Der Olymp der Hotellerie liegt in der südlichen Ägäis der Türkei. Eines sei vorweg gesagt: Er verdirbt auf Lebenszeit. Im Amanruya schwelgen die Gäste in gelassenem Luxus. Text: Ulrike Klaas
Das Rot der untergehenden Sonne breitet sich wie ein Tintenfleck langsam, aber beständig am Horizont aus, und die buckelige, sich windende Ägäisküste versinkt zusehends in einen Tiefschlaf. Die zwischen Oliven- und Pinienbäumen hervorlugenden Steinmauern des Amanruya glühen in der warmen Abendsonne intensiv rosafarben wie eine zu heiße Herdplatte. »Morgen wird das Wetter besser. Der Himmel wird klarer«, prophezeit Emine Ögün. Die Architektin des ersten türkischen Aman-Resorts steht zusammen mit ihrem Mann Mehmet Ögün oberhalb der Anlage und blickt auf die Vision ihres Vaters. »Es ist schon unglaublich, wenn es dann fertig ist«, sagt sie. Ob Turgut Cansever dieses Bild, was sich nun vor uns ausbreitet, so vor seinem inneren Auge hatte, als er das Grundstück 1970 erwarb?
Vor uns liegt ein Tal mit Blick auf eine friedvolle Szenerie aus wilder Natur und türkisblauem Meer. Die Bibliothek zur Rechten überragt wie ein Leuchtturm die Kulisse und wacht über den Pool, der sich lang reckt wie eine Giraffe, um an die besten Blätter zu gelangen. Die 36 Cottages des Amanruya fügen sich nahtlos in die wilde Landschaft ein. Eingebettet in üppige Vegetation, liegen sie verschachtelt und weitläufig verteilt am Hang, eingefügt wie Puzzleteile. Tatsächlich sind sie eher zu erahnen als mit bloßem Auge erkennbar. »Es sollte so aussehen, als ob das Resort schon immer hier gewesen ist«, erklärt Emine Ögün. Ihr Blick wandert gen Osten: »Dort hat der Traum meines Vaters angefangen.«
Das Architekturkonzept Cansevers wird fortgesetzt
Turgut Cansever galt in der Türkei als Visionär. Als ein Architekt, der die Traditionen bewahrt, aber gleichzeitig in die heutige Zeit transportiert, um ebendies zu erreichen. So baute er an der Ostseite des Geländes das »Demir Holiday Village«, das auf den ersten Blick mit seinen Steinhäusern wie eines der umliegenden Dörfer erscheint. Sein höchster Anspruch: das Umland berücksichtigen. 1992 bekam Turgut Cansever den Aga Khan Award für sein Ferienresort verliehen. Die Jury, bestehend aus Architektur-Koryphäen wie Frank O. Gehry oder Fumihiko Maki, begründete ihr Urteil damit, dass »der Preis für die Weitsicht eines Architekten verliehen wird, der traditionelle Formen der lokalen Materialien neu gestaltet hat, um eine stimmige Vereinigung aus neuen und alten Materialien zu erhalten. Das Ergebnis ist raffiniert und doch schlicht.«
Seine Tochter und sein Schwiegersohn setzten im Amanruya das Architekturkonzept Cansevers fort, der 2009 verstarb und die Eröffnung 2011 nicht mehr miterleben konnte. Jedes der 36 Cottages sei eine Herausforderung gewesen, erzählt Emine Ögün. Keines ähnelt dem anderen. Es galt, das wilde Gelände zu kultivieren, es dabei aber nicht zu zerstören. »Anfangs trauten sich sogar die Wildschweine, die ursprünglich auf dem Terrain gelebt haben, noch bis an die Häuser heran«, sagt die Architektin. Allein auf 160 Olivenbäume musste Rücksicht genommen werden. Das Resultat: Amanruya ist eine natürliche Schönheit. Ein friedvoller Traum, wie sich der Name übersetzen lässt, aus dem die Gäste nicht mehr aufwachen möchten.
Das Cottage? Großzügig und elegant!
Ich liege auf meiner erhöhten Sonnenterrasse, den Ozean fest im Blick, höre das leise Plätschern meines eigenen Pools, untermalt vom melodischen Zirpen der Grillen. Mein Cottage ist unglaublich großzügig und elegant, dabei weder protzig noch mit unnötigem Schnickschnack ausgestattet. Eher bodenständig und mit einem charmanten Selbstbewusstsein.
Dafür steht die Luxushotelkette Aman: gelassener Luxus, der bis ins letzte Detail durchdacht ist.
Bevor man denkt, etwas zu brauchen, liegt es bereit. Angefangen bei den Handtüchern, die schon griffbereit und auseinandergefaltet (!) an den Haken hängen und nicht zusammengefaltet wie üblicherweise. Ebenso der unglaublich flauschige Bademantel, der eben nicht auf einem Kleiderhaken wartet, sondern ebenfalls so aufgehängt ist, dass man nur noch hineinschlüpfen muss. Die Taschenlampe auf dem Nachttisch am Bett begleitet nächtliche Gänge auf die Toilette, ohne den Bettnachbarn zu stören. Die Flipflops stehen parat an der großen Flügeltür, die direkt zum Pool hinausführt, und der Regenschirm ist so an der Tür drapiert, dass selbst Vergessliche nur noch zugreifen müssen. Ein iPod mit rund 3.000 Titeln bietet für jede Stimmungslage die richtige Begleitung. Die Details sind so durchdacht und mit Verstand eingesetzt, dass man sie annimmt, ohne sie tatsächlich wahrzunehmen.
