Die Amhara-Region in Äthiopien gehört zu den abwechslungsreichsten Regionen Afrikas. Auf dem höchstgelegenen See des Kontinents wandelt man auf den Spuren von Mönchen und Klöstern, in Gonder ist es die Kaiserstadt, die bezaubert. Und ganz nebenbei leuchtet Afrika in den schillerndsten Farben. Text: Andreas Dauerer
Es war nicht Bedeles Schuld. Und auch nicht die Harars, Batis oder St. Georges, dass wir etwas später als geplant im wackligen Kahn sitzen, hier in der Amhara-Region in Äthiopien. Wir wollen auf den Tanasee kommen. Diese Biersorten nämlich wurden zwar allesamt probiert am Vorabend in Bahir Dar, aber es ist dann doch der betagte Yamaha-Motor unseres wackligen Bootes, der partout nicht anspringen will. Doch nach ein paar geduldigen Handgriffen des Skippers tuckern wir langsam über das braune Wasser von Afrikas höchstgelegenem und gleichzeitig Äthiopiens größtem See.
Bekannt ist der Tana jedoch nicht für seine Lage 1830 Meter über dem Meeresspiegel, sondern für seine vielen Klöster. Die meisten von ihnen wurden im 16. und 17. Jahrhundert errichtet, als orthodoxe Christen und Moslems um die religiöse Vorherrschaft in der Gegend stritten und die Mönche Schutz auf den Inseln suchten. Heute sind sie ein beliebtes Ausflugsziel der Touristen, da dort die Zeit fast vollständig stehen geblieben ist und man dort die berühmten Wand- und Stoffmalereien bewundern kann.
Unser Ziel in der Amhara-Region in Äthiopien: die Halbinsel Zeghe
Doch ehe wir an der Halbinsel Zeghe anlegen, ist noch etwas Geduld gefragt. Das Röcheln des Zweitaktmotors begleitet uns ebenso wie die typischen Tankwas, einheimische Papyrusboote, die gleichermaßen als Last- und Transportmittel dienen. Sind sie mit Menschen, Brennholz oder Fisch vollgeladen, dann wird aus einer Halbtages- schnell eine Ganztagesreise. Kommen wir schon sehr langsam voran, scheinen die kleinen Boote trotz kräftigen Einsatzes der schweren Holzpaddel beinahe im Wasser stecken zu bleiben. So muss es für die Fahrer der Tankwas jedes Mal aufs Neue eine Herausforderung sein, den Weg in die Provinzhauptstadt zu meistern.
Eine knappe Stunde später legen wir mit der kleinen Gruppe am Ufer an. Wir wollen die letzten Minuten der Messe miterleben, die bereits seit Mitternacht in vollem Gange ist. Die ersten Stunden sind für die Mönche reserviert, doch dann versammeln sich mehr Menschen auf der Wiese vor der Kirche und wohnen der Zeremonie bei, die bis nach Sonnenaufgang dauert. Viele Gläubige aus der Amhara-Region in Äthiopien sind anwesend.
Die Luft schmeckt sandig und klamm
Alle sind sie in weiße Tücher gewickelt. Einerseits, um ihren Glauben zu zeigen, andererseits macht der schwere Behang die äthiopische Morgenkälte des Berglandes ein klein wenig erträglicher. Inzwischen jedoch steht auch die Sonne schon zwei Stunden am Himmel und wärmt die Szenerie. Die Gäste werden neugierig und stumm beäugt, während ein Mönch seine Stimme an die Dorfbewohner richtet, und nach dem Abendmahl haben wir Gelegenheit, die Beter Maryam-Kirche zu betreten. Barfuß versteht sich.
Der Rundgang ist mit Teppichen ausgelegt, die Luft schmeckt sandig und leicht klamm. Die teils sehr bunten Malereien an Wänden und Stoffen sind bis zu 500 Jahre alt. Theoretisch. Denn mit der Zeit wurden sie immer wieder übermalt, und teilweise haben die Künstler darin auch neuere Situationen verarbeitet, sodass man auch mal Gewehre statt Lanzen oder Speere in den Händen der Protagonisten sieht. Immer dabei ist einer der Priester in seinem bunten Gewand, der aufpasst, dass den Kunstschätzen nichts passiert.
Allein die Fahrt zu den Wasserfällen des Blauen Nils ist ein Highlight
Unweit von Bahir Dar gibt es aber noch ein weiteres Highlight: die Wasserfälle des Blauen Nils. Schon alleine die Fahrt auf der holprigen Schotterstraße ist ein Erlebnis. Vorbei an Äckern, wo Bauern bei sengender Hitze Getreide mahlen, vorbei an Hütten, wo spielende Kinder die Arme zum Gruß in die Höhe reißen und einen umringen, sobald man aus dem Auto gestiegen ist.
Vom Örtchen Tis Issat aus geht’s per pedes zu den Wasserfällen, die manchmal nur zu einem spärlichen Rinnsal verkommen. Je nachdem, ob der Staudamm oberhalb des Flusses die Wassermassen zur Stromerzeugung zurückhält. Während der Regenzeit stürzt der Blaue Nil auf einer Breite von 400 Metern satte 42 Meter in die Tiefe. Auch bei uns kann von Rinnsal keine Rede sein. »Die wussten, dass wir kommen«, lacht Guide Andu, der seinerzeit Bill Clinton hier herumführte und sich, wie die Touristen auch, immer wieder an dem Anblick der reißenden Fluten erfreut. Wenn man direkt vor den Fluten steht, mag man sich gar nicht vorstellen, was in der Regenzeit erst hier heruntersprudelt.
