Serbien ist eines der letzten Refugien Europas für alle, die Urlaub fernab ausgelatschter Touristenpfade machen wollen. Egal ob in der Hauptstadt Belgrad, in der beschaulichen Vojvodina oder an der Donau im idyllischen Osten des Landes: Platz zum Entdecken gibt es genug. Zeit für eine kleine Rundreise durch Serbien. Text: Frank Störbrauck

Futtern wie bei Muttern

Bevor wir eine kleine Rundreise durch Serbien unternehmen, sollten wir uns erst einmal stärken. Ein gute Mahlzeit zum Einstimmen, das wäre es. Ist Serbien dazu ein guter Ort? Eines der Ehrlichweit gleich vorneweg: Die serbische Küche kommt deftig daher. Böse Zungen behaupten gar, außer Fleischbergen habe die Landesküche nicht viel zu bieten. Egal ob gegrillt, gebraten oder gekocht: Hauptsache Fleisch. Das aber ist aber nur die Hälfte der Wahrheit. Klar, Slanina (Speck), Kobasica (Salami), pihtije (Schweinesülze) und die für Serbien so typische Pljeskavica (Hacksteak) landen oft auf den Speisetellern in den Restaurants. Aber eben auch typisch serbische Köstlichkeiten wie selbstgemachter Ajvar, ein Mus aus Paprika und Auberginen – nicht zu vergleichen mit der industriellen Pampe, die hierzulande in den Supermärkten feilgeboten wird. Oder auch das heimliche Nationalgericht Djuvec, geschmorter Reis mit Paprika, Erbsen, Zwiebeln und Knoblauch.

Einem aber wurde Serbiens Esskultur-Tradition zu viel. Sein Name ist Vanja Puškar.

Vanja Puškar, Chef des Restaurant Iris in Belgrad, Serbien

Frank Störbrauck

Ich möchte ihn in seinem Restaurant »Iris« in Belgrad treffen. Der 31-Jährige hat sich bereits seit geraumer Zeit einen Namen in Belgrads Restaurantszene gemacht. Er ist einer der Gründer der Vereinigung »Chefs Club Belgrade«. Puškar hat sich zwar nicht zum Ziel gesetzt, Serbiens Küche neu zu erfinden, ihr aber doch eine Verjüngungsspritze zu verpassen. Was er kocht? »Modern Serbian Food«.

Überraschendes Haute-Cuisine-Feuerwerk im Restaurant »Iris«

In den wenigen Monaten seines Wirkens hat er bereits eine gehörige Portion Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Auf TripAdvisor bekam das Restaurant »Iris« ausschließlich exzellente Bewertungen. Das macht neugierig. Zwei junge und freundliche Bedienungen sorgen für den Service. Der Küchenchef konzentriert sich derweil mit seinen Kochkollegen in der offenen Küche auf die Zubereitung eines achtgängigen Menüs – das ist für deutsche Verhältnisse fast geschenkt: 3.700 Dinar kostet es (ca. 31 Euro), ohne Weinbegleitung. Und dann beginnt das Haute-Cuisine-Feuerwerk: eine köstliche Buša terrine Hazelnut, gefolgt von feinem Beef-Carpaccio, einer kalten Mandelsuppe und einem Dry Aged Beef.

Essen im Restaurant Iris in Belgrad, Serbien

Frank Störbrauck

Ist das wirklich noch serbische Küche? Vanja Puškar macht keinen Hehl daraus, dass er mit der traditionellen Küche seines Landes wenig anfangen kann. »Es gibt viel zu viel Fleisch, Fleisch und nochmals Fleisch. Serbiens Küche ist vor 20, 30 Jahren stehen geblieben. Sie hat sich nicht weiterentwickelt«, sagt er. Das wolle er ändern und seinen Gästen stattdessen eine moderne Variante der serbischen Küche präsentieren. Soweit es ihm möglich ist, verwende er nur regionale Produkte aus dem Umland. Ob es uns denn geschmeckt habe, will er zum Abschied wissen. Was für eine Frage. Und wie!

Rundreise durch Serbien: Naive Malerei in Kovacica

Pavel Babka empfängt uns am frühen Vormittag in bester Laune. Kein Wunder. In Kovacica, im südlichen Banat, laufen die Geschäfte gut. Jedenfalls für Künstler wie Pavel Babka. Seit nunmehr 26 Jahren lebt er mit seiner Galerie in Kovacica von der naiven Malerei. Das Angebot ist überschaubar. Es gibt kleine und auch große Bilder. Auch sehr, sehr, große. Und ein paar Hocker. Das Angebot bewegt sich preislich irgendwo zwischen 150 Euro für kleine Sitzbänke und Bilder und 1.200 Euro für die großen Bilder. Auch andere Künstler haben in seinen Räumen ihre Werke ausgestellt. Ein Motiv zeigt Schreiner aus einer vergangenen Zeit bei der Arbeit. Ein anderes Motiv präsentiert Dorfbewohner in traditioneller Tracht vor einer Kirche, den Worten des Geistlichen lauschend. »In vielen Bildern spiegeln sich die Farben der Pannonischen Tiefebene wider. Sie sind häufig sehr farbkräftig«, erläutert Babka.

