Der Kunst des Nichtstuns frönen? Oder Langweile pur, wenn man nicht gerade flittert oder taucht? Nicht im südlichen Addu-Atoll! Protokoll eines zweitägigen Maledivenurlaubs im Shangri-La Villingili. 

Tag eins, Addu-Atoll, 14 Uhr, Schnorcheln

Sieben Meter lang und zwei Tonnen schwer, gleitet der Manta lautlos dahin, mattschwarz glänzend wie frisch lackiert, das Schwänzchen tänzelt im Fahrtwind. Seine Höchstgeschwindigkeit: 12 km/h. Und ich neben ihm schwimmend – so hatte ich mir das jedenfalls vor meiner Reise auf die Malediven vorgestellt. Und so schnorchle ich mich nun systematisch am größten Korallenriff des Landes am südlichen Addu-Atoll entlang. Immer auf den Herzklopfenmoment wartend – ein bisschen wie vor einem Bungee-Jumping-Sprung, schwankend zwischen Angst und Vorfreude. Durch Schwärme von kleinen blauen Rifffischen und diversen größeren Batfishs, die mit ihren Streifen wie mit Zebrafell überzogen scheinen. Das ist besser als »Findet Nemo« in 3-D. Plötzlich hektisches Gestrampel einer Japanerin drei Armlängen entfernt. Manta, Manta? Nein, eine Schildkröte.

Shangri-La's Villingili Resort & Spa

Shangri-La’s Villingili Resort & Spa

Das Addu-Atoll ist ein herzförmiger Ring aus 20 unbewohnten und sieben bewohnten Inseln und liegt ganz im Süden der Malediven – einer der wenigen Plätze, an denen Mantarochen das ganze Jahr über anzutreffen sein sollen. Um dort hinzugelangen, fliegt man erst einmal über den endlosen Ozean, verziert mit kleinen sandfarbenen Inseln mit braun-grünen Tupfen, umrandet von dem türkisblauen Wasser der Lagunen, das sich im tintenblauen Indischen Ozean verläuft – mal in der Form eines Fisches, mal in der eines Spiegeleis. Der Überquerung des Äquators folgte die Verleihung der Urkunde: Der Steward überreichte jedem Passagier eine personalisierten Urkunde mit dem Status: Äquatorüberquerer. Nachdem ich mich beim Einchecken samt Koffer und Handgepäck wiegen musste, war ich dankbar, dass auf der Urkunde nicht auch mein Gewicht vermerkt war. Dass die Urkunde auf »Mister Klaas« ausgestellt war, nahm ich dafür gerne hin.

Villingili, 17 Uhr, Spa

Nach Anreise und Schnorcheltour ist Entspannung angesagt – schließlich bin ich auf den Malediven, dem Faulenzerurlaubsziel schlechthin. Mit meinem Fahrrad flitze ich über die Holzstege und durch den Wald zum 16.700 Quadratmeter großen Shangri-La-Chi-Spa-Dorf. Dieses liegt auf der höchsten Erhebung der Malediven. Mit etwa zwei Metern über dem Meeresspiegel ist es weltweit der niedrigste höchste Punkt eines Landes.

Shangri-La's Villingili Resort & Spa

Shangri-La’s Villingili Resort & Spa

Vorbei an mehreren kleinen reetgedeckten Häuschen, einem herrlich duftenden tropischen Garten und einem Yogapavillon, der erhöht auf den rauschenden Indischen Ozean ausgerichtet ist, fährt mich meine Therapeutin Bena in eine der insgesamt elf luxuriösen Behandlungsvillen. Ich bekomme eine Anwendung mit dem antiken Zahlungsmittel der Malediven: handflächengroße Tiger-Cowrie-Muscheln, die großen Schneckenhäusern ähneln.

Am zweiten Tag, Villingili, 10 Uhr, Dschungel-Spaziergang

Vogelfressende Bäume und die Frucht der ewigen Jugend bekomme ich am nächsten Morgen serviert. Der Inselbiologe führt auf Wunsch Hotelgäste durch den Dschungel. Zwölf Hektar üppiger Laubwald, hoch aufragende Bengalische Feigen, 17.000 Kokospalmen, drei Lagunen und 45 Pflanzenarten, so lautet die Inselbilanz – auf einer drei Kilometer langen und 800 Meter breiten Insel. Wir stehen vor einem Baum, dessen Stamm und Äste wie faseriges Fleisch aussehen und den die Insulaner »große Teufelskralle« nennen. Der Stamm hat sich geteilt und fällt zu beiden Seiten weg. Er ist so weich, dass man ihn ohne Problem eindrücken kann.

»Seevögel benutzen ihn gerne als Nistplatz«,

erklärt Biologe Markus. Allerdings fahre der Baum dann seine Krallen aus: Er beschwere die Vögel mit seinem Samen, sodass sie nicht mehr fliegen könnten und in seinem Inneren langsam verrotten würden. Schnell gehe ich weiter. Vorbei an Bäumen wie dem Chinese Lampion Tree, der seinen Namen wegen seiner weißen Blüten in Lampionform trägt, oder an einer Art Hibiskusbaum, der morgens gelbe Blüten trägt, die sich nachmittags ins Orangene verfärben, am Abend abfallen und dann braun werden. Überhaupt scheint es, als könne man auf den Malediven vom Boden essen.

