Traumhafte Küsten, faszinierende Tierwelten, außergewöhnliche Naturspektakel – es gibt viele Gründe, sich Westaustralien genauer anzusehen. reisen Exclusiv-Autor Harald Braun ließ sich beim Roadtrip durch Westaustralien nicht hetzen.

Die Frage, die mir als bedingungsloser Down-Under-Fanboy immer wieder gestellt wird, lautet: Was will der Europäer in Australien? Eine Reise, einmal um den Globus, fast einen Tag reine Flugzeit, um da unten am anderen Ende der Welt vermeintlich doch nur ein paar ausgebürgerte Engländer, Haie und Giftschlangen zu begrüßen? Ernsthaft? Genau diese Frage habe ich mir damals auch gestellt. 1992 war das und ich im Prinzip unwillig, mir solch eine Tortur zuzumuten. Little did I know.

Am Set von »Frauds«: Wie die Freundschaft mit Phil Collins begann

Phil Collins ist schuld daran, dass ich seitdem am liebsten jedes Jahr nach Australien reise. Damals drehte der Popsänger nebenbei Filme, vermutlich erinnert sich kaum jemand daran. Einer dieser heute, sehr zu Recht, vergessenen Streifen hieß »Frauds«. Jedenfalls sandte mich ein deutsches Filmmagazin 1992 nach Australien, um ein Interview mit Phil Collins am Set von »Frauds« zu führen. Ohne große Begeisterung reiste ich los, dank Billigticket dazu verpflichtet, mindestens 14 Tage vor Ort zu bleiben. Collins aber erwies sich als angenehmer Zeitgenosse mit viel Tagesfreizeit, denn so ein Filmdreh ist ja in Wahrheit nichts anderes als Abwarten auf ziemlich teurem Niveau.

Spaziergang auf Rotnest Island

Spaziergang auf Rotnest Island I Foto: Tourism Western Australia

Der Traum vom Leben in Australien

Collins wurde nicht müde, mir die Vorzüge seines neu entdeckten Lieblingslands in den wärmsten Farben auszumalen. Klar, dachte ich zuerst, der Mann kommt aus Chiswick, einem Vorort von London, der findet vermutlich sogar Fulda prima. Ich glaubte ihm nicht, vom Jetlag geplagt und von der weiten Anreise genervt. Doch nur wenige Tage später redeten wir beide nur noch darüber, dass Australien vermutlich der lässigste Ort der Welt sei. Geschichten von über 300 Sonnentagen im Jahr, von bezaubernden Inseln, von malerischen Stränden, vor allem aber von angenehm lebenslustigen Menschen machten die Runde; von Menschen, die wissen und genießen, dass sie an einem Ort der Welt gelandet sind, mit dem es der liebe Gott gut gemeint hat – oder wer auch immer dafür verantwortlich war.

Wir nahmen uns beide damals vor, irgendwann einmal in Australien zu leben. Und sei es nur für ein Jährchen oder zwei. Danach trennten sich unsere Wege. Phil Collins wurde ein noch größerer Superstar, aber soviel ich weiß, hat er es nur zu drei gescheiterten Ehen gebracht, aber keinem Wohnsitz in Australien.

Und was mich angeht: Schleswig-Holstein. Ich habe immer wieder einmal daran gedacht, nach Australien auszuwandern, und habe schon viele Regionen dieses außergewöhnlichen Lands besucht: Tasmanien, Great Barrier Reef, Melbourne oder Sydney. Nie bin ich enttäuscht worden. Mit jedem Besuch wurde meine Sehnsucht größer, den eigenen Lebensmittelpunkt ans andere Ende der Welt zu verlagern. Und dabei kannte ich lange Zeit Westaustralien noch gar nicht, einer der schönsten Flecken dieser Erde. Was für ein Versäumnis.

