Urlaubsziel: Sabi Sands. reisen EXCLUSIV Autor Sebastian Münter musste sich erst einmal einlesen, bevor er sich auf den Weg machte. Immerhin war es seine erste Reise nach Afrika – dem wilden Kontinent. Zum ersten Mal eine Safari. Zum ersten Mal Wildtiere ohne Zaun und sicheren Graben. Er lässt uns an seinem Erlebnis teilhaben.
Ohne jede Vorwarnung bringt Grant den behäbigen Defender zum Stehen. Zeitgleich erlischt der Handscheinwerfer. In der schnell einsetzenden Dunkelheit war er die einzige Lichtquelle, denn um möglichst wenig aufzufallen, sind wir ohne Abblendlicht unterwegs. Überrumpelt von dem abrupten Ende der Fahrt, reiße ich die Augen auf, um etwas zu erkennen. Das tiefrot schimmernde Band der untergehenden Sonne war schon vor einiger Zeit endgültig hinterm Horizont verschwunden. Es ist jetzt stockfinster. Meine Augen gewöhnen sich nur widerwillig an das Schwarz der Nacht. Ich will wissen, warum wir halten. »Linke Seite«, flüstert Grant. Mein Blick folgt seinen Worten. Doch obwohl ich auf einem der hinteren Plätze sehr hoch sitze, kann ich in der Dunkelheit die Umrisse der vereinzelt am Wegrand wachsenden Mopane-Bäume nur noch erahnen. Es ist verdächtig ruhig. Und plötzlich wird mir klar, dass ich in der Nacht, in die ich so angestrengt starre, gar nichts entdecken kann. Denn sie selbst entpuppt sich als mächtiger schwarzer Schatten. Direkt vor mir. Keine zwei Meter entfernt.
Schon der Anflug auf das Wildreservat Sabi Sand verheißt Abenteuer
Bald nachdem wir den O. R. Tambo-Flughafen und seine Metropole Johannesburg hinter uns gelassen haben, deuten nur noch die von oben skurril anmutenden, Pivot-bewässerten kreisrunden Anbauflächen auf einen menschlichen Eingriff in die Natur hin. Dahinter erstreckt sich die zimtbraun schimmernde, scheinbar unberührte Savanne. Schon der Anflug in der Turboprop-Maschine auf das Wildreservat Sabi Sand verheißt Abenteuer. Wenn nämlich die Wildtiere die Landebahn belegen, sind eigentlich ein bis zwei Tiefflüge erforderlich, um sich den nötigen Platz für eine sichere Landung zu verschaffen. Leichter gesagt als getan, denn in unserem Fall blockiert ein wildes Flugzeug die staubige Piste. Diese Spezies lässt sich leider nicht so leicht vertreiben, weshalb wir nach etlichen verwackelten Schleifen fast beim Nachbarn Sir Richard Branson gelandet wären.
Mit 65.000 Hektar etwa so groß wie Hamburg, schmiegt sich das in privater Hand liegende Reservat Sabi Sand wie ein bescheiden funkelndes Kleinod an die Westflanke des fast 30-mal größeren Krüger Nationalparks. Die 50 Kilometer lange Grenze zwischen beiden kennt keine Zäune. Das Wild kann sich zwischen Reservat und Nationalpark frei bewegen und tut dies auch, angezogen von den beiden namensgebenden Wasserreservoiren Sabi River und Sand River. Neben den Big Five sind hier nahezu sämtliche Antilopenarten heimisch. Dazu Flusspferde, Warzenschweine und Wildhunde, Giraffen und Geparden, von der Vogelwelt ganz zu schweigen. Besonders bekannt aber ist das Reservat für seine große Anzahl an Leoparden. Es beheimatet eine der höchsten Populationen weltweit. Die Aussicht, all diesen Tieren in der freien Wildbahn und aus der Nähe zu begegnen, lässt mein noch jungfräuliches Safari-Herz höherschlagen. Wie nah es tatsächlich wird, ahnt mein Puls zum Glück noch nicht.
