Sibirien ist auch für Weitgereiste oftmals noch ein weißer Fleck auf der Landkarte. Die weltweit bekannteste Naturschönheit der Region ist der Baikalsee. Wir stellen ihn einmal vor.
Mit Rentierzüchtern durch die scheinbar unendliche Tundra ziehen, im Hundeschlitten an den Rand der Zivilisation gleiten, mystisch anmutende Vulkane besteigen oder unter meterdickem Eis im Baikalsee tauchen – Sibirien hat so viele bezaubernde Erlebnisse in petto wie kaum eine andere Region dieser Welt. Schier unendlich wie das Gebiet, über das sich Sibirien geographisch erstreckt, sind auch die Möglichkeiten, als Tourist die Region zu entdecken. Das gilt vor allem für naturverbundene Urlauber, die den Baikalsee entdecken möchten.
Baikalsee: Russlands See der Superlative
Der Baikalsee, zu deutsch »reicher See«, ist – auch wenn es ziemlich abgedroschen klingt – einzigartig. Ein paar Zahlen gefällig? Seine Uferlänge beträgt sage und schreibe 2.000 Kilometer. Er hat eine Länge von 650 Kilometern und eine Breite von durchschnittlich rund 50 Kilometern. Aber nicht nur die Länge und Breite sind imposant: Mit 1.642 Metern Tiefe gilt er als tiefster und wasserreichster Süßwassersee der Welt. Das Wasser erhält der Baikalsee von 336 (!) Flüssen und Bächen. Kein Wunder, dass bei so vielen Superlativen der See einen hübschen Spitznamen hat: »die Perle Russlands«. Seit 1996 gehört der See zum Unesco-Weltnaturerbe.
Wie kommt man zum Baikalsee?
Obwohl der Baikalsee aufgrund seiner Einzigartigkeit und Schönheit international sehr wohl bekannt ist, hält sich die Zahl der Touristen in Grenzen. Der Baikalsee wird jährlich von mehr als zwei Millionen Touristen aus aller Welt besucht. Trotzdem gibt es viele Orte am See, die noch heute so wirken, als seien sie der Antike entsprungen: völlig jungfräulich, aber nicht minder charmant.
Es gibt zwei große Städte in der Nähe des Baikalsees: Irkutsk im Westen und Ulan-Ude im Osten. Beide haben Flughäfen, die sowohl aus dem In- wie aus dem Ausland angeflogen werden. Beide Städte liegen an der berühmten Transsibirischen Eisenbahn und werden von Westen und Osten von vielen Zügen passiert.
Allerdings liegen beide Städten nicht direkt am Baikalsee. Die Entfernung nach Irkutsk beträgt 70 Kilometer, die nach Ulan-Ude 130 Kilometer. Von dort aus muss man je nach Zielort Routentaxis, Busse, die Bahn oder sogar Schiffe oder Boote nutzen. Und zuweilen ist die Anreise ein echtes Abenteuer. Einige Orte mit felsigen Ufern haben nur lausige Straßen. Ohne Geländewagen geht da nichts. Ihr solltet also ausreichend Zeit einplanen. Je nach Zielort kann die Fahrt bis zu acht Stunden dauern.
Klima und Wetter am Baikalsee
In Sibirien herrscht kontinentales Klima. Das heißt: Winter sehr kalt, Sommer warm. Einen Sommer wie bei uns dürft ihr aber nicht erwarten. Zwischen Juni bis August kommt es zwar häufig vor, dass das Thermometer über 20 Grad anzeigt. Aber Temperaturen von über 30 Grad über mehrere Wochen? Eher nicht.
In den anderen Jahreszeiten ist es recht frisch, im Winter sogar bitterkalt. Temperaturen von rund minus 30 Grad sind zwischen November und Ende März keine Seltenheit. Von Ende Januar bis Mitte, Ende April ist der Baikalsee mit Eis bedeckt.
Wer die Winterlandschaft rund um den Baikalsee entdecken will, sollte sich also in jedem Fall sehr warme Sachen zum Anziehen mitnehmen.
