Eine Existenzgründung ist immer spannend. Bevor die beiden Lübecker Finn und Max ein Erlebnisdorf für Abenteurer in Schweden erschaffen haben, sind sie jahrelang auf SurvivalTouren durch ihre neue Wahlheimat gereist. Wie es sich anfühlt, den Schritt in eine neue Existenz im Ausland zu wagen und warum ihre Auffassung von Reise und Abenteuer besonders jetzt, inmitten der CoronaKrise, zeitgemäß und erfolgsversprechend sein könnte, erzählen Finn Reitenbach und Maximilian König im Interview.

Suche nach Entschleunigung in der Natur

Die CoronaKrise stellt die Reiseindustrie aktuell auf eine harte Probe. Wie geht ihr mit
der Situation um? Was ist die Idee von Viking Republic?
Wir sehen die Krise in vielerlei Hinsicht als Chance, die herkömmliche Art und Einstellung zum Reisen zu überdenken. Nicht zuletzt durch die sozialen Medien hat sich in den letzten Jahren eine fragwürdige Vorstellung von »dem perfekten Urlaub« in den Köpfen manifestiert, für die Natur und Klima eine hohe Rechnung zahlen

Viking Republic

Obwohl sich immer mehr Menschen im Alltag mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetzen, spielt es bei der Reiseplanung immer noch eine untergeordnete Rolle. Im Zuge der CoronaPandemie wird deutlich, welch hohen Anteil der Reise, besonders der Flugverkehr, an der Luftverschmutzung trägt. Weitermachen und weiterreisen wie bisher, war für uns schon vor der Krise keine Option. Mit Viking Republic haben wir ein Naturcamp am Rande des schwedischen Kornsjön See erschaffen, das Erlebnisund Abenteuerreise zu einem niedrigen CO2Fußabdruck bietet. Dafür mit maximaler Entschleunigung und einem hohen Maß an Selbstversorgung und Naturverbundenheit.

Wildcamping oder BlockhausUnterkunft am Kornsjön See

Neben Kanutouren samt ProfiAusrüstung und Versorgungspaket, haben unsere Gäste die Wahl zwischen Wildcamping oder einer BlockhausUnterkunft. Das Blockhaus-Dorf befindet sich noch immer im Aufbau. In einer Community aus freiwilligen Helfern, die gegen Kost & Logis unser Dorfleben mitgestalten, arbeiten wir diese Saison an der Fertigstellung. Mit diesem Angebot begegnen wir in der digitalen Welt dem Wunsch Vieler, endlich mal wieder etwas mit den eigenen Händen zu erschaffen und mit Naturmaterialien wie Holz in Berührung zu kommen.

Wie ist die aktuelle Lage in Schweden? Wie nehmt ihr die Corona-Politik wahr?

Derzeit ist Schweden eines der wenigen Länder, welches die Einreise für EU-, ESS-und Schweizer Bürger erlaubt und keine pauschale Zwangsquarantäne nach Ankunft verngt. Wenngleich Schweden auf Herdenimmunität spekuliert und das öffentliche Leben weitestgehend normal weiterläuft, so beobachten wir dennoch, dass die pflichtbewusste Bevölkerung die Empfehlungen zur CoronaBekämpfung– und Prävention ernst nimmt und nicht leichtsinnig handelt.

Kanufahrer in Schweden / Viking Republic

Viking Republic

Gesundheit hat selbstverständlich auch für unser Team und die Gäste oberste Priorität. Entsprechend haben wir einen Hygieneund Sicherheitskatalog erarbeitet, an denen sich alle zu halten haben. Unser 15Hektar großes Gelände bietet genügend Platz, sich auf ein Abenteuer auf Abstand einzulassen und die Weiten der schwedischen Wildnis zu erkunden. Schließlich ist das auch die Idee von Viking Republic: Raus aus der Zivilisation, rein in die Natur.

Schweden ideal für die Viking Republic

Warum funktioniert Euer Konzept in Schweden am besten?
Der ausschlaggebende Faktor ist die atemberaubende Natur. Außerdem ist Schweden aus der Deutschland, Österreich und der Schweiz gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie dem Bus, dem Zug oder der Fähre zu erreichenbesonders in Corona-Zeiten bieten diese Transportmittel genügend Platz, um ausreichend Abstand einzuhalten und damit das Infektionsrisiko zu senken.
Wieso setzt ihr mit Eurer Gründungsidee gerade auf diesen besonderen Mix aus Camping, Outdoor, Handwerk und Selbstversorgung? Es hätte ja auch einfach ein Bio-Bauernhof in der Heimat sein können.
Wir glauben, dass wir das alle wieder brauchen in unserer digitalisierten Welt. Es muss ja nicht jeder so komplett aussteigen wie wir. Aber eine gute Dosis davon und wenn auch nur im Urlaub tut allen Menschen gut. Richtig viel Zeit in der Natur zu verbringen und nicht in klimatisierten Hotelzimmern. Selber anpacken, spüren, was man alles mit den eigenen Händen anfangen und bewegen kann.
Gruppe junger Menschen am Lagerfeuer

Tegan Mierle

Am Ende des Tages erschöpft und stolz ins Bett fallen und im Lagerfeuer die Funken beobachten, während die Flamme immer wieder mit Holz genährt wird, das selbst geschlagen wurde. Schweden war für uns ein Sehnsuchtsort und bietet einfach die passende Weite in unberührter Natur.