Künstler Pavel Babka in Kovačica (Serbien)

Frank Störbrauck

Das kann man durchweg auch von den Arbeiten seiner Kollegin Zuzana Veresky sagen. Als wir in dem einfachen Einfamilienhaus der 62-jährigen Künstlerin aufschlagen, müssen wir uns zunächst in Geduld üben. Sie hat noch Gäste, potentielle Kunden. Eine Reisegruppe aus den USA lässt sich von ihr in ihrem Mini-Atelier im Wohnzimmer einige Gemälde zeigen. »Very nice» und »very interesting« hallt es durch die Zimmer. Auch Vereskys Bilder strahlen die gute alte Zeit aus: Handwerk, Bauern, Tracht, Familie und Tiere, vor allem Gänse – ländliche Idylle pur. »Ich male mit meinem Herzen, meinem Gefühl. Seit meiner Kindheit», sagt Veresky. Auch ihr Geschäft läuft gut. Sie reist sehr viel, ist auf der ganzen Welt unterwegs und stellt ihre Werke aus. Das klingt sicherlich für viele Nachwuchskünstler in der Region verlockend, oder? Veresky winkt ab: »Das Geldverdienen darf nicht das Motiv dafür sein, Künstler der naiven Malerei zu werden. Ohne Leidenschaft funktioniert das nicht.«

Reise in die Vergangenheit in Viminacium

Für wen ist Serbien eigentliche das ideale Reiseland? Die Frage ist schnell beantwortet, wenn man auf die Hauptattraktionen des Landes blickt: Es sind die prähistorischen und archäologischen Fundstätten. Serbien hat hier so viel zu bieten; man bräuchte vermutlich mehrere Wochen, um sich alle historischen Stätten anzusehen. Eine davon ist das antike Viminacium in der Nähe der Stadt Kostolac im Osten Serbiens, circa 90 Kilometer von Belgrad entfernt. Beim Viminacium handelt es sich um eine Stadt aus der Zeit des Römischen Reiches. Sie gilt als eine der größten und besterhaltenen Städte der damaligen Zeit.

Die Fahrt dorthin führt uns über die Autobahn A1, fast anderthalb Stunden sind wir unterwegs. Ein hässliches Kohlekraftwerk dominiert den Blick vom Parkplatz des Viminaciums auf die Landschaft. Die Anzahl der Autos auf dem Parkplatz verrät: Nur sehr wenige Besucher sind heute da. Vielleicht zwei Dutzend. Es gibt ein kleines Besucherzentrum mit angeschlossener Caféteria. Gegenüber ist ein großes Zelt aufgebaut. Es ist das Herz der Besichtigungsanlage. Während der Regentschaft Gordians III. (239) wurde die Stadt in den Stand einer Kolonie römischer Bürger erhoben. Sie erhielt das Recht, Münzen zu prägen. Das war für Viminacium so etwas wie ein Ritterschlag in der damaligen Zeit.  Es war der höchste Rang, den eine Stadt zu Zeiten des römischen Imperiums erreichen konnte. Viminacium war zudem oft Sammelstelle für Truppen und Feldzüge.

Viminacium in Serbien

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Wem die Besichtigung der historischen Stätten eine etwas zu steinige und staubige Angelegenheit ist, kann ein paar Hundert Meter weiter ein fünf Millionen Jahre altes Mammutskelett bestaunen. Es wurde erst 2005 entdeckt und befindet sich im Mammut-Park Viminacium. Jurassic Parc lässt grüßen …

Rundreise durch Serbien: Mythos Donau

Serbien größtes Manko für Urlauber: Es hat keinen Zugang zum Meer. Das ist eine traurige Nachricht für alle, die gern im Meer planschen und sich am Strand in der Sonne aalen. Dafür hat Serbien aber ganz viele Badeseen. Und die Donau. Sie durchfließt sehr unterschiedliche Landschaften in dem Land – von der Pannonischen Tiefebene im Norden bis zur Touristenattraktion Eisernes Tor (Đerdapska klisura) im Osten.

Und das ist eine ziemlich lange Strecke: 588 Kilometer nämlich. Für Besucher hält der Fluss verschiedene Landschaften zum Entdecken bereit. Dichte Wälder und ein Naturreservats namens »Gornje Podunavlje«, Sandufer und Flussinseln, die Silhouette des Höhenzugs Frankengebirge.

Wer ein paar Kilometer entlang der Donau fährt, egal ob mit dem Fahrrad oder Auto, wird überrascht sein, wie schnell der Fluss sein Gesicht wechselt. Mal flankieren schroffe Felsen durch enge Schluchten den Weg, mal breitet sich die Donau aus wie ein gigantisch großer See. Manch ein Besucher fragte sich da: Habe ich wirklich nur einen einzigen Fluss gesehen?