Draußen heizt die Sonne die Landschaft ein. Durch hohe Flügeltüren öffnet sich der Wohnraum auf die private Terrasse, die sich über mehrere Etagen ausbreitet. Zunächst wären da der eigene beheizte Pool aus grau-grünem Marmor und der überdachte Essplatz. Nach ausgiebigem Bad warten die Sonnenliegen auf einer kleinen Anhöhe, zu erreichen über eine steinerne Treppe. Wer genug Sonne getankt hat, kann über die Steintreppe das überdachte Daybed erreichen und von dort aus weiter den atemberaubenden und ungestörten Blick über die Buchten der Ägäis genießen. Es scheint, als seien die Grillen und ich allein auf der Welt. Mein Cottage ist ein Rückzugsort, der seinen Namen verdient. Der in seiner gleichzeitigen Schlichtheit und Opulenz eine Ruhe und einen Frieden ausstrahlt, die sich unweigerlich auf den Bewohner übertragen.
Großzügigkeit in allen Ecken
Tatsächlich geht das Amanruya mit einem Gut wirklich verschwenderisch um: mit Platz. Nicht selten kommt es vor, dass ich mich auf dem Weg zum Kieselstrand ins Restaurant oder zum Spa verirre, um mich dann treiben zu lassen, mit dem Wissen, irgendwann schon wieder auf vertraute Pfade zu gelangen.
Im Amanruya verliert man sich, ohne sich verloren zu fühlen.
Steinmauern begrenzen die Wege, die verbunden in einem Labyrinth aus Steinpfaden zu den Häusern führen. Einheimische Frauen haben jedes einzelne Kieselsteinchen dort eingepflegt und wahre Gehweg-Mosaike geschaffen. Die Wände der Häuser, die ab und an hervorlugen, sind mit rosarotem Schiefer verkleidet und mit rosa Mörtel versiegelt, was dem Ganzen einen fröhlichen, mediterranen Anstrich verleiht. Überall duftet es – mal nach Pinien, mal nach Thymian, dann wieder blumig nach Ginster. Ein Wäldchen führt bergab zum Kieselstrand mit breitem Steg zum Sonnenbaden, Daybeds zum Ausspannen, einem Restaurant sowie diversen geheimen Ecken und Nischen, die auch hier größtmögliche Privatsphäre bieten.
Wer im Meer faulenzen möchte, schnappt sich die hoteleigene Yacht
So fällt das Verlassen der »amanschen« Traumwelt ähnlich schwer wie das Aufstehen am Morgen. Doch auch wenn die Region nicht mit außergewöhnlicher Schönheit besticht, geschichtlich hat sie doch so viel aufzuwarten wie kaum ein anderer Ort in dieser Region. Hier wurden die Helden Homers geboren, befragten die Griechen ihr Orakel und errichteten die Römer ihre Tempelanlagen. Das Umland strotzt nur so vor antiken Juwelen wie Stratonikeia. Eine Stadt im Jahrhunderte währenden Dornröschenschlaf, wo sich die Natur teilweise ihr Terrain zurückerobert hat. Der Erbauer: Antiochos I. Stratonike war seine Angebetete und keine Geringere als die neue Frau seines Vaters. Verbotene Liebe im 3. Jahrhundert vor Christus. Antichos I. konnte nicht essen. Er konnte nicht schlafen. Sein Blick war schmerzerfüllt und gleichzeitig leer. Fürchterlich schwach, vegetierte er vor sich hin. Doch bevor der Herzschmerz ihn fast zugrunde gerichtet hätte, konnte der Vater es nicht mehr mit ansehen und überließ ihm seine Stiefmutter Stratonike, die der Sohn kurze Zeit später heiratete. Er erbaute eine Stadt komplett aus Marmor inklusive Akropolis und Burgtor und benannte sie nach seiner großen Liebe. Auch heute noch ist die Stadt weltweit einzigartig, denn sie ist die größte ihrer Art.
Wer der Faulheit frönen möchte, der schippert mit der hoteleigenen Yacht »Amanruya I« die Ägäisküste entlang. Macht Halt im Küstenstädtchen Türkbükü, das in den nächsten Jahren die Reichen und Schönen locken soll, bis dato aber eher etwas verloren und orientierungslos daliegt wie eine Landpomeranze in der Stadt. Oder man ankert im nahe gelegenen Bodrum, wo trubeliges Stadtleben wartet.
Als wir am Nachmittag aus Stratonikeia ins Amanruya zurückkehren, tröpfelt es. Emine Ögüns Wettervorhersage vom Vortag hat zumindest den Tag über gehalten. Ich bin heilfroh, wieder in mein friedvolles Traumreich sinken zu dürfen, aus dem ich mich heute nicht mehr wegbewegen werde. Was würde mir wohl das Orakel, das schon die Griechen damals hier in der Region befragten, wohl prophezeien? Wer einmal in einem Aman-Resort übernachtet hat, ist für die Zukunft verdorben!
Amanruya. Bülent Ecevit Cad., Demir Mevkii, Göltürkbükü, 48483 Bodrum, Türkei, Tel: +90 252 311 12 12, E-Mail: amanruya@amanresorts.com, Reservierungen über Tel.: 0800 181 3421 oder unter www.amanresorts.com
Anreise. Mit Turkish Airlines via Istanbul zum Milas-Bodrum International Airport. Von dort aus weiter mit dem kostenlosen Hotel-Shuttle rund 30 Autominuten bis ins Hotel. www.turkishairlines.com
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