Für Kenner sind sie ein Hochgenuss: die Austern der Region Marennes-Oléron im französischen Poitou-Charentes. An der Flussmündung der Seudre in den Atlantik boten sich schon seit Jahrhunderten optimale Austernzuchtbedingungen.

Anfang September ist die »offizielle« Austernsaison und besonders an der Atlantikküste in Frankreich laufen in den Familien die Vorbereitungen für ein exquisites Weihnachtsmenü. Nicht nur in Frankreich, auch in Deutschland sind die Austern der Marennes-Oléron in Delikatessenläden, in Feinschmeckerrestaurants und auf Großmärkten erhältlich.

Dinner angerichtet mit Wein und Austern

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Der Siegeszug der »Marennes-Oléron«

Aufzeichnungen zufolge war es der Römer Sergius Orata, der die ersten Austernparks in der Antike in der heutigen Poitou-Charentes anlegte. Heute bewirtschaften Austernzüchter trotz einiger Krisen der Vergangenheit noch über 3.000 ha Fläche und machen die Auster zu einem der Aushängeschilder der Region.

Eigentlich kam die Auster nur durch Zufall in Poitou-Charentes. Bis 1868 arbeiteten Züchter ausschließlich mit der Huître plate (Flachauster), einer heimischen europäischen Austernsorte. Als in jenem Jahr jedoch ein portugiesischer Kapitän seine Schiffladung aus Hygienegründen vor der Küste der Gironde-Mündung in den Atlantik werfen musste, breitete sich die Huître creuse (Hohlauster) durch günstige Strömungen bis ins Becken von Marennes-Oléron aus. Da sie sich als widerstandsfähiger und für Züchter unkomplizierter erwies, verdrängte sie in den kommenden Jahren die Flachauster fast völlig. 1922 vernichtete eine Seuche fast den gesamten Bestand der Flachaustern, weswegen Austernzüchter gezielt auf die Hohlauster setzten. Das gleiche Schicksal widerfuhr der portugiesischen Hohlauster in den 60er Jahren.

Drei geöffnete Austern aus Marennes-Oleron liegen serviert auf Steinplatte

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Doch Austernzüchter wussten sich schon immer zu helfen und siedelten in den 70er Jahren eine der portugiesischen Hohlauster ähnlichen Sorte aus Japan und Kanada an. Diese kennen Gourmets heute unter dem Namen »Marennes-Oléron«.

Doch was zeichnet die »Marennes-Oléron« heute aus?

Veredelt werden die Austern der Region in den sogenannten »Claires«. Es handelt sich um in wasserundurchlässige Böden gegrabene Becken, in denen die Veredelung der Austern erfolgt. Hier erhalten sie ihre einzigartige smaragdgrüne Färbung, indem sie ein Pigment der Kieselalge »Marennine« aufnehmen.

Smaragdgrüne Austern aus Marennes-Oléron

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Deswegen tragen die vier verschiedenen Austernsorten in ihrem Namen auch den Zusatz »Claire«. Als hochwertiges, landwirtschaftliches Produkt wurden die verschiedenen Austern bisher mit jeweils mindestens einem der beiden Gütesiegel ausgezeichnet:

Label Rouge: Ein offizielles nationales, vom Landwirtschaftsministerium seit 1983 verliehenes Gütesiegel. Es hebt die erstklassige Qualität eines Produktes hervor. Für die Marennes-Oléron Auster bezieht es sich auch auf die Sonderstellung durch die Grünfärbung, Mindestgrößen sowie Fleischanteil und einwandfreie Aufzuchtbedingungen.

AOC beziehungsweise IGP-Siegel: Ein Gütesiegel auf europäischer Ebene, welches das Alleinstellungsmerkmal einer regionalen Spezialität hervorhebt. Es schützt den Namen eines Produkts nach seiner Herkunft, Herstellungsmethode und Qualitätsmerkmalen.

Fine de Claire Auster auf Eis

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Die vier Austernsorten der Marennes-Oléron

Fine de Claire: eine kleine bis durchschnittlich große Auster mit geringem Fleischanteil, reich an Wasser und ausgeglichenem Salzgehalt. Mit ihrem feinen und milden Geschmack ist sie die ideale Auster für Einsteiger. Seit 2009 trägt sie das AOC-Siegel.

Fine de Claire verte: von ihrer Größe ist sie ähnlich der Fine de Claire; mit einem mittleren Fleischanteil, einem ausgeglichenen Geschmack und hohen Wassergehalt schmeckt sie Anfängern und Experten. Kenner schätzen ihre smaragdgrün schimmernde Erscheinung. Sie trägt das AOC und das Label-Rouge Siegel.

Fine de Claire verte - Grüne Austern

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Spéciale de Claire: eine deutlich größere und fleischigere Auster. Durch ihre Dicke sowie der konkaven Form hat sie einen deutlich größeren Fleischanteil als die Fines de Claire. Mit weißem Fleisch und grünen Kiemen ist sie ein typischer Vertreter der Oléron-Austern. Sie ist weniger salzig, mehr süß im Geschmack. Die bevorzugte Auster für Gourmets, die eher fleischigere Austern mögen. Sie trägt das AOC-Label.

Pousse en Claire: die größte und fleischigste Auster von allen. Früher war sie nur Eingeweihten vorbehalten. Durch ihre Größe, einem festen und elfenbeinweißfarbigen Fleisch ist sie unter den Austern einzigartig. Deutlich süßer im Geschmack. Für Liebhaber von fleischigen Austern ist diese Zucht die Krönung. Sie trägt das IGP- und das AOC-Siegel.

Austern aus Marennes-Oleron serviert an Buffet

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Wer frische Marennes-Oléron Austern in Deutschland erwerben möchte, wird zumeist über den Hersteller Gillardeau fündig. Die Produkte der Familie Gillardeau gelten in der Feinschmeckerwelt als Rolls Royce der Austern. Ihre Züchtungen sind für ihre fleischigen, im Geschmack nussigen Aromen über die Grenzen der Region Poitou-Charentes hinaus beliebt. Wer zum Urlaub auf die Île d’Oléron fährt, kann sich direkt in der ersten Ortschaft der Insel am 24h-Automaten frische Austern kaufen…

Mann öffnet Austern mit Messer

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La Cité de l’Huître

Mehr Einblicke in die Arbeit der Austernzüchter und in die Lebensweise der Austern bekommen Besucher nur in der Cité de l’Huître. Der Park erstreckt sich über 3,8 Kilometer entlang des Ufers der Seudre. Das Programm richtet sich an Erwachsene ebenso wie an Kinder. In verschiedenen Themenpavillons können sich Besucher durch Ausstellungen, Lehrvideos, Spiele und pädagogische Hilfsmittel (u.a. Mikroskope) zu wahren Austernexperten ausbilden lassen. Ganzjährig finden Veranstaltungen zum Thema Austernzucht statt. In dem zum Museumspark gehörenden Restaurant »Le Claire« besteht die Möglichkeit, die verschiedenen Austern in sämtlichen Variationen zu verkosten.