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Einst Trendziel, jetzt Tourismusflaute. Seit dem brutalen Überfall der Terrormiliz Hamas und dem seitdem andauernden Krieg kommen kaum noch Urlauber nach Israel. reisen EXCLUSIV-Redakteurin Jana war vor Ort und hat sich ein Bild der Lage gemacht. 

Shahar arbeitete jahrelang als Hotelconcierge, empfahl Gästen Restaurants, liebte es, Menschen aus aller Welt kennenzulernen. Nun ist er arbeitslos. Der Tourismus in Israel liegt brach. »Erst die Corona-Pandemie, jetzt der Krieg, das war einfach zu viel für die Branche«, erzählt er mir, während wir am Gordon Beach in Tel Aviv sitzen und den wenigen Strandbesuchern beim Planschen zuschauen. Fast alle sind Israelis.

Die spontane Unterhaltung am Meer ist nicht die einzige während meines Aufenthalts. Woher ich komme, wollen die Leute wissen. Und wieso ich in diesen Zeiten in Israel bin. Klar, die letzte Frage liegt auf der Hand. Das Auswärtige Amt rät wegen des seit Oktober 2023 anhaltenden Kriegs derzeit von Reisen nach Israel ab. Vor Aufenthalten im Gazastreifen, im Westjordanland (mit Ausnahme von Ostjerusalem), im Norden des Landes (nördlich der Straße 85) sowie in dem um den Gazastreifen wird gewarnt.

Und wäre mein Partner nicht aus beruflichen Gründen von einer NGO nach Israel eingeladen worden, ich hätte mir wohl ein anderes Urlaubsziel ausgesucht. Aber jetzt bin ich hier, zum dritten Mal, und ich bereue die Entscheidung nicht. Auch wenn meine Emotionen Pingpong spielen.

Strand in Tel Aviv in Israel, aufgenommen im September 2025.

Ein Strand in Tel Aviv. | Foto: Jana Freiberger

Die Einreise nach Israel

Schon bei der Ankunft am Flughafen Ben Gurion weiß ich nicht, wohin mit mir. Da ist Freude über die Rückkehr in das Land, mit dem ich unzählige schöne Erinnerungen verbinde. Betroffenheit beim Anblick der in der Ankunftshalle ausgehängten Bilder der verschleppten Geiseln. Aber auch beim Gedanken an die vielen zivilen Opfer in Gaza. Und Unsicherheit, weil ich kaum einschätzen kann, was mich in den kommenden Tagen erwartet. 

Immerhin läuft die Einreise nach Israel einfacher ab als gedacht. Die Kontrollen am Flughafen sind berüchtigt, die Befragungen oft langwierig, aber uns wird kaum Beachtung geschenkt. Ob wir zusammen reisen, werden wir gefragt. Und dann einfach zum Ausgang geschickt. So leicht war die Einreise nach Israel noch nie – und das in Kriegszeiten. Das einzige, was Besucher seit dem 1. Januar 2025 zusätzlich brauchen, ist eine elektronische Einreisebestätigung (ETA-IL), die vor dem Abflug beantragt werden muss.

Viel Treiben in Tel Aviv

Wir verbringen die ersten Tage in einem Hotel in Tel Aviv. Stehen wir auf unserem Balkon, sehen wir links Strand und Meer, rechts die Skyline der Metropole. Im Hotel herrscht viel Betrieb, zum größten Teil Businessleute. So viel Treiben wird uns in den weiteren Unterkünften nicht mehr begegnen, meist sind wir sogar die einzigen Gäste.

Restaurants und Cafés in Tel Aviv sind geöffnet, und gut besucht. Einige meiner ehemaligen Lieblingsläden sind allerdings dauerhaft geschlossen. Überall in der Stadt sind Plakate und Bilder zu sehen, die Geiseln zeigen, die noch immer in den Händen der Terrormiliz Hamas sind. Am Strand ist regelmäßig das ratternde Geräusch von Militärhubschraubern zu hören, die übers Mittelmeer fliegen. Aber unterm Strich ist die Stadt das, was sie schon immer war: pulsierend, hip, liberal.

Unterwegs im Szeneviertel Neve Tzedek in Tel Aviv.

