Die schlechte Nachricht lautet: Der berühmte Galapagos-Archipel in Ecuador gehört nicht nur zu den schönsten, sondern auch zu den stark gefährdeten Naturparadiesen auf der Welt. Und nun die gute Nachricht: Noch gehören ein paar Tauchtage vor Ort zu den Erlebnissen, die man nie wieder vergisst. reisen-EXCLUSIV-Autor und Fotograf Gerald Nowak fand: Hammer (-Haie!).
Tauchen auf den Galapagos: Schon nach dem ersten Tauchgang sprachlos
Für den ersten Tag unter Wasser ist das Programm wirklich nicht schlecht. Adlerrochen schweben gemächlich an uns vorbei, Weißspitzen-Riffhaie jagen sich spielerisch zwischen skurrilen Felsformationen, auch ein mächtiger Galapagos-Hai zeigt im milchigen Unterwasserblau schemenhaft seine Umrisse. Bevor wir uns dem ungefährlichen Koloss nähern können, gleitet schon die nächste Attraktion durch unsere Gruppe: eine riesige Schildkröte, die wie ein majestätisches Raumschiff im Weltall ganz, gaaaanz langsam auf ihrer Umlaufbahn kreist. Nervös ist die nicht.
Überhaupt zeigt niemand der zahlreichen Meeresviecher um uns herum auch nur das geringste Anzeichen von Anspannung. Angst, Scheu, Misstrauen? Kein Stück: Die Tierwelt auf den Galapagosinseln ist frei davon. Warum denn auch? Das Verhalten der Tiere ist typisch für die Traumdestination im östlichen Pazifischen Ozean. Weder über noch unter Wasser haben die hiesigen Tiere schlechte Erfahrung mit Menschen gemacht und reagieren entsprechend entspannt. Ein Traum. Wir würden mit offenen Mündern staunen, wäre das in unserer Lage nicht so eine blöde Idee. Unglaublich, diese Artenvielfalt rund um den Lavafelsen, wo wir uns gerade tummeln.
Unberührte Natur mit Wow-Effekt
Offenbar hatte Jose uns also wirklich nicht zu viel versprochen. Der einheimische Guide aus Santa Cruz empfing uns in San Cristóbal, der Hauptinsel des Galapagos-Archipels, persönlich. Zottelige Salzlocken unter blauem Käppi, T-Shirt, Flipflops, Ledermuskeln … – er setzte uns grinsend in einen klapprigen Bus, dessen Farbe irgendwie psychedelisch zwischen Orange und Grün schimmerte. Egal. Wofür hat man Sonnenbrillen?
Irgendwie schaffte uns der schnaufende Transporter dann tatsächlich in time zu unserem Schiff mit dem vielversprechenden Namen Sky Dancer. Mit ihm würden wir in den nächsten Tagen zu den spannendsten Tauchplätzen im Nordwesten der Galapagos-Inseln tanzen, im Rhythmus des pazifischen Wellengangs.
Für die meisten von uns war allein das Wort schon ein Mythos mit Gänsehaut-Potenzial: Galapagos. Verhieß das nicht unberührte Natur mit Wow-Effekt, Schildkröten so alt wie Methusalem, ein Meer voller Abenteuer? Jose grinste. »Wird cheiles Erlebnis!« Er hat eine deutsche Frau, einen amüsanten Akzent sowie das Gemüt eines Buddhas. Seine Ansage an uns in allen Lebenslagen: »Checken wir in Chuhe, mi Fräände.« Er war es auch, der uns für unseren Eingewöhnungstauchgang ein ruhiges Plätzchen ohne Strömung verordnete. »Leikt zu erchunden«, versprach er, damit wir uns nach der langen Reise erst mal wieder in der Schwerelosigkeit zurechtfinden, bevor es auf die offene See hinausgeht.
Hammerhaie hautnah
Nach Joses kurzer Einweisung brachten uns zwei Zodiacs zu dem Riff, um das herum wir nun schon eine halbe Stunde beseelt tauchen wie Kinder in einem gigantischen Aquarium. In einiger Entfernung gleitet wieder ein Galapagos-Hai auf uns zu. Vielleicht ist es ja derselbe wie vorhin und lässt sich diesmal ein wenig länger beobachten?
