Ganz im Süden Italiens in der Bucht von Neapel lockt eine Insel, die als Traumziel für anspruchsvolle Urlauber auf der ganzen Welt gilt: Capri. Reporter Harald Braun kam, staunte und schwitzte.

Wäre ich ein spöttischer Mensch, würde ich sagen: Eine Reise nach Capri dürfte für Senioren über 50 Jahren das sein, was sportliche 30-Jährige sich von einem Trek ins Basislager des Mount Everest versprechen. Eine mentale und körperliche Herausforderung nämlich, die sich aber umso mehr auszahlt, wenn man die Mühsal eines solchen Trips erst einmal bewältigt hat.

Aussicht auf die Insel Capri in Italien

Ian Badenhorst

Capri in Italien: Eine Welt für sich auf 10 Quadratmeterkilometern

Natürlich übertreibe ich ein wenig, was Capri angeht, aber hey: Das machen doch schließlich alle. Dafür, dass die Felseninsel aus Kalkstein an der Amalfiküste nur knapp 10,5 Quadratkilometer groß ist, wird ganz schön Heckmeck um sie gemacht. Vorallem von allerlei Literaten und sonstigen Bewahrern der abendländischen Kultur.

»Capri treibt geheimnisvoll auf den durchsichtigen Wassern«,

raunte etwa Andre Gide, ein französischer Literaturnobelpreisträger. Der englische Romancier (und später auch Maler) D. H. Lawrence adelte Capri gleich zu »einem der schönsten Orte der Welt«.

Da mochte Jahrzehnte später auch der deutsche Schlagersänger Rudi Schuricke nicht zurückstehen. Mit dem Hit »Capri Fischer« sicherte sich der Musikant aus Brandenburg an der Havel ab 1946 ein solides Auskommen auf deutschen Tanzbühnen, unvergessen bis heute die berühmte Zeile »Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt«. Refrain: »Bella, bella, bella, Marie«.

Von pinken Cabrio-Taxis und wuseligem Hafentreiben

Mein erster Eindruck von Capri allerdings ist nicht rot, sondern pink. Das schweinchenfarbene Cabrio-Taxi, das mich an der Marina Grande nach knapp einstündiger Fahrt mit der Fähre einlädt, wirkt auf gut gelaunte Weise so albern wie das Gefährt einer Horde Junggesellen auf der Hamburger Reeperbahn.

Shoppingstraße auf Capri

Sario Toledo/Shutterstock.com

Am Hafen selbst brodelt es. Überall Tagesgäste, die entweder abreisen, ankommen oder nicht so genau zu wissen scheinen, in welche Richtung sie eigentlich wollen. Kunterbuntes Durcheinander wäre untertrieben. Capri mag ein besonders mondäner Ort sein und viele seiner Übernachtungsgäste überwiegend distinguiert, aber wir reden hier immer noch von Italien. Da gehört Chaos halt mit zum Straßenbild.

Kurve um Kurve hinauf: Der Verkehr auf Capri 

Was bei der Fahrt vom Hafen hoch hinauf zu Capri-Stadt folgt, sind Nahtodmomente im 30-Sekunden-Rhythmus. So lange dauert es auf den engen Gassen, von einer schlecht einsehbaren Kurve zur anderen zu gelangen und dabei nicht mit dem Gegenverkehr zu kollidieren. Mein Taxi ist nicht nur pink und ohne Dach, sondern auch eigentümlich lang gezogen. Die bizarre Stretchlimo hat gleich zwei Rückbänke. So sehen Autos auf dem Festland nicht aus.

Der Grund: Auf der 6,3 Kilometer langen und nur 2,7 Kilometer breiten Insel werden Fiat Scudos oder Nissan Evalias in einer zweckdienlich umgebauten Variante genutzt. Es geht schließlich darum, die kuriosen Kisten möglichst effektiv zu besetzen. Autoverkehr ist auf Capri eine Disziplin für Lenkradkünstler mit Geduld. Kommt auf der Fahrt einer der kurios geschrumpften Inselbusse entgegen, ist Millimeterarbeit in Schrittgeschwindigkeit gefragt.

Für Menschen, die zu Nervenzusammenbrüchen neigen, empfehle ich stattdessen die Fahrt mit der Funicolare. Das ist die Seilbahn auf Capri. Die verbindet den Hafen mit der Piazza Umberto I im Zentrum von Capri- Stadt. Die Option, die Strecke vom Hafen zur Stadt zu Fuß zu gehen, ist theoretisch zwar auch möglich. Wäre aber sehr verrückt, gleich aus zwei Gründen: Zu steil. Zu eng. Sucht euch was aus.

