Einen ganz besonderen Schatz hat sich Sri Lanka in den Höhenlagen bewahrt: den Anbau von Tee. Eine Fahrt ins Herz der Insel um Nuwara Eliya ist ein Erlebnis für sich. Noch näher kann man der guten alten Ceylonmischung nicht kommen. Text: Andreas Dauerer
Wie der Tee nach Ceylon kam
Leicht kommt er mir über die Lippen. Nuwara Eliya. So heißt der Ort in den Bergen Sri Lankas, den ich von der Südküste aus anfahre und den man so ausspricht, wie man ihn eben schreibt. Nur das mit dem Merken fällt mir schwer. In meinen Synapsen kann ich einfach noch keine Verbindung herstellen zwischen der Insel, die bis 1972 noch Ceylon hieß, und der englischen Teeindustrie, die hier einst tonnenweise Tee nach Europa und in die ganze Welt verschiffte. Dabei war es fast ein glücklicher Zufall, dass man gegen Ende des 19. Jahrhunderts Tee anbaute – und das bis heute beibehält. Wegen einer Pflanzenseuche, die den Kaffeeanbau ehemals unrentabel machte, schwenkte man um und versteifte sich auf den Anbau von Tee. Mit Erfolg. Noch immer ist Sri Lanka neben Indien, China und Kenia einer der größten Tee-Exporteure der Welt.
Die Natur fliegt vorbei, den Strand und das Meer von Galle habe ich längst hinter mir gelassen, und nach einer Stunde scheint es nur noch drei Farben zu geben: das Grau des Asphalts unter mir, das Blau des Himmels oben und der Rest: Grün. Wohin man blickt, die Insel scheint ein grünes Kleid mit allen erdenklichen Schattierungen zu tragen. Und das steht ihr ausgezeichnet. Der Dschungel wird allmählich spärlicher, und wir durchfahren Nadelwälder. Es geht leicht bergauf. Das Gelände wird hügeliger, die Kurven häufiger und mit jedem Meter, den wir mit dem Auto nach oben klettern, auch kühler. »Durchschnittlich 16 Grad«, weiß mein Fahrer Fernando. »Dafür gibt’s hier auch keine Malaria«, so der lustige Kahlkopf weiter. Kein Wunder, dass die Engländer sich hier oben auf 1.900 Metern etwas wohler fühlten als in der feuchten Tropenhitze unten. Nach und nach bauten sie Nuwara Eliya als Feriensiedlung aus. Heute kann man dort noch immer den alten Kolonialstil nebst Golfplatz, Pferderennbahn und Cricketfeld bewundern.
Jodelt der etwa?
Ich bin jedenfalls froh, dass ich tatsächlich einen dicken Pulli im Gepäck habe, der mich künftig vor diesem britischen Wetter schützen soll, zumal hier auch leichter Regen und Morgennebel nichts Ungewöhnliches sind. Die plötzliche Kühle scheint aber auch an den Einheimischen nicht ganz so spurlos vorbeizukriechen. »Bald ist ja Weihnachten«, sagt Fernando und blickt mich mit seinen dunkelbraunen Augen durch den Rückspiegel erwartungsvoll an. »Ich habe da etwas ganz Besonderes.« Es dauert ein paar Sekunden, bis das Autoradio die CD lesen mag. An der Höhenluft kann es nicht liegen, denn es erklingt tatsächlich vorweihnachtlicher Alpenkitsch aus den Boxen. Während wir gerade durch ein kleines Nebelfeld zuckeln, trällert Hansi Hinterseer doch tatsächlich ein »Leise rieselt der Schnee«, und ich habe kurz die Befürchtung, dass der Hochnebel nur der Vorbote eines kalten Unwettertiefs ist.
Plötzlich tauchen sie dann aber auf, unglaublich weich und sanft schmiegen sie sich in die hügelige Landschaft. Wohin man auch blickt, ein Teestrauch steht dicht gedrängt neben dem anderen, Plantagen, so weit das Auge reicht. Hansi Hinterseer ist auf einmal ganz weit weg, auch wenn er sich mit »O du fröhliche« noch einmal richtig ins Zeug legt, aber gegen das satte Grün und die kräftige Sonne, die sich ihren Weg durch den Nebel gebahnt hat, ist er chancenlos. Das satte Grün wird nur von dunklen Äderchen und leuchtenden Farbklecksen durchbrochen. Das Dunkle sind die kleinen Pfade der Teepflückerinnen, und die bunten Tupfer die Teepflückerinnen selbst, die in ihren farbenfrohen Saris ihrer täglichen Arbeit nachgehen.