Perth: Die wohl gechillteste Metropole Ozeaniens

Ich nehme es vorweg: Diese sanfte, beinahe romantisch anmutende Region kann es in Sachen lichter Schönheit und angenehmer Lebensart mit Sydney oder Melbourne locker aufnehmen. Ist aber dazu noch deutlich entspannter. Das beginnt schon in Perth, der wohl gechilltesten Metropole Ozeaniens. Die Stadt liegt »nur« 18 Stunden Flugzeit entfernt, wenn man in Deutschland in den Flieger steigt. Wer an die beliebte Ostküste Australiens will, muss fünf weitere Stunden drauflegen. Perth aber lassen wir diesmal links liegen und wenden uns gleich den vielfältigen Versuchungen zu, die Westaustraliens Natur (und Kulinarik!) in der Margaret River Region zu bieten hat.

Tasting in der Eagle Bay Brewing Company

Tasting in der Eagle Bay Brewing I Foto: Tourism Western Australia

Erster Stopp: Eagle Bay Brewing. Dabei handelt es sich um eine Craftbeer-Brauerei am Cape Naturaliste, die von australischen Brüdern betrieben wird und sich seit Jahrzehnten größter Beliebtheit in der Region erfreut. Der Grund: Das Gelände, auf dem die Eagle Bay Brewing zu finden ist, würde sich auch als Werbespot für »Grüner Wohnen« in Verbindung mit einem Fine-Dining-Restaurant eignen. Ein wunderschöner Ort, an dem die vielbesungene und in diesem Fall auch selbst produzierte Hopfenkaltschale mit gehobener Pubküche kombiniert wird. Von dort aus fährt man nur noch 30 Minuten bis zur ersten spektakulären Übernachtung auf diesem Trip.

Täglich klopft das Känguru

Das Willow Wood Glamping Retreat befindet sich in der Nähe von Busselton in Ambergate. Wer schon immer mitten in der Nacht von einem neugierigen Känguru durchs transparente Zeltplastikfenster gemustert werden wollte, ist hier genau am richtigen Ort. Auf dem Areal des Resorts ist es wunderbar ruhig und einsam, kein Mensch weit und breit, dafür jede Menge Wildlife. Man hat eben viel Platz und wenig Nachbarn in Australien. In klaren Nächten hängt der Sternenhimmel über den luxuriösen Zelten des Glamping-Areals wie die glitzernde Beleuchtung einer geheimnisvollen Jahrmarktattraktion. Besser aber, man vergisst die Taschenlampe nicht, wenn man nach Einbruch der Dunkelheit das Gelände in Ambergate verlässt.

Willow Wood Glamping Retreat

Foto: Willow Wood Glamping Retreat

Und das Gelände in Ambergate muss man verlassen, schließlich möchte man ja mit den Brüdern Ryan und Michael White von South West Eco Discoveries die Woylies Evening Tour mitmachen. Das muss man sich so vorstellen wie eine Nachtwanderung früher bei den Pfadfindern. Die beiden Guides in ihren schneidigen kurzen Hosen führen ihre Gäste in eine Art Buschland und bauen mittendrin eine Futterstelle auf. Es dauert keine zwei Minuten, da versammeln sich die hiesigen Kängurus, Opossums und anderes Kleingetier zu einem fröhlichen Sit-in, fressen den entzückten Besuchern aus der Hand und lassen sich im Gegenzug gerne zu einem Selfie überreden.

Exotische Tiere, soweit das Auge reicht

Highlight hier sind die Mini-Marsupials, bekannt auch als Woylies. Die Whites wissen alles über Aufzucht, Pflege und Vorkommen aller möglichen Pflanzen und Tiere im Yelverton Brook Conservation Sanctuary, in dem ihre Touren stattfinden. Behalten davon habe ich auch etwas, nämlich: Die niedlichen Mini-Marsupials werden auch Kung-Fu-Quokkas genannt. Das behaupten die Whites. Ich bin skeptisch. Gekämpft haben die putzigen Geschöpfe kein Stück, erkennbar war nur ihr großer Appetit.

