Klar ist China laut, eng und stickig. Dass es aber auch unermesslich weit und sagenhaft schön ist, hat unser Autor in Pekings höchstem Gebäude, auf der Chinesischen Mauer und auf dem Rücken eines Pferdes im Grasland der Mongolei erfahren. Text: Jan Schnettler
Die Stille der Mongolei
Sie klingelt regelrecht in den Ohren, die Stille. Nichts, aber auch gar nichts ist zu hören, außer dem sanften Klappern der Pferdehufe im trockenen Gras und dem gelegentlichen Zirpen einer Grille; nur hin und wieder durchschneidet noch das heisere Hü oder Hott eines mongolischen Steppenreiters die vollkommene Ruhe. Man könnte getrost die Augen schließen und die milde Sonne das Gesicht benetzen lassen; die kleine Herde, die unter einem wolkenlosen Himmel über das Plateau trabt, findet den Weg schon von allein.
Aufs Ein-und Ausatmen könnte man sich beschränken, einem Traum gleich entspannen, die Gedanken so locker lassen wie die Zügel – wenn, ja wenn da nicht noch die Sicht wäre. Ein unbegreiflich schönes Blickfeld, das einem nicht etwa den Atem raubt, sondern vielmehr schallende Hallowach-Ohrfeigen austeilt.
Auf und ab wippt es, im Takt des Hufschlags, so klar wie die Luft: sanft geschwungene , mit nichts außer ein dem Teppich aus Gras und Erika bewachsene Hügelkuppen, viel weiter, als das Auge reicht; ein 360- Grad-Horizont, ohne Zeichen von Zivilisation, nur gesprenkelt mit glotzenden Kamelen, deren Kiefer unablässig malmen.
Ansonsten: schier endlose Fläche, nur Himmel, nur Ferne, nur Weite.
Weite, die selbst gestandene Touristen und stoische Großstadtchinesen in die Knie gehen lässt. Den Rucksack abgeworfen, den Körper ins warme Gras gebettet, die Arme unter dem Kopf verschränkt. Den Blick himmelwärts gerichtet. Weite, die Ehrfurcht gebietet. Selbstredend kann man sich China, diesem Riesenreich mit 1,4 Milliarden Menschen, durch den hautnahen Kontakt nähern, durch Tuchfühlung: sich ins Getümmel Shanghaier Straßenschluchten stürzen, sich durch die Verbotene Stadt quetschen, sich von übereifrigen Ordnern in eine bereits überfüllte Pekinger U-Bahn pressen lassen. Das alles ist China.
Geschubse, Geplärre, Gerüche und ganz besonders der permanente Verkehrskollaps. Doch China ist eben nicht nur überfüllt, laut und stickig.
Und wer die wahren Dimensionen und die unermessliche Weite des Landes erahnen möchte, ist gut damit beraten, ihm aufs Dach zu klettern. Etwa im Hochland der Mongolei. Denn die hat weit mehr zu bieten als weiche Pferderücken.
Gegentala, ein weites Grasland mitten im Nirgendwo
Gegentala heißt die Gegend, eine wahre Augenweide 150 Kilometer nördlich von Hohhot, der Hauptstadt der autonomen Provinz. Ein weites Grasland mitten im Nirgendwo, für chinesische Verhältnisse sehr behutsam touristisch erschlossen. Dementsprechend überrumpelt fühlt man sich bisweilen, wenn die Moderne dann doch durch das pastorale Idyll blitzt – und hinter dem nächsten Kamm zwar eine Holzhütte wartet, dahinter aber wiederum Mini-Windräder und Solarmodule.
Oder die Landesfahne auf einer Kuppe nicht so sehr Nationalstolz markiert, sondern die Absturzstelle von Teilen einer in der Nähe gestarteten Raumrakete. Und im Hochsommer muss man kurzzeitig sogar auf der Hut vor Hektik sein: Dann lädt ein aus der Wiese gestampftes Betonstadion Tausende Besucher zum Naadam-Festival ein, einer Art mongolischer Schauwettkämpfe von Ringen über Reiten bis hin zu Bogenschießen. Üblicherweise jedoch bietet Gegentala für westliche Touristen eine angenehme Mischung aus fremdartiger Folklore und Abgeschiedenheit – nicht zuletzt, weil es (noch) kaum andere westliche Touristen gibt.