Safari-Luxus und Nachhaltigkeit müssen nicht in Widerspruch stehen
Beim ersten Schritt aus dem Flugzeug auf die sandige Piste schaue ich mich zaghaft neugierig um, die Worte des Piloten noch im Ohr, dass nicht nur Antilopen- oder Büffelherden, sondern auch Löwenrudel auf der Piste keine Seltenheit seien. Es gibt also auch hier keine Zäune. Nur die kleine offene Buschhütte mit ihrem einladenden Lobby-Ambiente spendet neben kühlendem Schatten auch einen Hauch von Sicherheit, sollte plötzlich doch ein angriffslustiges Nashorn um die Ecke preschen. Die zehnminütige Fahrt zur Lodge vergeht ohne direkten Wildkontakt. Lediglich die mächtigen Hinterlassenschaften auf dem sandigen Weg deuten auf eine Herde großer Tiere hin, die erst kürzlich hier entlanggezogen sein muss. Dann doch noch ein Zaun. Der elektrische Draht umgibt das Gelände der Lodge, soll allerdings nur neugierige und zuweilen rüpelige Elefantenherden fernhalten. Die restliche Tierwelt kann passieren. Auf den 100 Metern vom Haupthaus zu meiner Unterkunft folgt der Beweis: Zwei kleine Riedböcke äsen, völlig unbeeindruckt von meiner Ankunft, nur wenige Meter abseits des Weges. Und einige Schritte weiter hält eine ganze Horde Südliche Grünmeerkatzen samt Nachwuchs Siesta im Schatten eines Yellowwood-Baums, dem Nationalbaum Südafrikas. Das ununterbrochene Zirpen der Grillen untermalt die einträchtige Szene mit einem angenehm aufdringlichen Klangteppich.
Eine Siesta in der Mittagshitze? Der kleine Pool auf meiner Veranda überzeugt ohne viele Worte. Erst die erfrischende Abkühlung und dann auch noch eine atemberaubende Aussicht über die Savanne. Die zwölf reetgedeckten Suiten der Singita Ebony Lodge schmiegen sich ebenso wie das Haupthaus in den mit Akazienbäumen gesäumten Hang am Südufer des Sand River. Der Fluss ist in dieser Gegend eine der wenigen natürlichen Wasserquellen, weshalb die Chancen gut stehen, auch von der eigenen Veranda aus Wildtiere beim Trinken beobachten zu können. Aus der Ferne höre ich das energische Trompeten eines Elefanten. Vielleicht ein Streit um den besten Trinkplatz? Denn zurzeit führt nur etwa ein Zehntel des erkennbaren Flussbetts noch Wasser. Eine Fließrichtung ist nicht auszumachen. Während der Regenzeit aber kann diese wichtige Lebensader für mehrere Tage zu einem reißenden Gewässer anschwellen.
Täglich gibt es zwei Game Drives. Die am Nachmittag endet mit einem Picknick im Sonnenuntergang
Zur ersten Safari-Ausfahrt treffen wir uns am Nachmittag im Haupthaus. Der Eingang zur offen gehaltenen Lobby wird von zwei wuchtigen Ebenholzbäumen flankiert. Die Einrichtung im Kolonialstil erinnert ein wenig an die Eleganz vergangener Zeiten. Viel dunkles Holz, schwere gemütliche Sessel und eine weitläufige kaskadenförmige Terrasse mit Blick auf den Sand River. Täglich werden zwei Ausfahrten angeboten. Eine in den frühen Morgenstunden und eine am Nachmittag, die über einen Sundowner bis zur einsetzenden Dämmerung auch in die Nacht hineinragen kann. Grant, unser Guide, setzt den bulligen Land Rover in Bewegung. Mit kraftstrotzendem Allradantrieb geht es über die ausgefahrenen Sandwege, die sich wie ein mäanderndes Netz über die trockene Savanne spannen und dabei ein wenig an das Fellmuster einer Giraffe erinnern. Der erste Eindruck der Savanne ist ehrlich gesagt ernüchternd: Sandige Wege durchkreuzen trockene Büsche, vereinzelt stehen knorrige tote Bäume herum, und von Tieren keine Spur. Weit gefehlt!
