Das Auge wandert mit: üpig bewachsene Vulkankegel, türkisfarbene Kraterseen, bizarre Klippen, saftig grüne Wiesen und rot blühende Hortensienhecken – die Azoren sind ein ursprüngliches Paradies für Naturverbundene und Wanderliebhaber. Text: Ulrike Klaas
Als die portugiesischen Entdecker das erste Mal den Azoren entgegensegelten, fielen ihnen die vielen Greifvögel auf, die in der Luft gekonnt die Winde ausnutzten. Für die Portugiesen war klar: Das sind Habichte, auf Portugiesisch »Açores«. Und so nannten sie den kleinen Archipel mitten im Atlantik »Arquipélago de los Açores«. Allerdings ließen sie sich wohl von den gelben Füßen der Vögel täuschen, denn eigentlich waren es keine Habichte, die dort umhersegelten, sondern Bussarde. Als der Irrtum festgestellt wurde, hatten die Azoren allerdings schon ihren Namen weg.
Ozean und nichts als Ozean umgibt die neun Inseln des Archipels. Die kürzeste Entfernung zum Festland? 1.500 Kilometer bis nach Europa, zur portugiesischen Westküste, und 2800 Kilometer bis zur nächsten Küste im Nordwesten, zum Festland Neufundlands. Bis nach New York sind es sogar 4.000 Kilometer. Selbst der nächste Archipel im Atlantik, die Madeira-Gruppe, liegt rund 900 Kilometer entfernt. Eben ein echter Geheimtipp im Atlantik, wo die Touristen meist die Naturschönheiten ganz für sich allein genießen können.
Das berühmte Azorenhoch scheint leider immer weit weg zu sein
Aber auch untereinander trennen die neun immergrünen Inseln oft Hunderte von Kilometern. So liegen zwischen der westlichsten Insel Corvo und der östlichsten namens Santa Maria rund 600 Kilometer. Die Inseln bilden eine Landfläche von zusammen 2335 Quadratkilometern, das entspricht ungefähr der Größe Luxemburgs. Von hier kommt das von Europa geliebte »Hoch«. Allerdings scheint das Azorenhoch selten zu Hause zu sein und sorgt lieber woanders für schönes Wetter, denn Sonne, Regen, Wind und Wolken wechseln so schnell wie eine pubertierende 13-Jährige ihre Launen. Jedes Eiland ist anders, jedes einzigartig. Und alles ist ein bisschen anders als anderswo: Hier gart der Eintopf im Vulkan, und Stierkämpfe gibt es nur ohne Blut. Was man dort noch erleben kann?
Abwarten und Tee trinken auf São Miguel
Die meiste Zeit sind sie von weißem Nebel verhüllt wie kostbare Gemälde, die nur zu besonderen Anlässen enthüllt werden: Die beiden schönsten Seen der Azoren, der Sete Cidades und der Lagoa do Fogo, die in einem Vulkankrater ruhen. Ein märchenhafter Anblick, denn ein See schimmert blau und der andere grün.
Wenn allerdings eine dichte Wolkendecke über dem Krater hängt, heißt es: abwarten und Tee trinken. Praktisch, dass das größte Eiland der Azoren die einzigen Teeplantagen Europas beherbergt.
Das feucht-milde Klima und der fruchtbare Boden sind auch für die Blumenpracht, die die Inseln überzieht, verantwortlich. Von violett und blau blühender Hortensienbüsche über Geranien, Strelitzien und Kapuzinerkresse bis hin zu Genussdingen wie Ananas, Zuckerrohr und Tabak. Im Osten der Insel, im Kurort Furnas, bräuchten die Bewohner dank der vulkanischen Erde nicht einmal einen Herd, um Köstlichkeiten auf den Tisch zu zaubern wie den traditionellen Eintopf namens Cozido das Caldeiras. Dieser wird nämlich durch die Erdhitze gegart und brodelt sechs Stunden lang in der Vulkanlandschaft des Terra Nostra Garden. Zur Mittagszeit können die wohlduftenden Töpfe dann mit Eisenstangen aus den dampfenden Erdlöchern geholt werden. Viele Restaurants bieten diese vulkanische Spezialität an.
Ein prima Ort, um Wale und Delfine zu beobachten
Wie viel wiegen 39 VW Golf? 50 Tonnen! Ebenso viel bekommt ein ausgewachsener Pottwal auf die Waage. Die Azoren, speziell vor der Südküste Picos, zählen zu den besten Plätzen der Welt, um verschiedene Arten von Walen und Delfinen zu beobachten. Der Walaussichtsturm liegt natürlich auf dem höchsten Berg Portugals, dem Vulkan Pico, der 2351 Meter misst. Der Kapitän des Ausflugsbootes steht in ständigem Funkkontakt zum Aussichtsturm, sodass die Meeressäuger schnell und zuverlässig aufgestöbert werden. Überhaupt sind die Azoren auch für Taucher ein Eldorado. Unterwasserhöhlen, Grotten und die Fauna machen jeden Tauchgang zu einem besonderen Erlebnis.
