gedanken nach. Wenn wir nicht gerade von der Crew der Mekong Sun mit traditionellem Thai-Food bedient oder von unserem »Hoteldirektor« Thomas Stukenbrok auf die Eigenheiten asiatischer Lebensart hingewiesen werden, schauen wir immer wieder still und staunend hinaus auf den umbrabraunen Fluss und schweben in gefühlter Zeitlupe durch die Landschaften Südostasiens. Das kraftvolle, zweimal 550 PS starke Tier tief im Rumpf unseres Boots unterlegt dieses exotische Bühnenbild mit dumpfem Brummen.

am Ufer des Mekong auf einer Flusskreuzfahrt in Laos

Patrick Ohligschläger

Hinter jeder Biegung des Flusses taucht ein neues Szenario auf: Dschungelidyllen an hoch aufragenden Ufern. Hügelige Lehmkaskaden neben rissigen, brachial in Sand und Stein geschlagenen Treppenstufen ins Nichts. Verwitterte Hütten aus Holz, die schon jahrelang niemanden mehr beherbergt haben dürften. Dazu immer wieder vereinzelt Menschen, die in gebückter Haltung aus der Entfernung so verloren wirken wie Dschunken in stürmischer Brandung. Der Mekong ist ein mächtiger Fluss, der alles um sich herum an den Rändern übermalt.

Nach vier Tagen endet unsere Reise in Vientiane, der Hauptstadt von Laos. Im Gegensatz zum schicken Luang Prabang versprüht Vientiane den Charme einer staubigen Provinzstadt. Vom exotischen Zauber unserer Schiffspassage auf dem Mekong ist hier nichts mehr zu spüren. Wehmütig lassen wir die eindrucksvollen Bilder der letzten Tage noch einmal vor unserem geistigen Auge ablaufen, bevor uns ein Flugzeug nach Bangkok bringt.

Gemüse auf einem Markt in Laos

Patrick Ohligschläger

Der Moment, in dem wir in den berühmten Pak-Ou-Höhlen neben den Tausenden von erhabenen Buddhastatuen auch die eine Figur entdecken, die lacht wie ein Kobold auf Ecstasy, und der uns beweist: Buddha hat Humor. Auch der Moment, in dem wir Grillen vom Grill probieren und die Stinkefrucht Durian (keine gute Idee). Der Moment, in dem uns laotische Tänzerinnen Leinenbändchen umlegen, um böse Geister zu vertreiben. Und die perfekten Momente natürlich, die wir still und beinahe andächtig am Oberdeck der Mekong Sun verbringen, während diese magische Flusslandschaft in Zeitlupe an uns vorüberzieht und uns wehmütig und glücklich zugleich macht. Mehr als auf dem Mekong werden wir über das Wesen der Melancholie vermutlich nie erfahren.

Skyline am Mekong

Patrick Ohligschläger

Mehr Infos zu einer Kreuzfahrt auf dem Mekong

Anreise

Von Frankfurt a. M. und München gibt es Direktflüge in die thailändische Hauptstadt Bangkok. Von dort sind es weitere eineinhalb Flugstunden bis Luang Prabang. Zurück fliegt Lao Airlines von Vientiane nach Bangkok.

Einreise Für Laos wird ein Visum benötigt. »Visa-on-arrival« wird am Flughafen ausgestellt und kostet rund € 38.

Flusskreuzfahrten

Lernidee Erlebnisreisen betreibt die zwei Boutique-Schiff e Mekong Sun und Mekong Pearl auf dem oberen Mekong. 14 beziehungsweise 15 Kabinen bieten Platz für 28 beziehungsweise 29 Personen. Besonders beliebt ist die Reise »Orchidee« vom Goldenen Dreieck über Luang Prabang bis nach Vientiane oder umgekehrt. Sie dauert 14 Tage (zehn Tage Schiff sreise) und ist ab € 4.400 buchbar. Im Reisepreis sind Flüge ab/bis Deutschland sowie sämtliche Mahlzeiten enthalten.

Währung

In Laos wird in laotischen Kip gezahlt. Ein Euro entspricht rund 19.000 Kip.

Brautpaar in Laos

Patrick Ohligschläger