Das Wetter auf dem See ist unvorhersehbar und kann sich binnen einer halben Stunde schlagartig ändern. Eben noch strahlender Sonnenschein, wenig später Hurrikanwind, Regen und Kälte – nicht ungewöhnlich am Baikalsee. Das Wetter wird durch umliegende Berge und Schluchten verursacht, die den Wind im natürlichen »Lufttunnel« verteilen. Die Einheimischen haben den Wettereskapaden sogar Spitznamen gegeben. Es gibt heute mehr als 30 davon. Die bekanntesten sind Verkhovik, Gornaya und Sarma. Wenn ihr von den Russen einen der letztgenannten Namen gehört haben, empfiehlt es dich dringend, alle Wasseraktivitäten sofort einzustellen und das Weite zu suchen. Denn kommt ein ziemlich heftiger Sturm auf. Diese Wetterphänomene treten vornehmlich im Spätherbst und Winter auf.
Wenn ihr eine Reise zum Baikalsee plant, solltet ihr sportliche Wanderklamotten einpacken. Das gilt ganz besonders für das Schuhwerk. Viele Wege entlang der felsigen Ufer sind sehr steil und stellten in der Vergangenheit schon manch Reisende vor große Probleme. Unser Tipp: Viele der Wanderwege solltet ihr am besten gemeinsam mit einem lokalen Führer erkunden.
Der Handyempfang am Baikalsee ist im Süden und in den Touristen-Hotspots in der Mitte gut, im Norden des Baikalsees außerhalb der Städte eher schlecht.
Reise zum Baikalsee: Auf eigene Faust oder mit einem Reiseveranstalter?
Wandern, Klettern, Reiten, Tauchen, Rafting – es gibt kaum etwas, was am und im Baikalsee nicht machen kann. Wer das Naturwunder Baikal im Herzen Sibiriens entdecken möchte, steht allerdings vor der Frage aller Fragen bei der Reiseplanung: Soll ich das allein wagen oder mit einem Reiseveranstalter?
Eines sollte jedem klar sein, der allein aufbrechen will: Wer abseits der typischen Touristenpfade verreisen will, der stößt sehr schnell an die Grenzen der Infrastruktur. Das betrifft sowohl die Straßenverbindungen und -Verhältnisse, als auch die Möglichkeiten, eine Unterkunft zu finden. Was die Organisation darüber hinaus für viele erschwert, ist die sprachliche Barriere. Denn außerhalb der größeren Städte kommt man auch mit Englisch nicht sehr weit.
Wer den Baikalsee intensiv und in seiner Ursprünglichkeit erleben will, der wird sich früher oder später inmitten der Natur wiederfinden – fernab von asphaltierten Straßen und Siedlungen. »Hier ist es sehr wichtig, erfahrene Guides an seiner Seite zu haben, die die Naturbegebenheiten und den See sehr gut kennen«, sagt Vladimir Tscherkaschenin, Manager des Reiseveranstalters BaikalTours. Besonders im Winter, wenn man mit dem Auto kilometerweit über den zugefrorenen See fahre, müsse man sich als Reisende auf die Erfahrung der Fahrer verlassen können.
»Das ist eben Sibirien – hier läuft einiges etwas anders als in Deutschland«, ergänzt er.
Im Sommer und Winter völlig unterschiedliche Welten
Wer den Baikalsee mal sehen möchte, könne das auch auf eigene Faust erleben. Wer den Baikalsee aber authentisch kennenlernen wolle, der sollte das mit Hilfe eines erfahrenen Reiseveranstalters tun, so Tscherkaschenin. BaikalTours biete das ganze Jahr über insgesamt elf verschiedene Reisen zum Baikalsee an, außerdem schnüre man auf Wunsch individuelle Reisepakete. Da sich die Landschaft im Sommer und Winter sehr stark unterscheide, sei das Programm entsprechend unterschiedlich.
