Schreck bei der Ankunft am Flughafen: Die Schlangen am Check-in-Schalter und den Sicherheitskontrollen sind furchtbar lang. Was tun? Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) entschied nun: Verpasst ein Fluggast infolge überlanger Wartezeit an der Sicherheitskontrolle des Flughafens seinen Flug, kann er Entschädigung für entstandene Kosten des Ersatzflugs verlangen.
Manch einer dürfte beim Betreten der Abflughalle erleichtert sein, wenn er feststellt, dass vor den Check-in-Schaltern der Airline gähnende Leere herrscht. Dann bleibt einem das Stehen in der Schlange erspart, und man hat noch Zeit, sich einen Kaffee zu gönnen oder in Ruhe die Sanitäranlagen aufzusuchen.
Umgekehrt, bei einer Schlange am Check-in-Schalter, ist dagegen nicht nur der Frust über die drohende Warterei groß. So manch einen Passagier dürfte die Angst beschleichen, womöglich den Flieger zu verpassen, wenn es nicht zügig vorangeht – und das, obwohl man rechtzeitig am Flughafen erschienen ist. Nur: Was tun in einer solchen Situation? Warten und darauf hoffen, dass die Airline-Mitarbeiter erfahren sind und die Schlange am Check-in-Schalter richtig einschätzen? Oder sich doch lieber bemerkbar machen und darauf hinweisen, dass der Flug doch sehr bald abheben soll?
Gerichtsurteil: Entschädigung bei verpasstem Flug
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hatte es mit einem ähnlichen Vorgang zu tun. Hier ging es allerdings nicht um die Schlange am Check-in-Schalter der Airline, sondern um jene an den Sicherheitskontrollen. Es billigte den Schadensersatzanspruch von Klägern, die aufgrund einer langen Schlange an der Sicherheitskontrolle ihren Flug verpassten. Darum ging es:
Die Kläger wollten vom Frankfurter Flughafen in die Dominikanische Republik fliegen. Die Abflugzeit war 11:50 Uhr. Das Boarding begann eine Stunde früher, um 10:50 Uhr. Das Gate schloss um 11:30 Uhr. Und in dieser Zeit passierte das Malheur: Die Kläger passierten wegen einer langen Schlange die Sicherheitskontrolle zu spät. Das Boarding war bereits abgeschlossen, als sie den Flugsteig erreichten. Sie verlangten von der Bundesrepublik Deutschland Entschädigung für die entstandenen Kosten der Ersatztickets sowie der zusätzlichen Übernachtung. Sie behaupteten, dass die Sicherheitskontrolle nicht ausreichend organisiert gewesen sei. Es sei zu unzumutbaren Wartezeiten gekommen. Das OLG gab ihnen nun recht.
Die Kläger müssten sich zwar grundsätzlich auf die Kontrolle und deren Dauer, die erhebliche Zeit in Anspruch nehmen könne, von vornherein einstellen. Aber:
»Ein Fluggast muss sich aber nicht auf eine beliebige Dauer einstellen, sondern darf sich nach den Empfehlungen des Flughafenbetreibers oder Vorgaben der Fluggesellschaft richten«, urteilte das OLG.
Schließlich seien die Kläger rechtzeitig erschienen. Gemäß den Empfehlungen des Frankfurter Flughafens für internationale Flüge sollten sie sich zwei Stunden vor Abflug zum Check-in einfinden. Die Kläger hätten unstreitig den Check-in bereits um 9 Uhr absolviert. Von dort hätten sie sich nach Bekanntgabe des Gates zur Sicherheitskontrolle begeben und in die dortige Warteschlange spätestens um 10 Uhr eingereiht. Auch dies sei rechtzeitig gewesen. Bis zum Ende der Boardingzeit verblieben um 10 Uhr noch 90 Minuten. Es gebe keine dem Senat bekannten Hinweise oder Erfahrungswerte, dass dieser Zeitraum nicht hinreiche.
