Kundenservice? Fehlanzeige! Entschädigungszahlungen bei berechtigten Forderungen? Nichts da! Bei Problemen zeigen vielen Airlines ihren Kunden die kalte Schulter. Manche greifen sogar in die Trickkiste. Verbraucherschutz und Politik haben mittlerweile die Nase voll vom Ärger mit der Entschädigung für den Flug: Sie wollen das Prinzip der Vorauskasse bei Flugreisen abschaffen.
Die Verlockung ist groß: Der Flug nach Spanien ist für 60 Euro zu haben. Viele Strand- und Städtereiseliebhaber können solchen Angeboten kaum widerstehen – und packen ihre Koffer und düsen los. Dank zahlreicher Billigairlines wie Ryanair, Easyjet, Vueling und vielen anderen können sich auch heute auch viele Reisende mit schmalem Geldbeutel mehrere Flüge im Jahr leisten. Das ist eine gute Nachricht.
Einerseits. Anderseits haben solche Billigflüge auch ihre Nachteile. Die Rede ist nun nicht von der Ökobilanz, die die ungebremste Fliegerei zur Folge hat. Die Rede ist von dem Service der Fluggesellschaften. Service, der sich gegenüber den Kunden zeigt, wenn es Probleme gibt. Probleme mit dem nicht eingetroffenen Koffer. Mit Verspätungen oder gar Annullierungen der Flüge. In diesem Frühjahr und Sommer, nach Ende der meisten Corona-Maßnahmen, treten diese Probleme en masse auf.
Dann ist der Katzenjammer groß. Bei Problemen nämlich zeigten einige Airlines ihr wahres Gesicht. Und das ist nicht schön:
»Der Kundenservice ist nicht erreichbar und wenn Reisende Entschädigungen einfordern, werden sie abgewimmelt oder kommentarlos ignoriert«, kritisieren Flugrechtsexperten.
Manch einer fragt sich da: Was für ein Spiel wird hier eigentlich gespielt? Klar ist: Längst nicht jede Airline beteiligt sich an den höchst ärgerlichen Mätzchen. Und es sind nicht nur die Low-Cost-Carrier, die ihre Kunden mit einem unterirdischen Kundenservice vergraulen, sondern auch renommierte Fluggesellschaften.
Entschädigung für Flug: Verloren im AGB-Labyrinth
Wer einen Flug bucht, wirft in der Regel keinen Blick auf die allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Hat schon alles seine Richtigkeit, werden sich die meisten Reisenden denken. Pustekuchen. Einige Airlines mogeln in ihre AGB kryptische Formulierungen, die für juristische Laien ein Buch mit sieben Siegeln sind. Oder aber Passagen, die schlicht unzulässig sind. Ein gutes, besser gesagt schlechtes Beispiel gab Ryanair ab. Der Pionier der Billigfluggesellschaften regelte in seinen AGB, dass es Passagieren verboten wurde, Ansprüche gegen Ryanair an Fluggastrechteportale abzutreten. Im Juli 2018 erlitt Ryanair damit aber vor Gericht eine Bruchlandung: Das Abtretungsverbot sei unzulässig, so das Landgericht Nürnberg-Fürth seinerzeit.
Aber auch die AGB-Bestimmungen der Airlines, Fluggästen die Beförderung zu verweigern oder Nachzahlungen zu fordern, wenn Passagiere nur Teilstrecken ihres gebuchten Tickets nutzen, sorgt für Unmut. Beispiel: Der Hin- und Rückflug von Oslo über Frankfurt nach Singapur ist deutlich günstiger als der Hin- und Rückflug von Frankfurt nach Singapur. Es gibt immer wieder Passagiere (aus Deutschland), die in solchen Fällen die Oslo-Verbindung buchen, aber tatsächlich nur ab oder bis Frankfurt fliegen wollen. Das passt den Airlines überhaupt nicht, weshalb sie dagegen vorgehen. Europäische Verbraucherschutzorganisationen wiederum wollen die Sanktionen der Airlines gegen diese sogenannten No-Show-Passagiere aus den Angeln heben.
Zwar darf nach einem Urteil des BGH die Airline Nachforderungen stellen, wenn erkannt wird, dass der Passagier ganz offensichtlich das Tarifsystem umgehen will, anders ist aber die Situation, wenn sich kurzfristige Änderungen im Reiseplan des Passagiers ergeben. Reiserechtsanwalt Holger Hopperdietzel hat mit solchen Rechtsstreitigkeiten immer wieder zu tun. »Änderungen der Reiseroute, die nicht absehbar waren, sind keine Umgehung der Tarifbestimmungen der Airlines«, erläutert er. Allerdings zeige die Praxis, dass in solchen Fällen ein Rechtsbeistand zwingend notwendig sei. »Sonst kommt man nicht weiter«, so Hopperdietzels Beobachtung.
