Andere Länder, andere Sitten. Das gilt natürlich auch, wenn Ausländer auf Deutschland blicken. Allein: Was ist denn bitteschön typisch deutsch? Ämterstuben, Zuverlässigkeit und Mülltrennung? Ausländische Journalisten, die seit Jahren aus Deutschland in ihre Heimatländer berichten, haben es in dem Buch »Typisch deutsch« verraten.
Als Deutscher hat man ja nicht unbedingt den klarsten Blick auf sein eigenes Land. Wer Deutschland mag, sieht vermutlich vor allem die positiven Seiten. Das Gesundheitswesen, die Infrastruktur, die Pünktlichkeit und die Gemütlichkeit. Wer Deutschland kritisch sieht, denkt vielleicht eher an humorlose, verdruckste Typen in Birkenstockschuhen. Bevor wir uns nun zu sehr im Klischee-Irrgarten verlaufen, lassen wir doch einfach ein paar ausländische Journalisten zu einzelnen Stichworten zu Wort kommen. Und vielleicht sind wir Deutschen am Ende doch ganz anders als die Welt oder wir selbst immer dachten …
Typisch deutsch, Matthias Baxmann und Matthias Eckoldt (Herausgeber), 160 Seiten, erschienen bei Travel House Media, München, 2017, 1. Auflage, ISBN 978-3-8342-2200-8.
Autofahrer: Flitzer auf der Autobahn
Fatima Lacerda, Brasilien: »Ich denke manchmal, das Auto ist das eigentliche Zuhause des Deutschen. Dort fühlt er sich wohl. Da kann er alles machen, was er will.«
Derek Scally, Irland: »Manchmal denke ich, wenn ich mit Freunden auf der Autobahn unterwegs bin, dass einige deutsche Autofahrer eine Art Todeswunsch haben. Wir fahren dann schon schnell, so bis 200 km/h, aber dann jagt plötzlich ein anderes Auto mit noch höherer Geschwindigkeit an uns vorbei. Da kann ich nur den Kopf schütteln.«
Bahnfahrer: Schön pünktlich
Duc Chung Nguyen, Vietnam: »Die Bahn in Deutschland ist hervorragend. Man kommt fast überall damit hin. Sie ist meist auch pünktlich. Das kannte ich so aus Vietnam nicht. Da kommen Bus und Bahn nicht zu einer bestimmten Zeit, sondern sporadisch.«
Flaminia Bussotti, Italien: »Ich muss immer lächeln, wenn in Deutschland – ebenso in Österreich – auf den Bahnhöfen eine Verspätung von ein paar Minuten angesagt wird und man sich dann bei den Fahrgästen entschuldigt. Bei uns in Italien würde man sich freuen, wenn ein Zug nur ein paar Minuten Verspätung hätte.«
Begrüßung: Servus und Mahlzeit!
Patricia Salazar Figueroa, Kolumbien: »In Bayern sagt man ständig Servus. Bis heute weiß ich nicht, wann man das eigentlich sagt. Zur Begrüßung oder zum Abschied?«
Deborah Cole, USA: »Unter den deutschen Begrüßungen finde ich Mahlzeit am lustigsten. Da könnte ich jedes Mal lachen, wenn ich das höre. Das wird einem zugeworfen, ganz ernst, ohne ein Lächeln. Das ist so formal.«
Cafés: Wie in bella Italia!
Kapka Todorova, Bulgarien: »Die Deutschen sitzen bei ihrem Cappuccino oder Latte Macchiato und lassen es sich gut gehen, als wären sie im Urlaub. Das habe ich mit meinem Bild von den Deutschen überhaupt nicht zusammenbekommen.«
Feierabend: Nun ist aber Schluss!
Duc Chung Nguyen, Vietnam: »Mir scheint, den Deutschen ist der Feierabend heilig. Ich habe einmal nach 18 Uhr versucht, einen technischen Fachmann zu bekommen. Das war nicht möglich, da geht niemand mehr ans Telefon. Das wäre in Vietnam anders. Da findet man immer jemanden, der noch vorbeikommt.
Flirten: Anders als woanders
Fatima Lacerda, Brasilien: »Die Deutschen können einfach nicht flirten. (…) Augenkontakt ist in Deutschland eine der wenigen Mangelwaren. Man schaut einen Fremden nur an, wenn er einen stört.«
Hany Ghanem, Ägypten: »In Ägypten kann man zu einer völlig unbekannten Person sagen: Hi, wie geht es dir? In Deutschland heißt es dann gleich: Was wollen Sie, bitte? In Ägypten gehört das Flirten zum Alltag.«
Tatjana Firsova, Russland: »O Gott! Ich weiß nicht, wie die Deutschen Familien bilden. Durch Flirten jedenfalls nicht. Wenn man als Frau in Deutschland angeflirtet wird, dann entweder von einem geistig Gestörten oder einem sehr in die Jahre gekommenen Mann.«
Gastfreundschaft: viel zu reserviert?
Edith Oltay, Ungarn: »Auf einer Skala von 1 bis 10 würde ich den Deutschen beim Thema Gastfreundschaft eine 5 geben. Sie ist sehr reserviert und misstrauisch. Das gilt im Übrigen für die Ungarn auch.«
Yaotzin Botello, Mexiko: »Die Deutschen sind nicht sonderlich gastfreundlich. Als ich hier angekommen bin, war das sehr schwer.«
Nacktheit: So viel FKK
Tatjana Firsova, Russland: »Die Deutschen und Nacktheit passen sehr gut zusammen, vor allem wegen dieser FKK-Kultur, die es meines Wissens ansonsten in keinem anderen Land gibt. Auch die Nacktheit in den öffentlichen Saunen war für mich sehr irritierend.«
Hany Ghanem, Ägypten: »Die viele nackte Haut scheint mir eine Reaktion auf den geordneten Alltag und auf den langen Winter zu sein. (…) Es ist egal, ob das ein junges Mädchen oder eine alte Frau ist. Die zeigen alle ihre nackte Haut. Das finde ich sehr gesund.«