Aber nein, Jose hat andere Ideen: Er klopft mit einem Metallstab kräftig auf seine Tauchflasche. Mit der anderen Hand zeigt er nach rechts hinein ins trübe Blaugrau. Tatsächlich. Da bewegt sich was. Erst schemenhaft, dann immer deutlicher sind die Silhouetten der Tiere zu erkennen, die so langsam auf uns zuschweben wie Luftschiffe unter Wasser: Hammerhaie! Der Hammerhai ist nicht schön, aber selten. Ein beeindruckendes Tier, vor allem seinetwegen sind wir hier: auf Galapagos gibt es (noch) riesige Hammerhaischulen. Mehr als irgendwo anders auf der Welt.
Kein Zufall: Die Tiere kommen an die Küsten der Galapagos-Inseln, um sich dort von Parasiten befreien zu lassen. Dabei schwimmen sie an sogenannte Putzerstationen, exponierte Stellen im Riff, wo die Haie über den Felsen verharren und den kleinen Putzhilfen Zeit geben, ihre eigenen Hautparasiten in Ruhe abzunagen. Momentan lassen sie sich aber nicht annagen, momentan schwimmen sie. Und zwar elegant und geschmeidig auf uns zu.
Nach unserem galapagösen Tauchdebüt feiern wir erst mal
Hammerhaie greifen Menschen selten an, das wissen wir. Trotzdem sind die Bogenstirn-Hammerhaie, um die es sich hier handelt, weder besonders hübsch noch völlig ungefährlich. Das liegt an ihrer Größe. Alles, was vom bulligen Bogenstirn gerammt wird, dürfte mehr als nur ein paar Prellungen davontragen. Unsere grau-braunen, an einigen Stellen fast bronzefarbenen Giganten sind aber zum Glück nicht auf Kollisionskurs.
Elegant und vorsichtig gleiten einzelne Tiere an uns vorbei. Faszinierend. Atemberaubend. Möglicherweise kann ich auf diese sauerstoffsparende Weise ja ein bisschen länger durchhalten und die Tiere dabei beobachten, wie sie die Unterwasser-Speisekarte studieren. Da stehen in der Regel Sepien, Krebstiere und Rifffische, manchmal auch kleinere Haie drauf – wieso merkt man sich so was bloß?
Oder auch dieses »Wer wird Millionär«-Futter über Galapagos: Vom Spanier Tomás de Berlanga 1535 eher durch Zufall entdeckt, 1959 zum Nationalpark erklärt, mit 14 größeren und acht kleineren Inseln sowie rund 40 winzigen Eilanden heute längst Weltnaturerbe und von der Unesco als gefährdet eingestuft. Dazu brauch ich nicht mal einen Telefonjoker.
Sicheres Rückzugsgebiet – doch wie lange noch?
Interessiert aber an diesem ersten Abend auf der Sky Dancer ohnehin keinen Menschen. Wir feiern ausgelassen, verständlich, nach solch einem galapagösen Tauchdebüt. Und fragen uns: Wenn das nur der Anfang war, was werden erst die nächsten Tage bringen? Ich nehme die Antwort vorweg, Sie ahnen es ohnehin: Hammerhaie! Viele davon, in allen Formen, farblichen Nuancen und Größen.
Unser Schiff hat über Nacht 260 Kilometer auf ruhiger See zurückgelegt. Kurz nach Sonnenaufgang geht es bereits zum ersten Tauchgang in die sogenannte Shark Bay. Kaum abgetaucht, sind sie auch schon da. Wir paddeln locker um den Felsen, der an diesem Morgen von den Meeresräubern als Badezimmer für die Hauthygiene ausgewählt wurde. Es werden immer mehr, bis buchstäblich eine Wand aus Haien vor uns im offenen Wasser patrouilliert. Ein ergreifendes Naturschauspiel.
Aber auch traurig, weil man in derselben Sekunde daran denkt, dass diese majestätischen Geschöpfe weltweit gejagt werden. Millionen von ihnen sterben jedes Jahr – nur wegen ihrer Flossen, die ihnen bei lebendigem Leib abgeschnitten werden.