»Ist das Harzer Käse?«,

wundere ich mich ein paar Meter weiter. Nein, das sei die Nonifrucht, sagt Markus. Die »Frucht der ewigen Jugend«, denn sie enthalte 2.000 Enzyme und wirke wahre Wunder bei Arthritis, Krebs und Bluthochdruck. »Mal probieren?«, fragt er und hält mir ein Stück der gelben Masse entgegen. Allerdings sieht sie nicht nur aus wie Harzer Käse, sondern riecht auch so. »Danke, ich fühl’ mich kerngesund.«

Feydhoo und Gan, 14.30 Uhr, Fahrradtour

»Hi, I’m Azza«, stellt sich mir eine junge Frau mit breitem Grinsen und blitzenden dunklen Augen vor. Azza Ali ist 21 Jahre alt, arbeitet im Shangri-La-Fitnessclub und nimmt mich mit auf ihre Heimatinsel. Auf den Malediven ungewöhnlich. Unter der Herrschaft von Maumoon Abdul Gayoom, der bis 2008 wie ein Diktator regierte, durften Ausländer nur mit Sondergenehmigung die »local islands« betreten. Er befürchtete die Verfremdung der Kultur des muslimischen Landes durch den Kontakt mit Touristen. Einheimischen- und Resortinseln sind immer noch streng getrennt.

Zehn Minuten dauert die Fahrt nach Feydhoo. Unser Plan: eine Radtour entlang der längsten Fahrradstrecke der Malediven. Denn die einheimischen Inseln im Addu-Atoll namens Gan, Feydhoo, Maradhoo, Maradhoo-Feydhoo und Hithadhoo sind durch Dämme miteinander verbunden und ergeben so 17 Kilometer durchgehende Strecke.

Im gemächlichen Tempo radeln wir an der Küste entlang in Richtung Gan, im Zweiten Weltkrieg ein britischer Luftwaffenstützpunkt. Graue Rollbahn, graues Flughafengebäude sowie moosgrün angestrichene Kasernen, umrankt von roten Bougainvillea, stehen im Kontrast zueinander. Nach einem Besuch des Souvenirladens und des Pools der Briten – eine Betonwüste ohne Wasser – kehren wir um und erkunden Feydhoo. Mit bloßem Auge ist das Ufer auf der anderen Seite zu erkennen. Die Insel hat gerade einmal die Breite einer achtspurigen Autobahn. Die geteerte Straße hört irgendwann auf und geht in eine holprige Schotterpiste über. Links und rechst stehen bunte kleine Häuser zwischen Palmen und Mauern, die von Bananenstauden umrankt werden. Während wir einträchtig nebeneinander in die Pedale treten, kommt sie in Plauderlaune: Ihre Mutter und die Schwester arbeiteten in der Regierung, die beiden Brüder gingen noch zur Schule. Sie arbeite seit der Eröffnung im Shangri-La, das sei ihr erster Job. Früher hätten alle aus dem Südatoll in den Norden ziehen müssen, um Arbeit zu haben. Im Süden seien sie Fischer, Regierungsmitarbeiter oder Kokosnusspflücker gewesen. Das Shangri-La-Resort gebe den Menschen im Süden Arbeit. »Tagsüber arbeite ich mit meiner besten Freundin zusammen und abends sitze ich mit meiner Familie beim Abendessen«, sagt sie und grinst.

Addu-Atoll, 17 Uhr, Delfin-Watching

Purzelbäume, dreifacher Rittberger oder fünffache Schraube – sie tun alles, um sich gegenseitig in ihren Kunststücken zu übertrumpfen. Wir sind vor anderthalb Stunden gestartet. Das Ziel: ein Rudel Delfine finden, das im Addu-Atoll heimisch ist. Doch anstelle von Schwanzflossen sahen wir zunächst nur den weiten Ozean. Wer etwas Verdächtiges in der Ferne aus dem Wasser lugen sähe, solle laut rufen. Aber nichts tat sich. Vor lauter Anstrengung schmerzten mir schon die Augen. Doch plötzlich waren sie da. Delfine, wohin das Auge reicht. Wer sie zunächst nicht sieht, hört sie quietschen und auf das Wasser platschen. Manche sausen neben dem Bug her, um sich mit dem Schiff zu messen, wieder andere schlagen Saltos und Drehungen, dass einem schon vom Zugucken schlecht wird, und wieder andere strecken ihre blassrosafarbenen Bäuche an die Wasseroberfläche und scheinen demonstrieren zu wollen, dass sie sogar noch auf dem Rücken schwimmend schneller als das Schiff sind. Das gibt Applaus. Die »Ohs« und »Ahs« wollen nicht enden.

Der dritte Tag, Frankfurter Flughafen, 18 Uhr

Ein Manta flitzt an mir vorbei. Quittegelb und ohne Fuchsschwanz. Allerdings befinde ich mich auch nicht mehr im Addu-Atoll unter Wasser, sondern vor dem Frankfurter Flughafen. Einen Mantarochen habe ich leider bis zu meiner Abreise nicht vor die Taucherbrille bekommen. Auch wenn ich mich in jeder freien Minute von der zweistöckigen Veranda meiner gigantischen 130 Quadratmeter großen Over-Water-Villa, die direkt ans Hausriff angrenzte, ins Wasser habe plumpsen lassen. Aber keine großen schwarzen Flügel weit und breit. Wehmütig blicke ich dem quittegelben Flügel hinterher. Zufälle gibt’s!

Hotel. Shangri-La Villingili, Villingili Island, Addu-Atoll, Republic of Maldives, Tel.:+9606897888, E-Mail: slmd@shangri-la.com, www.shangri-la.com/en/property/male/villingiliresort