Whale Watching vor der Küste von Dunsborough

Whale Watching vor der Küste von Dunsborough I Foto: Tourism Western Australie

Überhaupt, diese Tierbeobachtungen. Es gibt Menschen, die eine Reise nach Australien ablehnen, weil ihnen die Tierwelt da unten nicht geheuer ist. Haie, Krokodile, Schlangen, Quallen oder Giftspinnen sollen dort, glaubt man den Gerüchten, jährlich ganze Landstriche ausrotten.

Die Wahrheit ist: Die Tierwelt Westaustraliens ist so vielfältig, exotisch und großartig wie sonst fast nirgends auf der Welt, aber im Prinzip völlig ungefährlich.

Jedenfalls wenn man die jährlichen Todesziffern berücksichtigt. 83 Menschen sind 2018 in ganz Australien ums Leben gekommen – und zwar, indem sie aus dem Bett gefallen sind! Kein Witz. Dagegen gab es im gleichen Jahr nur 17 Todesfälle durch Kontakt mit gefährlichen Tieren und Pflanzen in Australien. Ein Krokodil war nicht beteiligt, dafür aber in neun Fällen Bienen. Aktuelle Zahlen dazu habe ich leider in der Untersuchung »Leading causes of death in Australia« nicht gefunden. Das nur als kleiner Hinweis für die Skeptiker, die Australien für eine Art Todeszone halten.

Selfie mit Quokkas auf Rottnest Island

Selfie mit Quokkas auf Rottnest Island / Foto: Tourism Western Australia

Westaustralien: Ein überragendes Freiluftgehege

Westaustralien wirkt eher wie ein überragendes Freiluftgehege. Kung-Fu-Quokkas haben wir ja schon kennengelernt, die »wahren« Quokkas leben aber auf Rottnest Island gleich bei Perth und sind international gefragte Instagram-Stars. Mit Naturaliste Charters bewegen wir uns in Dunsborough auf den Spuren von Buckel- und Blauwalen, und auch wer Delfine oder Robben spotten möchte, wird an erstaunlich vielen Orten fündig.

Dass an dieser Stelle nicht ständig über hiesige Traumstrände gesprochen wird, hat übrigens nur einen Grund: Es gibt so viele davon, dass sie nach ein paar Tagen einfach hingenommen werden wie Palmen in Florida. Schön zwar, aber fast nur noch Kulisse.

Kängurus an der Lucky Bay in Westaustralien

Kängurus an der Lucky Bay in Westaustralien I Foto: Hideaki Edo Photography/Shutterstock.com

Das ist natürlich unfair, vor allem, wenn man sich dann zurück in der Heimat mit offenem Mund die Fotos der Lucky Bay im Nationalpark Cape Le Grand ansieht. Hier teilt man sich den Strand am frühen Morgen mit Kängurus, die auf einen Dip-in im Meer vorbeikommen. Tipp: Frühzeitig einen der begehrten Plätze auf dem Campingplatz am Strand buchen, das Strandschauspiel hier ist jeden Tag aufs Neue eine Sensation.

Surfen am Redgate Beach

Geschmeidig-elegant auch der weitläufige Redgate Beach in der Nähe von Margaret River. Hier treffe ich Artur, 32, der als Surflehrer für die Margaret River Surf School arbeitet und nach seinem Sportstudium in Köln seit fünf Jahren an diesem Ende der Welt lebt. Im Grunde führt der braun gebrannte Dreadlock-Surfer mein Leben. Nur in jung und besser aussehend. Er bietet mir an, gemeinsam ein paar Wellen auf dem Brett mitzunehmen, aber bevor ich ihn aus Neid und Missgunst auf dem Wasser ertränke, lehne ich lieber ab. Besser fürs Karma. Außerdem habe ich Pläne.

Redgate Beach in der Region Margaret River in Westaustralien

Redgate Beach in der Region Margaret River in Westaustralien / Foto: Tourism Western Australia

Ich möchte mich einem weiteren wichtigen Argument für eine ausgedehnte Reise nach Westaustralien zuwenden: der Kulinarik. Essen und Trinken! GENUSS! Ein Besuch in der Region um Margaret River ohne Weinverkostung wäre keine gute Idee: Das rund 100 Kilometer lange Gebiet zwischen Augusta im Süden und Cape Naturaliste im Norden ist nicht nur das Land der perfekten Wellen und exotischen Tierwelten, sondern auch ein charmantes Weinanbaugebiet, in dem viele feine Tropfen in liebevoller Handarbeit produziert werden.