Hier auf den Galapagosinseln haben die Hammerhaie noch ein sicheres Rückzugsgebiet, solange der Naturschutz funktioniert. Doch wie lange wird das noch so sein?
Das Mekka der Hammerhaie
Die kommenden Tage verbringen wir vor der Insel Darwin. Darwin Island gilt als Mekka des Hammerhais, mehr (von ihnen) geht nicht. Nach der nächtlichen Überfahrt schält sich am Horizont der berühmte Darwin’s Arch aus dem dunstigen Himmel. Der Bogen ist ein Vulkanascheberg, den die raue See geformt hat. Benannt wurde er nach dem berühmten Naturwissenschaftler Charles Darwin, der hier im Jahr 1835 erstmals vorbeisegelte und gleich mal nachschaute, was es so alles zu entdecken gab. (Den Darwinfinken zum Beispiel …)
Unterhalb des Torbogens befindet sich ein Plateau, das in circa fünf bis sieben Metern Tiefe liegt. Es hat eine Breite von 20 Metern und eine Länge von knapp 100 Metern. Um der starken Oberflächenströmung zu entgehen, taucht man besser so rasch wie möglich ab und sammelt sich erst an der Felswand in zehn Metern Tiefe. Keine leichte Übung. Wer hier nicht über genügend Taucherfahrung verfügt, den zieht es in die Tiefe wie einen Mafia-Verräter. Anfänger sind hier schnell überfordert. Doch der sportliche Aufwand lohnt sich: Das hier ist THE PLACE.
Furchtlos mäandern Hai nur wenige Zentimeter der Kamera vorbei
Der ideale Treffpunkt für riesige Schwärme aller Fischarten, die man sich vorstellen kann. Große Jäger sind hier, aber auch riesige Walhaie. Im 30-Sekunden-Rhythmus sehen wir Dinge, für die beim TV-Kanal von National Geographic eine Sondersendung laufen würde. Nur wenige Meter von der Riffkante entfernt stehen drei Adlerrochen scheinbar mühelos in der Strömung. Mit ihren hydrodynamischen Flügeln schwimmen sie mühelos gegen heftigste Wasserbewegungen an. Füsiliere, Schnapper und Meerbarben ziehen in riesigen Schwärmen direkt über unseren Köpfen vorbei, eine silbrig schimmernde Fischkette.
Es dauert nicht lange, bis auch unser Freund, der Hammerhai, wieder auftaucht. Erst einzelne Exemplare, dann werden es immer mehr. Wie eine an den Rändern zitternde, ausfransende Wolke ziehen sie über uns hinweg, Silhouetten im Gegenlicht. Furchtlos mäandern einzelne Tiere nur wenige Zentimeter an meiner Kamera vorbei. Vermutlich werden sie zu Hause von einem komischen Typen mit Eisenkopf erzählen, der ein Blitzgewitter aus einem kleinen Kasten zaubern kann …
Isabela und die Robben
An unserem letzten Tauchtag vor der Insel Isabela senkt sich leise Wehmut mit uns ins Wasser. Heute ist ein großes Treffen mit Robben, Meeresechsen und Mondfischen geplant, aber die Echsen haben den Termin verbaselt. Dafür sind die diskusartigen Mondfische umso aktiver. Gleich mehrere gewaltige Exemplare haben sich an der Nordwestspitze der Insel Isabela versammelt, um sich an ihrer Putzerstation bedienen zu lassen.
Im Flachwasser der Bucht spielen derweil Robben miteinander. Es dauert nicht lange, bis wir mittendrin sind, statt nur dabei: Die Robben-Clique jagt in höllischem Tempo um uns herum, nichts und niemand ist vor ihrer spielerischen Zuneigung sicher. Wehe dem, der seine Flossen nicht festhält. Ein gezielter Biss, ein Ruck, und schon dienen sie als Spielzeug für die wunderbar schusseligen Fettmöpse. Die Robben erleben wir auf unserer Reise später noch einmal, auf einer Tagestour nach Bartholomé. Dort schnorcheln wir mit ihnen und einigen Pinguinen, bevor wir den Sonnenuntergang an der Inselspitze genießen.