Straße auf Capri

Guido Amrein Switzerland/Shutterstock.com

Grandiose Aussichten auf die Amalfiküste

Der Eindruck, dass es sich bei Capri um eine sehr kleine, sehr enge und sehr steile Insel handelt, dürfte bereits vermittelt worden sein. Das hat zwei Effekte. Zum einen genießt man schon nach kurzer Fahrt grandiose Aussichten auf die abwechslungsreiche Amalfiküste. Zu den gängigen Capri-Motiven gehören ja bekanntlich die bunten, in Terrassen angelegten Häuser, die sehr eng an steilen Bergen kleben – aber eben auch diese Fotos vom tiefblauen Thyrrhenischen Meer in den Buchten Capris am felsigen Strand.

Dass Capri auch die »blaue Insel« genannt wird, hängt also nicht nur mit der »Blauen Grotte« zusammen. Wobei die Grotte wohl die beliebteste Sehenswürdigkeit Capris sein dürfte.

Kleiner historischer Einschub: Der Dichter und Maler August Kopisch entdeckte die berühmte Höhle, die man nur schwimmend oder mit dem Boot erreichen kann, am 17. August 1826. Er notierte seine Begeisterung über die »himmelblaue Grotte« noch am selben Tag im Gästebuch seiner Pension, veröffentlichte eine Reportage darüber allerdings erst Jahre später.

Fun Fact: Die Höhle hieß bei den Einheimischen zuerst noch »Teufelshöhle«, bevor sie zur »Blauen Grotte« wurde. Warum das? Ganz einfach – der römische Kaiser Tiberius soll zu seiner Zeit darin seine Sklavinnen eingekerkert haben. Jedenfalls löste Kopischs schwärmerische Reportage einen Touristenboom auf Capri aus. Alle wollten diesen Ort, der »über die Farben aller Edelsteine verfügte«, mit eigenen Augen sehen. Erst kamen die Maler, dann die Schriftsteller und mit ihnen der Rest der Welt – bis heute.

Blick in die Blaue Grotte

Will Truettner

Immer bergauf in Capri

Der zweite Effekt, der sich schon nach wenigen Stunden auf Capri einstellt, ist: Kurzatmigkeit. Jedenfalls bei Menschen, die nicht täglich für einen Triathlon trainieren. Wer auf Capri ein paar Minuten zu Fuß geht – und das muss man, weil das Zentrum Capris mit seinen verwinkelten Gassen viel zu eng für den Autoverkehr wird –, dürfte gehörig ins Schwitzen kommen. Und das hat nichts mit dem mediterranen Klima und den 300 Sonnentagen im Jahr zu tun, mit denen man auf Capri rechnen darf. Spaziergänge auf der dicht bebauten Insel werden schnell zu Treppenmärschen. Dabei lohnen sich diese Exkursionen. Capri ist voller Sehenswürdigkeiten, die sich aufgrund der überschaubaren räumlichen Möglichkeiten meist recht nah beieinander befinden. Man muss halt Treppensteigen mögen.

Allerdings haben die italienischen Behörden Sinn für Humor: An einigen der anstrengendsten Anhöhen haben sie Defibrillatoren gut einsehbar am Wegesrand installiert. Nur für den Fall. Zu den Orten, die man trotz anstrengender Wegstrecken unbedingt anschauen sollte, gehört der reizende Giardini di Augusto – ein botanischer Garten, von dem aus man einen wundervollen Blick über die üppigen Landschaften Capris genießt. Bekannt ist der Ort auch unter dem Begriff »Krupp Garden« – angelegt wurde er nämlich um 1900 herum vom Essener Waffenfabrikanten Friedrich Alfred Krupp. Jener floh auf Capri häufig vor seinen familiären Pflichten im Ruhrpott, weil er seine homosexuellen Neigungen in Italien – und wie man hört, grandios ausschweifend – ausleben konnte.

Strandszene in Italien auf Capri

Will Truettner

Ein Schauplatz von Kultur, Glamour und Hochfinanz

Krupp war kein Einzelfall. Capri entwickelte sich im Laufe des 19. und 20. Jahrhunderts zu einem beliebten Schauplatz von Kultur, Glamour und Hochfinanz. Eine Schlenderei durch die engen Gassen Capris spricht Bände: Juweliere und Modeboutiquen der edleren Art reihen sich hier Tür an Tür. Tagesausflügler, die auf Capri den überwiegenden Anteil der Besucher ausmachen, dürften über die kreativen Preisideen der internationalen Nobelläden staunen.