Unterwegs im Szeneviertel Neve Tzedek in Tel Aviv. | Foto: Hendrik Wieduwilt

Alarm in Jerusalem

Im mit dem Zug 30 Minuten entfernten Jerusalem sind die Veränderungen im Land seit meinem letzten Besuch im Sommer 2022 deutlicher zu spüren. Die Gassen der Altstadt, durch die sich einst die Touristenmassen drängten, sind verwaist. Einige Shops mussten schließen, andere haben ihr Sortiment angepasst und verkaufen statt Souvenirs nun Waren für die Einheimischen. Im jüdischen Viertel prangt ein riesiges Plakat mit der Aufschrift »Make Gaza Jewish again!« (Macht Gaza wieder jüdisch!). Die furchtbaren Bilder aus Gaza vor Augen macht sich in mir bei dem Anblick ein beklemmendes Gefühl breit. Blaue Aufkleber, auf denen in weißer Schrift »Finish them!« (Macht sie fertig!) steht, sind überall in der Stadt zu finden.

Auch auf dem Mahane-Yehuda-Markt. Offen ausgetragene politische Debatten gibt an diesem Ort allerdings nicht. Hier geht’s ums Geschäft. Nicht um Politik. Jüdische und palästinensische Israelis arbeiten hier Stand an Stand. Ein Gewürzladen wird von einem Iraner betrieben. Gegenüber verkaufen Äthiopier landestypische Produkte wie Kaffee, Gewürze und Injera. In den schmalen Gassen und am Rande des Markts befinden sich viele, kleine Restaurants. Ein paar Empfehlungen am Rande: das »Morduch«, wo die leicht säuerliche Hamusta-Kube-Suppe ein Muss ist, die »Hachapuria«, die georgische Gerichte serviert, und das »Azura«, bekannt für seine Schmorgerichte, Kibbeh und Hummus.

Schmorgerichte im »Azura« in Jerusalem.

Schmorgerichte im »Azura« in Jerusalem. | Foto: Jana Freiberger

Schrillt der Alarm über der Stadt, ist es aber auch hier mit der gelassenen Stimmung vorbei. An einem Abend leuchtet plötzlich eine Nachricht der »Home Front Command«-App auf meinem Handydisplay auf. Wir sind gerade in der Jerusalemer Altstadt. »Rocket and missile fire. Enter the Protected Space in Jerusalem-East. Time of arrival to the protected room One and a half minutes.« (Auf Deutsch: Raketen- und Flugkörperbeschuss. Betreten Sie den geschützten Raum in Jerusalem-Ost. Ankunftszeit im geschützten Raum: eineinhalb Minuten.) Wir machen das, was die Israelis um uns herum tun, und stellen uns mit dem Rücken an die Stadtmauer. Der Alarm heult auf, nach wenigen Minuten ist es wieder still. Zum Glück bleibt es für uns bei diesem einen Alarm. Aber wer sich derzeit in Israel aufhält, muss sich der Gefahr bewusst sein. Und sich auf einen Alarm einstellen, egal, wo im Land man sich aufhält.

Falafel und Fisch in Akko

Wie eine Art Alarm muss es auf die Bewohner der Hafenstadt Akko auch wirken, als wir unsere schweren Rollkoffer über das Kopfsteinpflaster zerren. Bei unserer Ankunft wirkt der Ort im Norden Israels wie ausgestorben. Aber auch sehr friedlich.

Wir verbringen hier die entspanntesten Tage unseres Aufenthalts. Essen morgens Falafel auf dem Souk, hängen stundenlang am Strand herum und lassen es uns einen Abend im bekannten Fischrestaurant »Uri Buri« gut gehen. Ab Tag zwei unseres Aufenthalts, an Schabbat, ist auf den Straßen auch mehr los. Viele Israelis sind gekommen, um den freien Tag in Akko zu verbringen. Auch einige ausländische Touristen sind da.

In Akko gähnt eine Katze.

In Akko suchen alle Besucher nach Entspannung. | Foto: Jana Freiberger

Trotzdem sind die Speedboote, die in Akko in großer Anzahl übers Meer flitzen, nur spärlich besetzt. Und in den Restaurants im Ort bleiben viele Tische unbesetzt. Wie in Tel Aviv kämpft die Tourismusbranche auch hier ums Erleben. Das Hostel, in dem ich übernachtete, als ich zum ersten Mal in Akko war, musste bereits schließen. So wie viele andere im ganzen Land.