Kroatien ist ein Reiseland vom Feins­ten. Malerische Hafenstädtchen, faszinierende historische Bauwerke und nicht zuletzt traumhafte Inseln gibt es hier in Hülle und Fülle. Und wenn man das alles links liegen lässt? Wird’s trotzdem ein toller Urlaub. Text: Alexander Schulz

Mehr als Meer gibt es im Landesinneren Istriens nun wirklich nicht zu vermissen. Und selbst das liegt uns zumindest zu Füßen, als wir durch die sanft geschwungene, sattgrüne Landschaft von Hügel zu Hügel tingeln. Und von Dorf zu Dorf, denn es scheint hier ein ungeschriebenes Gesetz zu sein, dass ein anständiges Dorf gefälligst auf einem Hügel zu liegen hat.

Uns soll’s recht sein, denn so jagt eine traumhafte Aussichtsterrasse die nächste, und wir können gar nicht so viel Kaffee trinken, wie wir gucken wollen. Mitunter gibt es aber auch längst keinen Kaffee mehr, denn eine Tour im Landesinneren Istriens führt einen nicht nur in bildschöne Örtchen, sondern auch in gottverlassene Landstriche und Geisterdörfer.

Grožnjan war Anfang der 1960er-Jahre auf dem bes­ten Wege, eines jener ausgestorbenen Dörfer zu werden. Dabei war der Ort einst ein wichtiger Verwaltungssitz und Militärstützpunkt der venezianischen Stadtrepublik. Das alte Stadttor und die zahlreichen typisch venezianischen Markuslöwen lassen das heute noch erkennen. Doch was nützen einem Markuslöwen, wenn man keine Arbeit und kein Auskommen hat und die Zukunft überall anderswo, aber nicht im eigenen Dorf stattzufinden scheint?

Ein Dorf wurde zur Künstleroase

Im Normalfall herzlich wenig, und deswegen verließen die jungen Leute auch in Scharen das Dorf. Doch manchmal kann eben auch Kunst die Rettung bringen, und die betrat 1965 in Gestalt des kroatischen Bildhauers Aleksandar Rukavina den Ort. Der verguckte sich in das dahinsiechende Dorf und besiegelte mit dem Bürgermeister von Buje einen Deal, der Grožnjan neues Leben einhauchte und den Weg in eine farbenfrohe Zukunft wies. Rukavina scharte 30 Künstler um sich, die die verlassenen Häuser instand setzten und dafür kostenlos dort wohnen durften.

Groznjan in Istrien

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So wurde Grožnjan zu einem im wahrsten Sinne des Wortes malerischen Dorf, durch dessen enge Gassen bis heute ein kreativer Wind weht. Die alten Gemäuer beherbergen jede Menge spannende Galerien, und besonders schön ist es im Sommer, wenn das ganze Dorf in ein Meer aus Klängen klassischer Musik gebettet ist. Dann nämlich ist Grožnjan für einige Wochen fest in der Hand talentierter Nachwuchsmusiker, die an der Sommerakademie der Jeunesses Musicales teilnehmen und aus ihren Übungsräumen den perfekten Soundtrack zum mittelalterlichen Ambiente erklingen lassen. Leise wird’s hier ohnehin den ganzen Sommer nicht. So sind sie halt, die Künstler … Wenn gerade keine Nachwuchscellisten zu Gast sind, laden sie sich internationale Jazz-Größen ein, die dann beim Jazz Festival jeden Abend bei freiem Eintritt Jazz der Extraklasse servieren. Und das nicht etwa ein Wochenende lang, sondern gleich drei Wochen.

Motovun bietet die perfekte Kulisse für einen Panoramaspaziergang

Eher was fürs Auge im Landesinneren Istriens ist das benachbarte Motovun. Und zwar nicht nur wegen des jährlichen internationalen Filmfestivals, sondern auch wegen des Stadtbilds. Der komplette mittelalterliche Ortskern ist erhalten, und die bis zu 800 Jahre alten Stadtmauern mit ihren Wehrtürmen und Stadttoren sehen nicht nur imposant aus, sondern bilden auch noch den perfekten Panoramaspazierweg rings um dieses Bilderbuchstädtchen, das sich vermutlich nicht wenige der anwesenden Filmschaffenden am liebsten gleich als Kulisse für den nächsten Historienfilm einpacken würden.