Bedürfnis danach, sich mit der Natur verbunden zu fühlen

Warum glaubt ihr, dass die Philosophie von »back to basics« so ein großer Trend ist? Wo seht ihr ungehobenes Potential in der Reisebranche?
Viele Menschen verspüren das Bedürfnis, mit weniger klar zu kommen, sich auf das Wesentliche zu besinnen und sich mit der Welt und Natur verbunden zu fühlen. Die Themen Sinnsuche und Rückverbindung oder Rückbesinnung sind die Trendthemen der nächsten Jahrzehnte. Dazu gehören auch Trends wie Gärtnern oder Selbstversorgung oder auch bewusste Spaziergänge und Forestbathing. Bei uns gibt es das alles im Original und ohne HipsterSchnickschack.
Blick in dichten Wald

Etienne Delorieux

In welchen Berufen wart ihr vorher unterwegs? 
Wir kommen aus der Spedition und dem Groß- und Außenhandel. Besonders unser Know-How in Transport- und Logistikfragen hat uns bei der Planung und Umsetzung der Übersiedlung nach Schweden sehr geholfen.

Unterstützung aus dem Freundeskreis

Wie hat Euer Umfeld auf Eure Pläne reagiert?
Die Reaktionen sind sehr gemischt ausgefallen. Während die einen dem unbekannten Abenteuer mit Skepsis begegnen, bewundern andere das Selbstvertrauen. Von Sätzen wie »Wer soll denn inmitten der Abgeschiedenheit zu Euch reisen? Das kann doch nichts werden« bis »Hammer Idee. Toll, dass ihr Euch traut. Ich wünschte, ich hätte den Mut für sowas« war alles dabei. Besonders starke Bedenken und Gegenwind gab es, als es um das Thema Jobkündigung ging. Es sei unverantwortlich, sichere Positionen aufzugeben. Mittlerweile haben wir aber alle Freunde und Familie auf der Seite unseres Herzensprojekts und erhalten uneingeschränkt Unterstützung und Zuspruch.

Auseinerandersetzen mit Schwedens Bürokratie

Wie sind die Rahmenbedingungen für Gründer in Schweden? Was war die größte Herausforderung?

Da wir den Unternehmensgrundstein in unserer Heimat Lübeck gelegt haben, konnten wir innerhalb weniger Minuten online eine Zweigniederlassung für Schweden beantragen. Aber auch die Neugründung einer Firma ist für Nicht-Schweden recht unbürokratisch. Dennoch haben wir uns bei allen Schritten von einem in Schweden niedergelassenen Anwalt beraten lassen. Besonders die Baugenehmigungsverfahren für Campingplatz und Blockhäuser waren etwas aufwändiger.

Grüne Tasse im Bach

Jens Johnsson

Welchen Rat würdet Ihr anderen Gründern, die ebenfalls im Ausland gründen wollen, mit auf den Weg geben?
Gute Recherche und Austausch sind das A und O. Uns hat es sehr geholfen, mit anderen Auswanderern zu sprechen, die ihre Gründungsideen in Schweden bereits erfolgreich umgesetzt haben und wertvolle Erfahrungswerte mit uns teilen konnten. Für uns war das Auswandern keine fixe Idee, sondern bedurfte Jahre guter Überlegung und Vorbereitung. Wichtig ist, das Ziel seiner Träume richtig kennenzulernen, um auf Unterschiede aller Art gefasst zu sein und ihnen respektvoll begegnen zu können. Der größte Fehler ist, die gleichen Maßstäbe und Erwartungshaltungen wie an die Heimat anzusetzen.

Erst einmal schwedisch lernen

Wie meistert ihr kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren?
Wir haben im Umkreis des Camps sehr gastfreundliche Nachbarn, die uns besonders am Anfang geholfen haben, uns zu orientieren und Fuß zu fassen. Dennoch mussten wir viel Zeit in die Kontaktpflege investieren, um Teil der Gemeinschaft zu werden. Hier in Schweden spricht nahezu jeder Englisch, was den Alltag ungemein erleichtert. Dennoch ist es unser Anspruch, die Sprache des Landes, in dem wir leben und wirtschaften, irgendwann zu beherrschen, sodass wir Online-Kurse besuchen, in denen wir unser Schwedisch ausbauen.
Wie ist die Rollenverteilung bei Euch festgelegt? Wer übernimmt welche Aufgaben?
Wir sind beide Allrounder und Autodidakten, die sich in unterschiedlichsten Bereichen mit Fachwissen ergänzen. Da wir nicht nur Geschäftspartner, sondern auch langjährige Freunde sind, verstehen wir uns oft auch ohne viele Worte, das macht Vieles einfacher. Vision und Strategie von Viking Republic gestalten wir beide gleichermaßen mit. Im Tagesgeschäft leitet Max vorrangig das Projekt Blockhausbau, während ich die Gästebetreuung samt KanuEinweisung übernehme.
Viking-Republic-Gründer Finn und Max

Viking Republic

Ziel: autarkes Dorfleben in der Viking Republic

Wo geht die Reise mit Viking Republic noch hin?
Aus unserem Camp soll nach und nach ein autarkes Dorfleben erblühen. Dafür wollen wir sukzessiv immer mehr Blockhütten errichten und entsprechende Weichen für die Selbstversorgung stellen: Im nächsten Step planen wir einen Permakultur-Garten, eine am Tierwohl orientierte Tierhaltung und eine Messerschmiede. Mit Viking Republic sollen die Leute assoziieren: Hier finden Menschen unterschiedlichster Herkunft, mit unterschiedlichen Voraussetzungen und Träumen an einer Tafel zusammen– die einen nur für einen Midsommar, die anderen als Teil einer längeren Selbsterfahrung!
Habt ihr Angst vor dem Scheitern? 
Nein. Wir identifizieren uns zu 100 Prozent mit unserer Idee. Wir leben unseren Traum und glauben fest daran, dass genau dieser Grat der Selbsterfüllung unsere Vorhaben immer positiv beflügeln wird.
Mehr Informationen über Viking Republic gibt es hier.