Neben dem Giganten der Meere und dem höchsten Berg Portugals hat das Inselreich Picos auch Hochprozentiges zu bieten. Die Weingärten am Fuße des Vulkans zählen seit 2004 zum Unseco-Weltkulturerbe. Die von Lavamauern eingefassten Parzellen bilden ein riesiges steinernes Netz, und jeder Bauer produziert seinen eigenen Wein.
Yachten aus aller Welt schaukeln im Hafen des beschaulichen Fischerdorfes Horta, der Inselhauptstadt von Faial. Rund 1700 Segler steuern den Hafen jährlich an – und jeder hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Bevor die Segler wieder in See stechen und weiter den Atlantik überqueren, hinterlassen sie ein Gemälde an der Kaimauer. Diese farbenprächtige Werke fügen sich zum größten maritimen Gemälde der Welt zusammen und geben dem Hafen ein einzigartiges Gesicht. Sehenswerte Kunstwerke gibt es auch im Stadtmuseum, wo, unter anderem die Arbeiten des Künstlers Euclides Selveira da Rosa ausgestellt sind. Das Besondere? Die Werke stellte der Künstler aus dem weißen Mark des Feigenbaumes her. Abends treffen sich die Atlantiküberquerer dann in »Peter’s Café Sport« und tauschen bei einem »Gin à Memória«, einem Longdrink aus Gin und frisch gepresstem Ananassaft, ihre Memoiren aus.
Paradies für Wanderer und Höhlenbesucher
Sattgrüne Landschaften und Berge, die den Blick auf blühende Felder und den Ozean freigeben, prägen das Inselbild Terceiras. Auch der größte Krater der Azoren, die Caldeira de Guilherme Moniz mit einem Durchmesser von 15 Kilometern, ist hier beheimatet. Wanderer finden hier ebenso ein Paradies wie Höhlenforscher. Im Naturschutzgebiet Algar do Carvao befinden sich zwei 100 Meter tiefe Grotten mit einem See sowie beeindruckenden Stalagmiten und Stalaktiten. Auch die Grotten Balcoes, Agulhas und Natal sowie die Höhlen Agua sind besuchenswert.
Sportlich geht es auch auf dem Wasser zu. Hochseefischen, Tauchen, Windsurfen und Segeln gestalten die Freizeit von Wassersportfans abwechslungsreich. Wer lieber festen Boden unter den Füßen hat: Der 18-Loch-Golfplatz des Club de Golfe da Ilha Terceira ist gespickt mit Bunkern und Wasserhindernissen sowie eingebettet in eine üppige Natur. Und über allem wacht der Heilige Geist. Kleine kitschige Häuschen, angestrichen in Weiß und Bunt und Goldfarben, stehen zu Ehren des Heiligen Geistes an jedem Ortseingang und werden Imperios oder Heiliggeisttempel genannt. Rund 60 davon gibt es auf Terceira. Jedes Jahr werden sie zur »Festas do Espirito Santo«, zum Fest des Heiligen Geistes, frisch herausgeputzt und erstrahlen im neuen Glanz.
Hinfliegen, Infos & mehr
Anreise. Sata Internacional fliegt ab Frankfurt a. M. nonstop nach São Miguel, www.flysata.de, TAP Portugal fliegt ab Frankfurt a. M. über Lissabon, www.flytap.com
Inselhopping. Sata Air Açores bietet innerhalb der Azoren Flüge zu allen Inseln an, teilweise mehrmals täglich, www.sata.pt. Passagierschiffe der Transmaçor verkehren zwischen Faial, Pico und São Jorge sowie zwischen Terceira und Graciosa, www.transmacor.pt. Unter Ferrylines.com können Fähre zwischen Faial, Terceira, Pico und São Jorge gebucht werden, www.ferrylines.com
Golfen. Terceira, Club de Golfe da Ilha Terceira, 18-Loch-Kurs, Par 72, 6227 Meter – keine Handicap-Beschränkung Green Fees ab 25 €, www.terceiragolf.com
Walbeobachtung. Buchbar bei Espaço Talassa Lda., 9930 Lajes do Pico, www.espacotalassa.com oder über Pico Sport Lda, 9950 Madalena Pico Island, www.whales-dolphins.net
Info. Portugiesisches Fremdenverkehrsamt Frankfurt, Tel.: 00800 2035 2035, www.visitportugal.com