Denn: Wer im Sommer und Winter an den Baikal reist, der findet zwei unterschiedliche Welten vor von +30°C bis -40°C, von Sonnenbaden und Sandstrand zur winterlichen Eislandschaft. »Diese Kontraste machen den Baikalsee sehr spannend«, findet Tscherkaschenin. Darüber hinaus sei auch der kulturelle Austausch äußerst wichtig, um ein Land kennenzulernen. »Der Kontakt zu den Einheimischen, die wir aktiv in unsere Reiseplanung mit einbeziehen, wird von unseren Mitreisenden sehr geschätzt. Es sind aber häufig auch die kleinen Momente, die einen großen Einfluss auf das Reiseerlebnis haben. Dazu gehören beispielsweise eine Wanderung im Sommer mit Lagerfeuer am Ufer des Baikals, oder eine Übernachtung in einer Holzhütte auf dem Eis, wohlwissend, dass unter einem 1.000 Meter tiefes Wasser ruht. Solche Erlebnisse bleiben einfach unvergesslich und machen die Reise zu einem besonderen Erlebnis«, sagt er.
Sehenswürdigkeiten rund um den See
Der südliche Teil des Sees verfügt über eine besser ausgebaute Infrastruktur und Verkehrsanbindung. Hier findet ihr die meisten Attraktionen. Einige Orte gelten als Must-see. Touristen und Einheimische sagen, wer sie nicht gesehen hat, hat den Mythos Baikalsee nicht gesehen. Nun, um welche Orte geht es? Hier ein paar Sehenswürdigkeiten am Baikalsee, die man sich unbedingt ansehen sollte.
Listwjanka: Erste Anlaufstelle im Süden
Listwjanka ist ein Dorf am Baikalsee und für viele Baikalsee-Touristen erste Anlaufstelle. Es liegt etwa 65 Kilometer von Irkutsk entfernt. In Listwjanka ist das Baikalsee-Museum im Limnologischen Institut beheimatet. Hier erfahrt ihr Wissenswertes über Flora und Fauna. In den großen Aquarien könnt ihr die heimischen Süßwasser-Robben beobachten. Sehenswert ist auch der botanische Garten im Dorf mit Blick auf den See. In der Nähe von Listvyanka gibt es eine Seilbahn, die Zugang zu einem Aussichtspunkt auf dem Chersky Stone Mountain (755 Meter) bietet. Von dort habt ihr einen tollen Blick auf die Südküste.
Vor allem aber kommen Wanderer nach Listwjanka. Denn hier startet der Fernwanderweg Great Baikal Trail, der von Freiwilligen aus aller Welt angelegt wurde. Wunderschön ist eine Wandertour von Listwjanka nach Bolschoje Goloustnoje. Unterwegs passiert ihr Klippen, Wälder und Strände mit verträumten Badebuchten. Sicherlich eines der Highlights am Baikalsee.
Last but not least ist das Dorf auch ein guter Spot für diejenigen unter euch, die eine Schifffahrt auf dem See unternehmen möchten. Das Kreuzfahrtschiffes Ivan Babushkin legt hier ab, außerdem eine Fähre, die zum Hafen nach Baikal tuckert.
Exotisch: die Baikalrobbe
Der Baikalsee ist die Heimat von mehr als 1.500 Tier- und rund 1.000 Pflanzenarten. Dreiviertel davon sind endemisch. Das heißt, sie kommen nur hier vor. Die populärste Tierart ist die Baikalrobbe. Als einzige Robbenart der Welt lebt sie ausschließlich im Süßwasser.
In den angrenzenden Nationalparks leben unter anderem Luchse, Bären, Hirsche und Wölfe.