Besuch in der Ex-Hauptstadt Gonder
Ein wenig gemächlicher, aber nicht minder imposant, ist der Besuch der ehemaligen Hauptstadt Gonder, keine 200 Kilometer, dafür aber knappe fünf Stunden Autofahrt von Bahir Dar entfernt. Die Stadt liegt auf 2133 Metern, und das bedeutet, dass man hier nicht nur Höhenluft schnuppern kann, sondern dass es auch keine Malaria gibt. Mit ein Grund, warum Kaiser Fasilides und sein Gefolge sich im 17. Jahrhundert hier niederließen. Wie es sich für einen Kaiser gehört, verewigte er sich mit dem Bau von Schlössern und Festungsanlagen. Und weil seine Nachfolger ebenso verfuhren, kann man heute einen wilden Mix aus westlichen, arabischen und hinduistischen Baustilen bestaunen.
Das Prunkstück ist neben dem ältesten Schloss der Ära Fasilides jedoch etwas außerhalb zu finden: sein Badehaus. Oder besser gesagt, eine ziemlich luxuriöse, überdimensionierte Umkleidekabine des Kaisers. Drumherum ließ er einen künstlichen Graben ausheben, sodass das Innere wie ein Swimmingpool befüllt werden konnte. Allerdings mit 50 mal 30 Metern im XXL-Format und mit mehreren Tausenden von Litern, die auch noch erwärmt wurden, damit seine Majestät beim Schwimmen im Außenbereich nicht fröstelte. Noch heute wird der Pool für das Timkat-Fest Ende Januar genutzt. Zur Erinnerung der Taufe Jesu wird das Bassin knietief geflutet und das Wasser dann vom Bischoff in einer langen Zeremonie geweiht, sodass sich daraufhin eine wilde, zweitägige Planscherei einstellt, weil jeder der Umstehenden etwas von dem Wasser abbekommen möchte.
Die Nase umweht der süßsäuerliche Geruch des Tej
Ausklingen lässt man den Abend bei einem etwas anderen Wasser, dem typischen äthiopischen Honigwein Tej. Bereits nach dem Öffnen der Eingangstür der Tej Bet, der Kneipe, wo der tiefgelbe Wein ausgeschenkt wird, umweht uns der süßsäuerliche Geruch des Tej, der in bauchigen Kolbengläsern serviert wird. Der Legende nach war der Wein aus Gonder einst das Gesöff der Könige. Heute ist es das der Männer, wobei er traditionell immer noch von Frauen hergestellt wird. Doch allein des Weines wegen geht man nicht in die Tej Bets.
Die Männer versammeln sich, reden und hören nebenbei dem Azmari zu, der auf seiner einsaitigen Laute, der Masinko, Schmählieder zum Besten gibt. Nach der Gabe von ein paar Birr hört man das Wörtchen Germany noch lauter und energischer aus dem Mund des Azmari kommen, aber es scheint immerhin zur Belustigung aller im Raum zu dienen. Ganz nebenbei ist die Tej Bet aber auch Marktplatz.
Ein Mädchen kommt mit ihrem Bauchladen voller Naschereien und Nüssen herein, anschließend versucht der Schuhverkäufer sein Glück. Der dritte Tej ist beinahe ausgetrunken, als auch der letzte Vertreter seine Chance wittert. Offenbar versteht der Mann sein Handwerk, denn nach energischem Einreden auf einen der Gäste ist dieser endlich bereit, einen riesigen Kochtopf zu kaufen. Wahrscheinlich, um die Frau zu Hause zu beruhigen, weil er so lange aus gewesen ist. Das besingt jetzt wohl der Azmari. Denn alle im Raum lachen. Uns kann er nämlich nicht mehr gemeint haben, denn »Germany« hat er anschließend nicht mehr in den Mund genommen.
Infos zum Hinkommen und Übernachten
Infos. Weitere Informationen über die Amhara-Region in Äthiopien erteilt das Tourism Board Ehtiopia.
Anreise. Die Ethiopian Air fliegt täglich nach Addis Abeba und von dort mehrmals pro Tag nach Bahir Dar.
Reisezeit. In Äthiopien bestimmt die Regenzeit das Klima. Die stärksten Niederschläge fallen in den Sommermonaten von Juni bis September. In Höhenlagen wie in Addis Abeba oder Bahir Dar kann es nachts zudem merklich abkühlen. Tagsüber steigt die Temperatur dann auf bis zu 30 Grad.
Unterkunft. Das Kuriftu Resort in Bahir Dar ist die beste Adresse, und man hat Blick auf den Tanasee. Preise im Deluxe Lake View Room ab € 158.
Tipp. In Gonder sollte man die Aussicht vom Goha Hotel genießen. Die Räumlichkeiten sind nicht luxuriös, das Hotel ist dennoch eines der besseren am Ort.