Titelvorschlag gefällig? Wie wäre es mit »Auf der Jagd nach dem weißen Gold?« Denn unterhalb von Motovun breitet sich das Mirna-Tal aus, das berühmt ist für eben jenes weiße Gold. Die weißen Trüffel Istriens wandern inzwischen für Kilopreise von mehreren Tausend Euro über die Ladentheke und haben den berühmten Trüffelkönig, Giancarlo Zigante, nicht nur reich gemacht, sondern auch ins Guinness-Buch der Rekorde gebracht. Das verdankt er der guten Nase seiner Spürhunde, die 1999 den mit gut 1300 Gramm schwersten je gefundenen weißen Trüffelpilz aufstöberten.

Verdammt leckere Trüffel

Vor lauter Hunger schon ganz albern, beschließen wir – frei nach dem Kalauer »Lieber weißes Gold im Magen als Weißgold am Finger!« –, den Reichtum des Trüffelkönigs noch ein wenig zu mehren und sein haubengekröntes Restaurant im nahen Livade anzusteuern. Ein teurer Spaß, dafür aber auch echt verdammt lecker! Doch ganz egal ob beim König höchstpersönlich oder anderswo – die nächste gute Konoba ist in dieser Gegend nie weit, und ohne sich eine der regionalen Trüffelvariationen gegönnt zu haben, sollte man hier nicht wieder abreisen. Wie wäre es zum Beispiel mit einem Teller Fuži, einer regionalen Nudelspezialität, mit weißen Trüffeln – ebenso einfach wie exzellent. Dabei sind die weißen Pilze nur einer von vielen kulinarischen Trümpfen dieser Gegend.

Teller Nudeln mit Trüffel

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Kaum weniger empfehlenswert sind das Olivenöl, der grüne Wildspargel und die Weine der Region. Zum Fleisch ein roter Teran, zum Fisch ein fruchtiger weißer Malvazija oder für romantische Stunden zu zweit ein Momanski Muskat, der nicht nur Nelkenduft, sondern angeblich auch aphrodisierende Wirkung verbreitet. Apropos Guinness-Buch: Folgt man der Mirna weiter flussaufwärts, landet man schließlich in Hum. Mit gerade einmal 23 Einwohnern die kleins­te Stadt der Welt. Auf den regelmäßigen Genuss aphrodisierender Getränke lässt das nicht unbedingt schließen …

Im Paklenica Nationalpark sind passionierte Kletterer genau richtig

Nicht aphrodisierend, in jedem Fall aber berauschend, wirkt ein Besuch im Paklenica Nationalpark in Norddalmatien. Das gilt vor allem für die in den letzten Jahren rasant gestiegene Zahl der Sportkletterer. Und während bei uns daheim überall Kletterhallen aus dem Boden schießen, gibt es hier inmitten einer wunderschönen Schlucht rund 400 Kletterrouten verschiedenster Schwierigkeitsgrade und mit der bis zu 300 Meter hohen und fast 500 Meter breiten Anica Kuk eine Wand, deren bloße Erwähnung bei Kletterfans schon für beschleunigten Pulsschlag sorgt.

Unterwegs im Landesinneren Istriens: Klettern im Nationalpark

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Wer sich mit Trüffeln und Wildspargel ein paar Kilo zu viel angefuttert hat, kann sie hier problemlos wieder loswerden, und wer sich das ganze Jahr in der Kletterhalle abgemüht hat, kann sich seinen verdienten Lohn abholen. Doch wir sind zum Wandern gekommen, denn auch dafür bietet der Park exzellente Bedingungen. Wir entscheiden uns für einen Gipfel mit dem wohlklingenden Namen Crni Vrh – wer braucht schon Vokale! 1.110 Meter klingen nicht gerade beeindruckend und denkbar ungeeignet, um zu Hause damit anzugeben. Berücksichtigt man allerdings, dass es am Meer, also bei null Metern losgeht, relativiert sich das Ganze schon ein wenig, und rechnet man noch 34 Grad im Schatten dazu und die Tatsache, dass wir vom Weg abkommen und noch diverse Nebengipfel mitnehmen, wird daraus im Nu die anstrengendste Wandertour meines Lebens.