Der Norden des Baikalsees
Die Stadt Sewerobaikalsk ist Startpunkt für alle Touristen, die den Besuch der Naturschönheiten des nördlichen Teils des Baikalsees entdecken möchten. Die Stadt wird einmal pro Woche mit dem Nahverkehrszug von Irkutsk aus bedient. Eines sollte man allerdings wissen: Der Norden des Sees ist touristisch deutlich weniger stark frequentiert als der Süden; entsprechend bescheiden ist es um die touristische Infrastruktur bestellt. Beliebt ist die Stadt als Startpunkt bei Wanderern. Denn auch hier hier kann man Etappen des Fernwanderwegs Great Baikal Trails erkunden. Auch Touristen, die die heißen Quellen von Khakusy oder Frolikha aufsuchen möchten, kommen hierher.
Fahrt mit der Baikalbahn
Am Südwest-Ufer des Baikalsees verläuft eine 89 Kilometer lange Bahnstrecke: die Baikalbahn. Gebaut wurde die Strecke Anfang des 20. Jahrhunderts, als Teil der Transsibirischen Eisenbahn. Heute dient sie allerdings nur noch als Zweigstrecke, um einsam gelegene Dörfer zu versorgen. Aber auch an Touristen wurde gedacht: Ein Retro-Zug tuckert – meist am Wochenende – von Sludyanka bis zum Baikal-Hafen und erlaubt es, mehr über die Geschichte der Baikalbahn zu erfahren. An interessanten Orten legt der Zug einen Stopp ein, damit ihr Fotos machen könnt. Die Fahrt kostet rund 25 Euro.
Seehunde auf den Ushkaniy Islands beobachten
Der Archipel von vier kleinen Inseln in der Nähe der Halbinsel Svyatoy Nos ist die Heimat der berühmten Baikalseerobben. Leider ist es nicht erlaubt, die geschützten Inseln im Transbaikal-Nationalpark zu betreten. Aber ihr könnt die Robben mit einem Fernglas von einem Schiff oder einem Boot aus beobachten. Von verschiedenen Städten und Dörfern entlang des Baikalsees werden entsprechende Touren angeboten.
Im Sommer im Small Sea baden
Small Sea ist der Name einer Meerenge und wird als Kleines Meer bezeichnet, weil der See hier nicht sehr tief ist. Das Wasser im sandigen Flachwasser erwärmt sich im Sommer auf bis auf 23 Grad. Im Juli und August könnt ihr hier wunderbar schwimmen. Das wissen allerdings auch die Einheimischen und viele andere Touristen, weshalb die Strände in der Hochsaison ziemlich überfüllt sind. Auf der anderen Seite gibt es hier viele Annehmlichkeiten, die es sonst eher weniger am Baikalsee gibt: viele Lebensmittelgeschäfte, Geldautomaten und Apotheken. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, hierher zu gelangen: mit dem Bus von Irkutsk oder mit dem Schiff.
Schamanen und Geistheiler auf der Insel Olchon
Mehr als 20 Inseln gibt es im Baikalsee. Olchon ist die größte und einzige bewohnte Insel des Sees. Sie befindet sich im mittleren Teil unweit des Westufers. Sie ist mehr als 71 Kilometer lang und bis zu 15 Kilometer breit. Auf Olchon leben etwa 1.500 Menschen.
Die Insel ist sehr schön. Es gibt Reliktwälder, Sanddünen und atemberaubende Aussichtspunkte. Der schönste Ort ist Cape Khoboy im Norden der Insel. Auf einer Klippe habt ihr einen phantastischen Blick über dem See.
Wie kaum ein anderer Ort in Russland ist die Insel Olchon bekannt für ihre Spiritualität. Für einige Einheimische ist die Insel ein heiliger Ort. Sie sagen, Olchon sei ein Ort, an dem Wünsche in Erfüllung gehen und man in Harmonie lebt. Die Insel gilt als Zentrum des Schamanismus am Baikalsee und ist – so hört man immer wieder – mit vielen heiligen Kraftorten gesegnet. Bunte Bänder an Bäumen, Pfählen und anderen Gegenständen legen Zeugnis von der schamanistischen Kultur ab.
Wer sich für eine esoterische Reise zu den Schamanen Sibiriens interessiert, findet im Netz einige Reiseanbieter, die das im Angebot haben.