Vorne links auf der Motorhaube hat sich Walter auf seinem Ausguck eingerichtet. Den Adleraugen des Fährtensuchers entgeht wirklich nichts. Jedenfalls haben wir es nicht geschafft, ihn in seiner Wildtiersichtung zu unterbieten. Bis zuletzt bleibt er immer der Erste, der irgendwo im Busch ein gut getarnten Kudu oder eine Herde Impalas aufspürt. Mit einer faszinierenden Treffsicherheit erkennt er auch aus zügiger Fahrt heraus die im Sand verlaufenden Spuren. Gerade folgen er und Grant einer Löwenfährte in der Richtung, aus der wir gekommen sind. Anscheinend ein ganzes Rudel, das erst kürzlich auf dem Sandweg Rast gemacht haben muss. Ein mulmiges Gefühl, plötzlich so allein in dem offenen Jeep, ein ganzes Löwenrudel irgendwo in der Nähe zu wissen, und beide Wildhüter mit konzentriertem Blick auf den Boden gerichtet in einiger Entfernung.
Vor allem wenn man bedenkt, dass wir das Rudel schließlich keine 50 Meter weiter in Fahrtrichtung finden. Etwas abseits im Schatten eines Baums liegen elf entschleunigte Löwen. Bevor wir uns nähern, räumt Walter seinen Ausguck und steigt zu uns nach hinten. Der offene Wagen bietet zwar keinen Schutz, ist aber dennoch sicher. Außen sitzend, könnten die Raubtiere ihn aber als Menschen wahrnehmen. So riechen und hören sie uns zwar, halten den Jeep aber nur für ein großes Wesen, an dem sie bis auf Weiteres nichts auszusetzen haben. Damit das so bleibt, sollen wir nicht aufstehen und ruckartige Bewegungen vermeiden.
Singita Sabi Sand ist bekannt für die weltweit höchste Leopardenpopulation
Trotz angekündigter Populationsdichte hielten sich die Leoparden bislang bedeckt, weshalb ich gedanklich schon Begegnungen sammle. Zum Beispiel die von Zwai, dem quirligen Sommelier, der einmal mit Pinotage beladen aus dem Weinkeller kam und am Ende der Treppe plötzlich einem Leoparden gegenüberstand. Oder Merriel, dem Nachtwächter, der mich in der Dunkelheit zu meiner Suite geleitet und an dieser Stelle einen Leoparden traf, genau wie jetzt, nur mit einer Taschenlampe bewaffnet. Oder Robert, dem freundlichsten Butler der Welt, der mir erzählte ,wie eines Tages alle Mittagsgäste in Schockstarre verfielen, als ein Leopard sich über die Holzbrüstung anschlich, weil er unterhalb der Terrasse ein Nyala gewittert hatte.
»Singita« ist Shangaan und heisst übersetzt »Ort der Wunder« – man kann verstehen warum
Es ist 5:30 Uhr. Kaffee und Muffin bringen den müden Körper in Schwung. In wenigen Augenblicken startet die morgendliche Safari. Diesmal steuert Grant zielstrebig auf ein großes Wasserloch zu, das gerade in den Morgenstunden, wenn die Sonne noch nicht unnachgiebig brennt, von vielen Tieren frequentiert wird. Wir erreichen die Wasserstelle nach einer Herde Impalas und halten wenige Meter vom Ufer entfernt. In der Ruhe des Morgens entwickelt sich ein wundervolles Naturschauspiel. Scheinbar von unsichtbarer Hand dirigiert, nähern sich erst vier Giraffen dem rechten Bühnenrand. Während der Einsatz der Impalas links langsam ausklingt, gesellen sich rechts vier durstige Zebras zu den mittlerweile umständlich gebückten Langhälsen. Im Hintergrund trottet ein Nashorn durchs Bild. Die einträchtige Stille wird erst durch eine allmählich auflaufende Büffelherde durchbrochen, die sich nicht mit dem Ufer begnügt, sondern gleich das gesamte Wasserloch beschlagnahmt und einem Paukensolo gleich das allgemeine Trinkkonzert beschließt.