Das Swings & Roundabouts in Yallingup

Zahlreiche Eco-Wineries bieten neben dem Tasting ihrer Weine auch einen superben Lunch an – in diesem Teil des Lands dürfte man es vermutlich schwer haben, irgendwo nicht gut zu essen und zu trinken. Im Swings & Roundabouts in Yallingup zum Beispiel ist die im Holzofen hergestellte Pizza der Favorit der meisten Gäste, aber auch die Prawns oder der zünftige Schweinebauch machen sich auf den Tellern des auch architektonisch spektakulären Weinguts ganz hervorragend. Man sollte allerdings aufpassen, dass man anschließend keine allzu anstrengenden Outdooraktivitäten mehr auf dem Zettel hat.

Die grandiose Fatbike-Tour im wunderbaren Boranup Forest beispielsweise verlangt nach einem Körper, der nicht ausschließlich mit der Verstoffwechselung der Speisen des Swings & Roundabouts beschäftigt ist. Auch eine dreistündige Fahrradtour wie die Mandurah Giants Bike Tour verlangt vollen Körpereinsatz. Zumal man auf diese Weise auch Mandurah gut kennenlernt, ein Städtchen, das erst im letzten Jahr zum besten touristischen Ort in Westaustralien gekürt wurde. Das liegt möglicherweise auch an den sogenannten »Giants«, die wir im Rahmen der Tour besuchen.

Es handelt sich dabei um mächtige Skulpturen aus Holz, die der dänische Künstler Thomas Dambo in Mandurah an verschiedenen Punkten des Orts erbaut hat und die längst zu Publikumsmagneten geworden sind.

Noch mindestens bis 2026 werden sie in Mandurah bleiben. Aber wir waren ja gerade beim Essen und den herrlichen Weingütern der Region.

bei der Mandurah Bike Tour

Mandurah Bike Tour I Foto: Studio Ralf Gellert

Vanya Cullen – die ungekrönte Weinkönigin der Margaret River Region

Da darf natürlich auch der Hinweis auf Vanya Cullen nicht fehlen, die ungekrönte Weinkönigin der Margaret River Region. Neben dem Weingut führt sie ein biodynamisch betriebenes Fine-Dining-Restaurant auf einem beeindruckenden Areal, das vom eigenen Gemüsegarten dominiert wird. Herrlich.

Am folgenden Tag besuchen wir schließlich noch Glenarty Road, ein wunderbares Farm-to-Table-Restaurant in Karridale, nur rund 25 Minuten von Margaret River entfernt. Seit fünf Generationen wird hier Obst und Gemüse angebaut und feiner Wein hergestellt. Und das alles in diesem »Kunterbunt & Wildwuchs«-Setting, das unglaublich gesund und auch ein wenig anarchisch wirkt.

Zu Besuch im Farm-to-Table Restaurant Glenarty Road

Zu Besuch im Farm-to-Table Restaurant Glenarty Road I Foto: Amy Dyson

Hier ist nichts auf schick getrimmt, sondern wirkt stattdessen erdig-ehrlich und auf eine anrührende Weise nostalgisch. Ganz so, wie ich Westaustralien in seinen schönsten Ecken und Momenten kennengelernt habe.

Mehr Infos zu Westaustralien

Gute Flüge: Mit Qantas Airways ab Frankfurt a. M. geht’s täglich über Dubai nach Perth.

Hotel: Willow Wood Glamping Retreat. Riesige Zelte mit allem, was man auch von einem guten Hotel erwartet. Nur halt mitten in der westaustralischen Natur. Grandios. DZ ab € 223,

Mehr Infos liefert Tourism Western Australia.

Weingüter im Süden von Westaustralien

Weingüter im Süden von Westaustralien I Foto: Denni Van