Zu Gast bei Freunden auf dem Hügel von Kapitän Miša

Der Abend gehört nun der Chefin. »Lang wird die Sonne nicht mehr scheinen. Genießt sie noch ein paar Minuten. Ich muss jetzt schnell rein. Ihr seid sicher hungrig«, sagt Frau Stefanović und läuft den Weg hinunter, zurück zur Hütte. Ein paar Minuten zuvor hat sie uns gemeinsam mit ihrem Mann Živorad Stefanović auf ihrem Anwesen »Kapetan Mišin breg« im Nationalpark Djerdap mit einem süßen Honigschnaps begrüßt. Selbstgemacht, natürlich.

Frau Stefanović im Kapetan Mišin breg mit Honigschnaps

Frank Störbrauck

Für viele Touristen in Serbien ist ihr Zuhause einer der schönsten Orte des Landes. Ihr Zuhause, das ist – ja, was ist es eigentlich? Eine Mischung aus Holz-Skulpturengarten, Öko-Resort und uriger Einkehrstube für hungrige Wanderer.

Apropos hungrig: Das Kulinarikherz kommt hier in den deftigsten Himmel: zuerst die Medovača (Rakija mit Honig)  und die Proja (Maisbrot), dazu gebratene Brennesseln. Sie werden getunkt und gedippt. Und dann folgen die für Serbien so typischen Fleischberge mit geschmorte Hühnerleber, gegrilltem Huhn, Lammbraten und Würstchen. Garniert wird das Ganze mit selbstgemachten Krautsalat, Ajvar und gegrillten Pilzen. Živorad Stefanović und seine Frau flitzen um den Tisch und wachen mit Argusaugen darüber, ob es den Gästen auch schmeckt. Man fühlt sich wie Mama und Papa zu Hause.

Keine Frage: Wer hier zu Gast ist, hat das große Los gezogen. Geboten wird: Natur und großartige Gastfreundschaft. Man möchte den serbischen Behörden für das ungetrübte Glück, das einem hier geboten wird, einfach nur die Hände küssen. Denn niemand außer Familie Stefanović hat sich hier in den letzten Jahrzehnten mit ein paar Gästehäusern für Touristen niedergelassen. Keine hässlichen Bettenburgen aus Beton und keine stylischen Lifestyle-Resorts. Schon bald fühlt man sich dermaßen tiefenentspannt, dass man überhaupt keine Lust mehr hat, weiterzuziehen.

Die Frau, die im Kaffeesatz liest

Etwas nervös bin ich schon. Gleich soll sie kommen, die Wahrsagerin. Gordana heißt sie. Ich muss zugeben, mit Spiritualität habe ich so viel zu tun wie der Lakritz im Spinat. Aber neugierig bin ich schon. Schließlich sollen sie hier in Serbien zu Hause sein; diejenigen, die sich der weißen Magie verschworen haben. Gordana hat sich auf eine spezielle Form der Wahrsagerei spezialisiert: Sie liest die Zukunft im Kaffeesatz.

Dann kommt sie auch schon herein in die Stube. Unscheinbar wirkt sie. Sie hat pechschwarze Haare, trägt einen Schal und eine Weste. Sie nimmt gleich Platz und kommt ohne Umschweife auf den Punkt. Fotografiert werden, das stellt sie gleich klar, möchte sie nicht.

Ich möge bitte meine Kaffeetasse nehmen und sie anschließend umdrehen. Was in der Tasse haften bleibt, stellen Figuren dar, aus denen Gordana einen Blick in die Zukunft wagt. Ich blicke auf den Kaffeesatz und erkenne – nichts. Außer ein paar Krümel.

Kaffeesatz-Leserei

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Gordana aber erkennt den Kopf eines Pferdes. Das sei gut. Erfolg stelle sich bald ein. Ich werde auf Reisen sein, das sei auch gut. Jemand werde mir eine positive Nachricht überreichen. Alles also gut.

Bloß keine schwarze Magie!

Gordana gehört zu der Volksgruppe der Walachen, in Serbien werden sie Vlasi genannt. Sie pflegen bis heute besondere Bräuche. Die Magie gehört dazu. In Serbien unterscheidet man zwischen Wahrsagerinnen, die schwarze und weiße Magie betreiben. Gordana gehört zu den Wahrsagerinnen, wie weiße Magie betreiben.

Die schwarze Magie dagegen ist verpönt, erstaunlich viele Menschen fürchten sich vor ihr. Die Rede ist von zerstochenen Voodoo-Puppen, vergiftetem Kräutertee und eigenen Haaren, die man um Gottes Willen nicht einfach jemanden überreichen soll. Schon gar nicht seinem ärgsten Feind. Denn der könnte mit den Haaren Schindluder treiben, indem er eine Schwarze-Magie-Wahrsagerin aufsucht, die einem dann den Tod wünscht. Dann doch lieber ein bisschen Kaffeesatz-Leserei bei Gordana. Auch wenn ich kein Foto von ihr bekomme.

Info. Weitere Informationen über das Reiseland Serbien gibt es hier.