Hoch oben im Norden Finnlands lebt der Weihnachtsmann am Polarkreis und empfängt kleine, aber auch große, Gäste zur Audienz – und zwar das ganze Jahr! Unsere Redakteurin Marie Tysiak war zu Besuch im Santa Claus Village in Lappland. Bei 24 Grad im Juli. Hier hat sie hat den Weihnachtsmann persönlich getroffen, und natürlich auch gefragt: Arbeitet der Weihnachtsmann eigentlich auch im Sommer?
Auch mit 32 ist man nicht zu alt für einen Besuch beim Weihnachtsmann, finde ich. Und tatsächlich bin ich etwas nervös, als ich so in der Schlange zwischen einer asiatischen Familie und einem finnischen Ehepaar in ihren Fünfzigern (das sich auch nicht für zu alt für eine Audienz beim Weihnachtsmann hält) von einem Fuß auf den anderen trete. Die Wände sind geschmückt mit Fotos von Berühmtheiten aus der ganzen Welt, die vor mir bereits den Weihnachtsmann getroffen haben. Oben rechts hängt Gordon Ramsay, irgendwo mittendrin erkenne ich die Spice Girls, viele verschiedene Präsidenten, und auch der finnische Formel-1-Weltmeister Mika Häkkinen war schon hier und hat sich mit dem berühmten Herrn mit langem weißen Bart ablichten lassen.
Warum lebt der Weihnachtsmann in Lappland?
Doch wie kam es eigentlich, dass der Weihnachtsmann ausgerechnet hier, im einsamen Lappland auf Höhe des Polarkreises, lebt? Nun, die Geschichte beginnt – wie so oft – mit einem Zufall. Und für diesen muss man ein bisschen ausholen – bis zum Zweiten Weltkrieg. Finnland war ein Verbündeter Deutschlands. Vorrangig, weil Russland von Osten versuchte, das Land einzunehmen. Man bandelte also mit dem deutschen Naziregime an, das hier in Rovaniemi, der Hauptstadt von Finnisch-Lappland, eine Militärbasis errichtete. Doch bevor sie schließlich die Stadt verließen, als der Krieg verloren war, brannten sie die Stadt nieder. Aufbauhilfen kamen schwer an, zudem musste Finnland Reparationszahlungen an Russland leisten. Doch Hilfe kam schließlich von der Nothilfe- und Wiederaufbauverwaltung der Vereinten Nationen – mit keiner geringeren Patronin als Eleanor Roosevelt.
Die Witwe des ehemaligen US-Präsidenten reiste 1950 nach Rovaniemi in Lappland, um sich den Wiederaufbau der Stadt genauer anzusehen. Ihrem Wunsch, auf dem Polarkreis zu wohnen, kam man nach und baute eine kleine Holzhütte für sie. Von hier schickte sie schließlich eine Postkarte an Präsident Truman, in ihren Worten »die erste, die je vom Polarkreis verschickt wurde«.
Als nach und nach die ersten neugierigen Touristen nach dem Wiederaufbau der Stadt an der Holzhütte auftauchten, nutzten zwei geschäftstüchtige Studentinnen die Hütte, um Getränke und Leckereien zu verkaufen. Das war der Anfang des Weihnachtsdorfs. Santa Claus Village wurde dann später von lokalen Geschäftsmännern schließlich ganz offiziell umgesetzt. Dass der Weihnachtsmann nach finnischer Legende eigentlich gut 300 Kilometer nördlich in Korvatunturi, einem Felsen in Form eines gigantischen Ohrs (damit Santa Claus die Wünsche der Kinder gut hören kann) lebt, war schnell vergessen.
Das wichtigste Gebäude im Santa Claus Village
Das kleine Holzhaus, in dem Eleanor Roosevelt damals wohnte, steht noch immer und fungiert heute als Souvenirshop. Doch seit 1950 hat sich vieles getan. Gleich gegenüber prangt das Santa Claus Main Post Office – eines der wohl wichtigsten Gebäude im Weihnachtsdorf. Zum einen kommen hier jedes Jahr mehr als 500.000 Briefe von Kindern aus 200 Ländern auf der Welt an, die ihre Wünsche dem Weihnachtsmann mitteilen möchten. Die roten Fächer, in denen sortiert wird, woher die Briefe kommen, zeigen Länder, von denen viele Menschen wahrscheinlich noch nie gehört haben. Sogar aus Tuvalu, Kirgistan und dem Vatikan schreiben und malen Kinder an Santa Claus. Jeder Brief wird geöffnet – und manche erhalten tatsächlich auch eine Antwort (Pro-Tipp: Online kann man einen Brief an seine Liebsten vom Weihnachtsmann bestellen, Link unten im Infokasten). Woher die meisten Briefe im Hauptpostamt des Weihnachtsmannes kommen? »Polen!«, verriet mir eine freundliche Weihnachtselfe.