Tipp: Foto von der Schlange machen
Kann man sich darauf also in Zukunft immer auf das Urteil verlassen? Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte alle Verspätungen am Flughafen dokumentieren, so weit das möglich ist. Rechtsanwalt und Reiserechtsexperte Holger Hopperdietzel jedenfalls empfiehlt mit Blick auf zu lange Schlangen am Check-in-Schalter der Airlines: »Nach der einschlägigen Rechtsprechung muss man als Passagier, wenn man den Eindruck hat, dass man aufgrund einer sehr langen Schlange möglicherweise die Check-in-Zeit verpasst, Vorkehrungen treffen, um nicht möglicherweise auf Kosten für einen Ersatzflug sitzen zu bleiben«, erläuterte er vor einiger Zeit reisen EXCLUSIV. Wichtig sei zunächst, festzuhalten, wie viele Schalter geöffnet sind und wie viele Flüge an diesen Schaltern abgefertigt werden.
Daneben sei es wichtig, festzuhalten, wann man tatsächlich zum Check-in gelangt sei und wie sich die Situation vor Ort dargestellt habe.
»Da heutzutage fast jedermann ein Smartphone bei sich führt, ist es keine Schwierigkeit, die Situation vor Ort fotografisch festzuhalten, um dann gegebenenfalls dem Gericht einen Eindruck von den Menschenmengen zu vermitteln«,
empfiehlt Hopperdietzel. Nach der Rechtsprechung einiger Gerichte sei es erforderlich, dass man sich beim Personal meldet und darauf hinweist, dass der eigene Abflug in bedrohliche Nähe rücke, um somit eine vorrangige Abfertigung zu erzielen. »Nur wenn das dann verweigert wird, hat der Fluggast Chancen, wegen des Verpassens des Fluges Entschädigung oder Schadensersatz zu erhalten«, so Hopperdietzel.
»Abfertigungsschalter ständig mit Passagieren belegt«
Weiter führt der Anwalt aus: »Früher öffneten die Fluggesellschaften für jeden Flug separate Schalter mit der Folge, dass die Schlangen umso kürzer wurden, je näher der Abflugzeitpunkt kam. So hatte auch der spät ankommende Fluggast noch die Chance, abgefertigt zu werden. Derjenige, der zwei Stunden vor geplantem Abflug zum Check in erschien, wusste, dass in seiner Schlange nur Passagiere seines Fluges anstanden. Die wirtschaftliche Folge dieser Organisation der Abfertigung war es aber, dass viel Check-in-Personal bei mehreren abzufertigen Flügen benötigt wurde, das zudem mit herannahendem Abflug nur mit Warten auf die letzten Fluggäste beschäftigt war.«
Heutzutage öffneten die Fluggesellschaften weniger Schalter und ließen an jedem Schalter die Abfertigung aller Flüge zu. »Die Folge ist, dass die Abfertigungsschalter ständig mit Passagieren belegt sind und der Fluggast, der bei einem vorgesehenem Abflug um 14:00 Uhr gegen 12:00 Uhr zum Schalter gelangt, damit rechnen muss, dass schon 200 Fluggäste für einen Flug mit Abflug um 14:15 Uhr vor ihm in der Schlange stehen, die seine zügige Abfertigung blockieren«, so Hopperdietzel.
Für die Fluggesellschaften habe das den wirtschaftlichen Vorteil, dass sie weniger Schalter öffnen müssten, das spare einerseits Schaltermiete am Flughafen und andererseits Personal. Das wenige Personal, das dann eingesetzt werden müsse, sei ständig mit Abfertigungsarbeiten betraut, da an die wenigen geöffneten Schalter Passagiere für alle Abflüge anstünden, sodass es an einem einzelnen Abfertigungsschalter keine kurzen oder abgearbeiteten Schlangen mehr gebe.
Aus diesem Grund könne man jeden Fluggast nur empfehlen, von den Möglichkeiten des Online-check-in Gebrauch zu machen, denn die Abgabe des Gepäcks die dann nur noch erforderlich ist, benötige wesentlich weniger Zeit, so Hopperdietzel.