Am nächsten Tag steht noch ein letzter Trip zur Insel Seymour an. Ein Parkranger führt uns über einen exakt markierten Pfad, der nur tagsüber betreten werden darf. In der Nacht gehört er einzig und allein den Tieren. Tölpel brüten am Wegesrand oder sonnen sich am Ufer. Wer genau hinsieht, entdeckt im Unterholz immer wieder mal einen der bedrohlich wirkenden, aber in Wahrheit viel zu trägen Landleguane. Perfekt getarnt liegen sie im Gebüsch oder sonnen sich in der Mittagssonne auf den Steinen.
Galapagos-Inseln: Ein Zoo ohne Zaun
Zwischen den Felsen dösen Robbenbabys, am Strand herrscht Tiefflugalarm. Im Dutzend eleganter stürzen sich Pelikane vom Himmel ins Wasser und jagen ganze Fischschwärme. Auf den schwarzen Lavasteinen hängen die berühmten Meerechsen ab, für uns kaum wahrzunehmen. Sie haben nicht nur die gleiche Farbe, sondern auch noch eine ähnliche Struktur wie ihr steiniger Untergrund angenommen. Hat man aber erst einmal eine entdeckt, kann man sich ihr ohne Probleme nähern. Robben, Pelikane, Tölpel, Leguane, Echsen – was denn noch? Ist das hier ein verdammter Zoo ohne Zaun?
Warum kann man solche Emotionen nicht in Tüten packen und mit nach Hause nehmen? Für Naturliebhaber und Fotografen ist der Galapagos-Archipel ein wahres Paradies, auch wenn es seine Zeit dauert, all die Erlebnisse zu verarbeiten, die hier innerhalb von ein paar Tagen auf uns einprasseln wie ein heftiger Sommerregen. Abends sitzen wir am Strand, schauen in ein kleines Feuer (keine Bange, unter Aufsicht des Rangers!) und werden immer stiller, immer melancholischer. Fragen kommen auf. Haben wir das hier alles verdient? Nein. Werden wir so etwas in nächster Zeit woanders finden? Nein. Erleben unsere Kinder diesen Garten Eden noch so, wie er heute ist? Nur, wenn wir auch dafür kämpfen. Für dieses Paradies lohnt es sich, den Arsch hochzukriegen. Hugh!
Tauchen auf den Galapagos – und sonst noch?
Anreise. Täglich mit Iberia via Madrid nach Quito oder Guayaquil in Ecuador.
Infos. Botschaft von Ecuador – Joachimsthaler Str. 12, Allianz-Gebäude, 10. Stock, 10719 Berlin, Tel.: 030 800 96 95, Fax: 030 800 96 96 99 E-Mail: info@ecuadorembassy.de Weitere Infos auf der Website des Fremdenverkehrsbüros der Galapagosinseln.
Tauchen auf den Galapagos. Bei schwankenden Wassertemperaturen von 16 bis 26°C: 7-mm-Anzug ist angebracht. Kopfhaube je nach Jahreszeit erforderlich. Handschuhe sind sinnvoll, da das Lavagestein scharfkantig ist.
Unterkunft. Die Pikaia Lodge auf der Isla Santa Cruz bietet Entdecker-Pakete für vier bis sieben Tage an, inklusive Verpflegung, Ausflügen auf der hoteleigenen Yacht und Landausflüge, bei denen auch die Charles-Darwin-Forschungsstation in Puerto Ayora besucht wird. Das exklusive Hotel verfügt über 14 geräumige Suiten, Restaurant & Spa. Drei-Tages-Paket ab ca. € 4.200 pro Person im DZ.
Autor Patrick Lettmann war ebenfalls auf den Galapagosinseln unterwegs und berichtet euch über seine Reise.
Informationen über das Tauchen auf den Galapagos und weiteren Aktivitäten in unserem Galapagos-Guide.
Außerdem zeigen wir, was man auf einer Ecuador-Reise sonst noch erleben kann.