Eine Walking Safari treibt den Nervenkitzel auf die Spitze
Keine sichere Blockhütte, kein Jeep, kein Elektrozaun weit und breit. Nur ein Gewehr. Die Ultima Ratio, die bisher immer hinterm Lenkrad lag, befindet sich nun durchgeladen in Grants rechter Hand. In gedeckten Farben gekleidet, um nicht unnötig aufzufallen, folgen wir ihm im Entenmarsch. Der Nervenkitzel steckt im Konjunktiv. Was wäre, wenn jetzt ein Gepard oder Löwe die Arena betritt, oder wir zufällig den Pfad einer Elefanten- oder Büffelherde kreuzen? Die Gedanken springen aufgeregt hin und her. Zwar stelle ich mir die fußläufige Großwildbegegnung unglaublich spannend vor, doch ist mir mein Leben lieb. Am Ende ist ein einzelner Springbock die magere Großwildbeute. Der Wind kam von hinten und hat uns wohl verraten. Dennoch bleibt es eine ungemein lehrreiche Erfahrung, die Savanne auf den Füßen zu erforschen. Wir bekommen einen Crashkurs im Fährtenlesen, können anhand der Leopardenspuren das Geschlecht erkennen. Wir lernen, wie Nashörner ihr Revier markieren und dass Hyänenkot seine weiße Färbung durch die mitgegessenen Knochen erhält.
Bei einer Safari kommt man den Wildtieren zuweilen näher als im Zoo
Ich hatte die Sache mit den Leoparden schon abgeschrieben, als Walter bei voller Fahrt plötzlich den Arm hochreißt und Grant wortlos zum Halten auffordert. Eine Fährte! Wie kann er bei dieser Geschwindigkeit die kleinen Tatzen im Sand bloß erkennen? Walter ist wirklich gut in seinem Job. Die Spur ist noch relativ frisch. Langsam setzen wir uns in Bewegung, während Walter weiter den Boden scannt. Es sind sogar zwei Tiere. Ein Männchen und ein Weibchen. Wegen des höheren Gewichts ist die männliche Fährte erkennbar tiefer. Kurz darauf reißt Grant jubelnd die Arme in die Luft. Einige Hundert Meter entfernt liegen zwei Leoparden im Schatten einer pittoresken Schirmakazie. Auch für ihn scheint es kein alltägliches Ereignis zu sein. Kaum hat er den Jeep in eine gute Sichtweite gebracht, werden wir Zeugen des Paarungsaktes. Während der Paarungszeit ziehen die Einzelgänger für einige Tage gemeinsam durch die Savanne und paaren sich mehrmals pro Stunde. Grant positioniert den Jeep immer wieder in der prognostizierten Laufrichtung der beiden Raubkatzen, sodass wir dieses unglaubliche Schauspiel noch einige Zeit beobachten können. Bis uns die untergehende Sonne irgendwann zur Rückkehr zwingt.
Zurück in der Dunkelheit der Nacht, stehen und starren wir noch immer. Die angespannte Stille wird erst durch einen dumpfen Aufschlag durchbrochen. Ich muss unweigerlich lachen. Jetzt ist die Sache klar. Erleichtert trottet der Dickhäuter in die Dunkelheit davon. Und während auch wir wieder Fahrt aufnehmen, kommt mir ein Begriff in den Sinn, dessen Bedeutung ich nie richtig verstanden habe. Ich finde hier passt er hervorragend.
Anreise South African Airways fliegt von Frankfurt und München nach Johannesburg, von dort geht es in ca. einer Stunde Flug mit Federal Airlines ins Reservat Sabi Sand.
Übernachtung Singita Ebony Lodge, Tel.: +27 13 735 9800, enquiries@singita.com. Suite ab € 1.300 pro Nacht, inkl. sämtlicher Speisen und Getränke außer Champagner, täglich zwei Safaris im Land Rover, sowie Mountainbiking und Wandersafari.