»Männliche Pflücker gibt es nicht, das ist hier die Arbeit der Frauen«, sagt Fernando.
Der Tee muss gepflückt werden
Auf die Frage, warum das denn so sei, verweist er achselzuckend auf die alten Traditionen. Der Großteil der Arbeiterinnen sind Tamilen, die Ende des 19. Jahrhunderts von den Briten aus dem Süden Indiens geholt wurden. Heute führen deren Nachkommen die Pflückerei fort. Viel verändert hat sich in der Zwischenzeit an deren Arbeit nicht. Je Trieb werden nur die ersten beiden Blätter und die Knospe abgezupft, dann geht’s zum nächsten. Am Ende des Tages muss jede Frau etwa 20 bis 25 Kilo Teeblätter in ihren Säcken haben. Ihr Verdienst: umgerechnet etwa vier Euro. Nur zu verständlich, dass so manche Pflückerin einen Obolus von Touristen erwartet, die sie fotografieren wollen.
Nach getaner Arbeit werden die prall gefüllten Säcke zur Fabrik gekarrt, wo die Pflückerinnen ausbezahlt werden. Einen halben Tag lang werden die Teeblätter unter Heißluft gleichmäßig getrocknet, ehe sie in rostigen, lauten, ächzenden Maschinen weiterverarbeitet werden, die wohl nicht mal vor 50 Jahren als modern gegolten hätten. Da werden dann die Blätter zerquetscht, sodass der Pflanzensaft heraustritt, und schließlich kommt es unter einer ganz bestimmten Luftfeuchtigkeit zum Fermentierungsprozess. Die Blätter färben sich dabei rötlich braun, und der Tee entwickelt sein Aroma. Schließlich wird der Tee noch einmal gereinigt und nach Größe sortiert. Von der Güte und Vielfalt kann man sich dann in der eigenen Fabrikteestube gleich selbst ein Bild machen. Auch Kuchen gibt es. Die Auswahl auf der Karte ist auf den ersten Blick eine Aneinanderreihung von Abkürzungen. OPA, BP, PF oder BOP stehen darauf. Oder auch Gun Powder und Silver Tips.
Das kleine Tee-Einmaleins
BOP etwa steht für »Broken Orange Pekoe« und ist eine der gängigsten Schwarzteesorten, ein sogenannter gebrochener Tee. Das Teeblatt kommt also zerkleinert in den Handel, während sich PF, »Pekoe Fannings«, ideal für Aufgussbeutel eignet, da hierfür Restpartikel der maschinellen Teeproduktion verwendet werden. Der kostbarste unter den Teesorten versteckt sich hinter dem »Silver Tip«. Kostbar, weil dieser weiße Tee nicht so häufig zu ernten ist und deshalb in Deutschland bis zu 70 Euro kosten kann. 100 Gramm, wohlgemerkt.
Ob er das Geld wirklich wert ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Er schmeckt jedenfalls relativ zart und leicht süß und hat obendrein die Fruchtnote, wie sie für Tees aus Sri Lanka typisch ist. Dabei sollte man unbedingt auch den zweiten Aufguss erleben, da der Silver Tip erst dann sein volles Aroma entfaltet. Das ist insbesondere dann gut, wenn am späten Nachmittag die Temperatur sinkt. »Wir müssen dann weiter«, ruft Fernando und reißt mich aus meinen Gedanken. Freudig sitzt er schon im Auto, mit Hansi quasi auf dem Beifahrersitz. »Lasst uns froh und munter sein«, wimmert es mir entgegen. Immerhin, das Motto stimmt, denke ich bei mir. Und es sind ja auch keine zwanzig Minuten mehr bis zum Hotel in Nuwara Elyia, wobei ich inständig hoffe, dass Fernando auch noch eine zweite CD im Gepäck hat.
Anreise. Von Frankfurt a. M., München und Berlin fliegt man mit Qatar via Doha mehrmals wöchentlich nach Colombo. www.qatarairways.com/de
Unterkunft. Typisch britisch und mit etwas betagtem Charme schläft man im Grand Hotel. Ideal für einen Ausklang des langen Tages eignet sich die Bar nebst Snookertisch. www.tangerinehotels.com
Info. Allgemeine Informationen über Sri Lanka erhält man im Netz unter: www.srilanka-botschaft.de