Dementsprechend mondän stellt sich auch der größere Teil der hiesigen Hotellerie auf. Platz ist Mangelware auf Capri und dementsprechend teuer. Ich steige für zwei Nächte im Capri Tiberio Palace ab.

Das Hotel liegt nur zwei Fußminuten von der berühmten Piazzetta entfernt – oder wie sie offiziell heißt, der Piazza Umberto I. Es verfügt über 54 individuell eingerichtete Zimmer und repräsentiert mit seiner gediegenen Old-Money-Noblesse das Gros der Premiumhotels auf der Insel. Hoteldirektor Oliver Hutten erklärt, dass ihn anonymer Luxus nicht interessiert. Er möchte sein Haus zwar komfortabel, aber lässig. Elegant, aber unaufdringlich und subtil: »Das Capri Tiberio Palace soll den Eindruck machen, als habe ein kultivierter Mensch die ganze Welt bereist und von überallher einige kostbare, charmante Erinnerungsstücke mit zurück nach Hause gebracht.«

Zu Besuch im Capri Tibero Palace

Dass der Globus in all seinen kunstvollen Formen und Farben ein zentrales Dekoelement ist (und darüber hinaus elegante Hollywoodmotive der 1950er- und 60er-Jahre beim kulturaffinen Publikum für Beifall bürgen), dürfte bei dieser Konzeption nicht verwundern. Das Capri Tiberio Palace hat Stil und Persönlichkeit, ohne sich wichtig zu machen. Wer seinen Capri-Besuch von charmanter Herzlichkeit einrahmen lassen möchte, kann hier unbesorgt einchecken. Er sollte allerdings nicht einmal einen Gedanken an den Zimmerpreis verschwenden (müssen). Ein Tipp, der auch für vergleichbare Hotels auf der Insel gilt.

Blick auf die Insel Capri

Sabine Braun

Gut, Capri ist mondän, exklusiv und teuer. Es verlangt vom durchweg mittelalten Publikum – denn für Familien mit Kindern ist der Besuch wohl genauso mühsam wie für Senioren mit Energiedefiziten – durch sein stetes landschaftliches Auf und Ab einen gewissen sportlichen Ehrgeiz. Aber Capri belohnt Besucher dafür auch mit magischen Orten wie der »Blauen Grotte«, dem Blick auf die Steilküste an der Piccolo Marina. Auch schön sind die skulpturalen Faraglioni-Felsen, die knapp 100 Meter aus dem Meer ragen und zu den signifikantesten Motiven Capris gehören. Allein in der noblen Via Vittorio Emanuele und der nicht minder extravaganten Via Camerelle werden täglich Umsätze generiert, über die sich Berliner Einkaufszentrum freuen würde.

Die Villa San Michele

Auf dem Weg von Capri nach Anacapri (den einzigen beiden Orten auf der Insel) liegt zudem die Villa San Michele, eine weiße Villa im sarazenisch-romanischen Stil. Sie gehörte einst dem Leibarzt der Königin von Schweden und ist heute als Museum eine der meistbesuchten Sehenswürdigkeiten der Insel. Allein die Lage der Villa an der Steilküste ist einen Besuch wert. Auch hier bietet sich wieder einer der spektakulären Panoramablicke, mit denen Capri so verschwenderisch hausiert.

Beneidenswert, das alles, klar. Dass Capri aber dank des römischen Kaisers Tiberius von 26 bis 37 n. Chr. elf Jahre lang der offizielle Mittelpunkt der Welt gewesen sein soll, erstaunt dann doch ein wenig. Ernsthaft? Eine zehn Quadratkilometer große, zugegeben recht schicke Insel das Zentrum der westlichen Welt? Wäre ich ein spöttischer Mensch, würde ich sagen: Die spinnen, diese römischen Kaiser.

die Villa San Michel

Guido Amrein Switzerland/Shutterstock.com

Mehr Infos zur Insel Capri in Italien

Anreise. Capri ist ausschließlich mit der Fähre erreichbar. Das ganze Jahr über gibt es mehrere Verbindungen ab Neapel, Sorrent, der Amalfiküste und Ischia.

Capri Tiberio Palace. Via Croce 11-15, 80073 Capri. Eine Nacht für zwei Personen ab € 635.

Hier zeigen wir euch die schönsten Orte auf Capri.