Doch nicht nur das Bearbeiten der Briefe an den Weihnachtsmann ist Aufgabe der Elfen im Hauptpostamt von Santa Claus. Hier sorgen die Elfen das ganze Jahr dafür, dass die Weihnachtspost der Menschen zeitig an ihre Liebsten kommt. Natürlich nur echt mit dem originalen Stempel vom Postamt auf dem Polarkreis im Santa Claus Village. Wer mag, kauft seine Weihnachtskarten gleich hier und nutzt die exklusiv erhältlichen Weihnachtsbriefmarken (die aber ganz reguläre finnische Briefmarken sind und überall im Land benutzt werden können).
Und damit man seine Weihnachtspost zu jeder Jahreszeit erledigen kann, gibt es zwei Briefkästen. Einen für tagesaktuelle Post – und einen mit der Möglichkeit, dass diese Post erst eine Woche vor Weihnachten verschickt wird und so perfekt zeitig fürs Fest eintrifft. Sehr praktisch. Ich habe dennoch Postkarten ausgewählt, die den Weihnachtsmann im Sommer zeigen: beim Blaubeerpflücken in den weiten Wäldern Lapplands, beim Rentierfüttern oder mit seinen Elfen auf einem Ruderboot auf dem Kemijoki-Fluss vor dem Wahrzeichen Rovaniemis, der schmucken »Holzfäller-Fackel-Brücke«.
Was man im Weihnachtsdorf erleben kann
Das Weihnachtsdorf ist zu einem ganzen Themenpark angewachsen, in dem man zu jeder Jahreszeit Tage verbringen kann, ohne sich zu langweilen. Man kann hier in verschiedenen Glasiglus zum Nordlichterschauen übernachten, Rentiere füttern, Huskies knuddeln und im Winter mit ihnen zu einer Schlittentour aufbrechen. Sogar eine Eisbar und ein Schneerestaurant werden im Winter errichtet. Auch die Ehefrau vom Weihnachtsmann, schlicht »Mrs. Santa Claus«, hat ein Café im Weihnachtsdorf. Mehr als eine halbe Million Menschen aus aller Welt kommen jedes Jahr hierher, vorrangig im Winter, wenn das Dorf sich in eine dicke Schneeschicht hüllt und die Temperaturen winterlich klirren.
Weil das Santa Claus Village eben auf dem Polarkreis liegt, darf ein obligatorisches Foto – neben dem mit dem Weihnachtsmann – nicht fehlen: beim Überschreiten des Arctic Circle natürlich! Doch was ist der Polarkreis eigentlich? Ganz einfach erklärt: Der nördliche Polarkreis, der auf dem Breitengrad 66°33‘ um den Nordpol verläuft, markiert die Teile auf der Welt, wo an mindestens einem Tag im Jahr die Sonne nicht untergeht – und ebenso nicht aufgeht.
Heißt: Alle Orte nördlich von Rovaniemi und dem Santa Claus Village bleiben an mindestens einem Tag im Jahr komplett dunkel. Und an mindestens einem Tag im Jahr – dem längsten des Jahres – geht die Sonne hier nicht unter und bleibt also zu jeder der 24 Stunden dieses Tages mindestens ein Stück am Horizont zu sehen. Heute zeigt das Thermometer am Polarkreis 24 Grad Celsius, dazu herrlicher Sonnenschein. Und dennoch kommt im Santa Claus Village echte Weihnachtsstimmung auf! Vielleicht liegt es an »Jingle Bells«, das durch Lautsprecher ertönt.
Der große Moment – das Treffen mit dem Weihnachtsmann
Die Schlange vor mir lichtet sich langsam. Tatsächlich sind im Winter Dutzende Weihnachtsmänner gleichzeitig im Einsatz – die zusammen fast alle Sprachen der Welt sprechen. Eine Elfe winkt mich herzlich hinein. Mir schießt das Blut in den Kopf, und doch bewegen sich meine Beine wie automatisch in den Raum, einmal um die Ecke – und da sitzt er. Gütig lächelnd in seinem großen Stuhl. Wie der Weihnachtsmann so ist? Herzlich und bestimmt! Mit Sinn für Humor.
Meine Frage nach seiner Bartroutine beantwortet er mir geduldig samt seiner Lockenstabtechnik, und selbstverständlich liebt er wie alle in Finnland die Sauna. Auf meine Frage nach seinem Alter muss er nur lachen. Natürlich haben wir noch ein obligatorisches Foto gemacht. Und ach ja, was der Weihnachtsmann im Sommer am liebsten macht? »Genau das hier! Die Menschen, die mich besuchen möchten, empfangen! Darum geht es doch schließlich an Weihnachten – und das ganze Jahr.«
Weitere Infos
Visit Finland: www.visitfinland.com/de/
Visit Rovaniemi: www.visitrovaniemi.fi
Santa Claus Village: www.santaclausvillage.info/de/
Santa Claus Main Post Office: https://my.posti.fi/en/santa-claus-main-post-office
Anreise zum Santa Claus Village
Der internationale Flughafen von Rovaniemi liegt nur 2 Kilometer vom Santa Claus Village. Im Winter gibt es viele Direktflüge aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Im Sommer muss man meistens mit Finn Air in Helsinki umsteigen.