Aber auch eine der schönsten. Denn das aus der Entfernung so karg und öd wirkende Velebit-Gebirge entpuppt sich als grünes Tier- und Pflanzenparadies. Wir wandern durch Schwarzkiefern- und Buchenwälder und sehen sogar ein paar der majestätischen Gänsegeier, die am Himmel kreisen und mit ihren mehr als 2,50 Metern Spannweite selbst aus der Entfernung furchteinflößend wirken. Auch Braunbären, Luchse und Wölfe gibt es hier, doch die begegnen uns ebenso wenig wie die giftigen Hornvipern und Kreuzottern.

Den ganzen Tag im Gebirge, abends schnell ins Meer springen

Dafür stoßen wir immer wieder auf imposante Felsformationen und gluckernde Quellen. Wir sind inzwischen so heißgelaufen, dass das Wasser – so kommt es uns zumindest vor – auf der Haut sofort verdampft, und doch tut es unglaublich gut, sich ein bisschen Kühlung zu verschaffen. Die Ausblicke sind schlichtweg phänomenal – zur einen Seite die Küste mit Zadar und der Insel Pag, auf der anderen Seite die sanft geschwungenen Gipfel des Velebit, die bis auf knapp 1800 Meter ansteigen. Unter uns an der Küste liegt Starigrad, und noch wissen wir nicht, dass wir erst kurz vor Einbruch der Dunkelheit wieder an unserem Ausgangspunkt ankommen werden.

Bis dahin sind die Kraftreserven endgültig bei null, für die paar Meter bis zum Strand reicht es allerdings noch, denn das darf man sich nicht entgehen lassen. Wo sonst kann man schon ohne lange Anfahrtswege den ganzen Tag im Gebirge verbringen und abends noch schnell ins Meer springen? Zugegeben, verglichen mit den unzähligen kroatischen Traumstränden macht die Bucht von Starigrad nicht unbedingt viel her, das Körpergefühl nach diesem Bad ist dafür umso fantastischer.

Krka-Wasserfälle

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Aber eigentlich wollten wir das Meer ja diesmal links liegen lassen, und deswegen geht’s vom Paklenica Nationalpark wieder geradewegs ins Landesinnere: in den nächsten Nationalpark. Und schönere Badestellen als die an den Krka-Wasserfällen wird man auch an der Küste nur sehr wenige finden. Auf einer Länge von rund 20 Kilometern stürzt sich die Krka gleich sieben große Wasserfälle hinab, von denen der Skradinski Buk der eindrucksvolls­te und meistbesuchte ist. Über 17 Stufen ergießt sich das Wasser inmitten einer geradezu tropisch anmutenden Bilderbuchlandschaft talwärts und bildet zwischendurch immer wieder kleinere und größere Becken.

Meer braucht man nicht, um hier glücklich zu sein

Direkt unterhalb der Hauptfälle gibt es eine große Badestelle, und auch der Blick auf den Skradinski Buk ist von hier aus sehr schön. Allerdings ist gerade in der Hauptsaison auch jede Menge los, weshalb es sich lohnt, über die angelegten Wege und Stege so weit wie möglich flussaufwärts zu wandern. Denn je weiter man geht, desto ruhiger und menschenleerer wird es und desto ungestörter kann sich der Zauber dieses Naturwunders entfalten. Wenn doch nur das Baden hier oben nicht verboten wäre …

Mit jeder Kurve und jedem neuen noch malerischeren Becken wird es schwerer, sich damit abzufinden. Das Wasser schillert wegen des hohen Kalkgehalts schon geradezu unverschämt türkis und derart einladend, dass man sich beinahe genötigt fühlt, hineinzuspringen. Und als ich dann an einem traumhaften Pool tatsächlich einige Wanderer vergnügt im Wasser plantschen sehe, ist es um meine Selbstdisziplin geschehen: »Na, wenn die hier baden, scheint’s ja wohl erlaubt zu sein…«, denke ich mit größtmöglicher Naivität, springe hinterher und bin mir sicherer denn je, dass man Meer nicht braucht, um glücklich zu sein.

Anreise. Pula und Rijeka werden von vielen Fluggesellschaften von zahlreichen deutschen Flughäfen aus direkt angeflogen.

Infos zum Landesinneren Istriens. Kroatische Zentrale für Tourismus,  Hochstr. 43, 60313 Frankfurt a. M., Tel.: 069 23 85 350, E-Mail: info@visitkroatien.de, www.croatia.hr

Hoteltipp.  Hotel Monte Mulini, Tel.: +385 52 636 000, www.maistra.com, Doppelzimmer je nach Reisezeit und Kategorie ab 276 € inkl. Frühstück