Versteckt außerhalb der EU
Ein weiteres Ärgernis ist es, wenn sich die Airline bei Ansprüchen gegen Sie darauf beruft, dass sie ihren Sitz gar nicht in der EU habe. Die Argumentation dahinter: Wir haben unseren Unternehmenssitz außerhalb der EU; ergo greift die EU-Fluggastrechte-Verordnung bei uns gar nicht. Ätsch. So ähnlich ging die ehemalige Fluggesellschaft Onur Air vor. Die Rechtsanwaltskanzlei Diekmann stellte damals ernüchtert fest: »In den uns bekannten Fällen reagiert Onur Air weder auf Mahnschreiben noch auf Klagen, mit welchen eine Entschädigung geltend gemacht wird.« Das ist höchst ärgerlich. Denn die EU-Fluggäste-Verordnung ist eindeutig auch für Fluggesellschaften mit einem Sitz außerhalb der EU gültig, die Flüge von europäischen Flughäfen anbieten.
Probleme bei der Flug-Entschädigung: Sie hören dann nichts von uns
Eine andere Unsitte ist sehr weit verbreitet: Die Airline taucht ab, sobald Forderungen gegen sie gestellt werden. Entsprechende Schreiben werden schlicht ignoriert. Das, so Flightright, habe man bei Iberia, Vueling, Aeroflot und Ryanair erlebt.
Ziel dieser befremdlichen Strategie: Man hofft darauf, dass der Passagier irgendwann entnervt die Brocken hinschmeißt und darauf verzichtet, seine Forderung tatsächlich auch durchzusetzen. Holger Hopperdietzel ist hier zwiegespalten. Mit türkischen Airlines gebe es diesbezüglich einige Probleme. Auf keinen Fall möchte er aber alle Airlines über einen Kamm geschoren sehen. So weist er darauf hin, dass viele Fluggesellschaften einen exzellenten Kundenservice haben.
»Vor allem die US-amerikanischen Carrier wie United Airlines und American Airlines sind sehr kundenorientiert. Aber auch mit asiatischen Fluggesellschaften wie Thai Airways oder Singapore Airlines haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht. Die antworten schnell und in der Sache oft auch im Sinne der Kunden«, sagt er.
Und wenn man bei einer Airline einmal auf Granit beißt? In solchen Fällen hat man dann drei Möglichkeiten. Erstens: Man tritt seine Forderung an Fluggastrechteportale wie Flightright ab. Zweitens: Man besorgt sich einen Rechtsanwalt und klagt gegen die Airline, wenn auch dessen Mahnschreiben im Nirwana verpuffen. Drittens: Man schaltet die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp) ein und bittet um Vermittlung.
Kommt die Abschaffung der Vorauskasse?
Der Verbraucherschutz und einige Politiker haben mittlerweile die Nase voll von dem Ärger, den die Airlines mit ihrer Verzögerungstaktik verursachen. Sie fordern seit der Corona-Pandemie den Wegfall der Vorauszahlungspraxis. Das heißt: Bezahlt werden soll der Flug nicht wie bisher Monate im Voraus, sondern erst bei Flugantritt. »Das Prinzip der Vorkasse gleicht einem Strohfeuer, das stets genährt werden muss, um nicht sofort zu verlöschen. Fairerweise sollte ein Flug erst bei Flugantritt bezahlt werden müssen«, sagt Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband. Das Verbraucherschutzministerium fordert, dass Airline von sich aus die Gelder für ausgefallene Flüge erstatten müssen – und nicht erst auf Veranlassung des Fluggastes.
Das Land Niedersachsen will nun nicht länger warten. Es hat eine Bundesratsinitiative gestartet mit dem Ziel, die Vorauskasse-Praxis zu beenden. »Allein in diesem Sommer sind bislang mehrere tausend Flüge gestrichen worden. Grund dafür sind Personalengpässe, die die Luftfahrtbranche selbst zu verantworten hat. Zu Beginn der Corona-Pandemie haben Airlines gar versucht, Kunden mit Gutscheinen anstatt Rückzahlungen abzuspeisen. Und bei Insolvenzen gehen Reisende in der Regel leer aus«, argumentiert Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU). Mit der Bundesratsinitiative wolle man sich dafür einsetzen, dass Vorkasse für Flugtickets schon bald der Vergangenheit angehöre. Damit solle der Verbraucherschutz für Reisende deutlich verbessert werden.