Kern der Anlage ist ein Jurtendorf: In drei Preis- und Ausstattungskategorien, vom rustikalen Nomadenzelt bis zum gemauerten Nachbau mit Glasfront und Terrasse, lässt es sich mit Blick auf einen unendlichen Sternenhimmel übernachten – und ebenso unendlich tief durchatmen. Die Luxujurten gehören dem Hohhoter Shangri-La-Hotel, das seinen Gästen nicht nur das Einchecken bereits im Shuttlebus vom Flughafen ermöglicht, dort drahtlosen Internetempfang vorhält und Thai- Massagen auf dem Zimmer anbietet, sondern eben auch Rundum-Sorglos-Touren in die Sandwüste oder ins Grasland organisiert.
Zum Paket gehören der Empfang durch eine berittene Eskorte in mongolischer Kriegstracht, eine kulturelle Darbietung (imposant: der Kehlkopfgesang) und sündhaft leckere landestypische Speisen in rauen Mengen – mongolisches Barbecue in Reinform, inklusive Milchtee, getrockneter Milchhaut und am Stück gebratenen Lamms.
Drei Millionen Einwohner? Für chinesische Maßstäbe keine Metropole!
Das Fünf-Sterne-Haus bietet einen prächtigen Blick über die »blaue Stadt«, die mit läppischen drei Millionen Einwohnern nach chinesischen Maßstäben zwar beileibe keine Großstadt ist. An jeder Ecke jedoch ist ersichtlich: Sie ist auf dem Sprung. Schon jetzt kann sich die Skyline mit Los Angeles locker messen, auch wenn an vielen Wolkenkratzern noch ein Kran lehnt.
Dementsprechend viele Anstrengungen werden unternommen, um das Gesicht und die kulturelle Vielfalt der Ende des 16. Jahrhunderts von Altan Khan gegründeten Stadt zu wahren: In der Feilscher-Meile Muslim Street (empfehlenswert: die Gebetsmühlen mit Solarzellen; höchster Folklore-Faktor: kleine Wollschäfchen, die zur Zierde in ein Bett aus Petersilie und Bonbons aus getrocknetem Rindfleisch gesetzt werden; gefährlich: 68-prozentiger Wodka im Dschingis-Khan-Flachmann) lugt plötzlich eine gepflegte christliche Kirche zwischen Hütten hervor, und der älteste buddhistische Tempel der Stadt, Da Zhao, wird rege von Gläubigen benutzt, die sich nicht im Geringsten um Touristen scheren.
Zwar ist die ursprüngliche Bevölkerung zum Großteil von Han-Chinesen verdrängt worden, dennoch ist die mongolische Kultur allgegenwärtig: in den Schriftzeichen, die an vielen Häusern prangen, in der unchinesischen Gelassenheit, mit der die Mongolen ihre Tiere am Rande dicht befahrener Straßen schlachten; und am Gegentala-Tourismusprojekt sind immerhin zu 45 Prozent Mongolen beteiligt.
Zu Besuch an der Chinesischen Mauer
Szenenwechsel – und zwar einer, wie er einschneidender kaum sein kann. Auf den Zinnen des Bauwerks, das die Landesmythologie prägt wie kein zweites, pfeift an diesem wolkenlosen Morgen ein laues Lüftchen. Der Blick schweift in die Ferne, über saftig grüne Bergkuppen und eine dicht bewachsene, fruchtbare Talsohle hinweg.
Wie ein in Granit gegossener Lindwurm windet sich die Chinesische Mauer über die Hügelkämme, in bisweilen waghalsig anmutenden Neigungswinkeln und Steigungsgraden, klettert hier spielerisch eine Anhöhe hinauf, scheint dort für ein paar Meter regelrecht ins Bodenlose zu stürzen.
Kaum ein zweiter Abschnitt ist so gut erhalten wie dieser, benannt nach dem am Hang liegenden Dörfchen Mutianyu 60 Kilometer nordöstlich von Peking; hinzu kommt, dass er nicht so überlaufen ist wie Badaling, das bekanntere Teilstück weiter im Westen. Auf dem 2,3 Kilometer langen Kraxelkurs an 22 Wachtürmen vorbei gelingt es mit etwas Glück und Geschick sogar immer wieder, die Touristen aus dem Blickfeld zu drängen und plötzlich in eine leere Kehre zu blicken oder von der Mauerkrone hinab einen Blick auf einen scheinbar menschenleeren Teilabschnitt zu erhaschen. Fast hört man sie, die mongolischen Reiterhorden, derentwegen die Mauer seit dem 6. Jahrhundert immer wieder nachgebessert und neu befestigt wurde.
Eine Fackel im weithin sichtbaren Wachtturm angezündet: 500 Reiter im Anmarsch, zwei Fackeln: 1.000. Bis hinab nach Peking loderte der Schein der Flammen damals, wo es nicht zuletzt die kaiserlichen Gräber zu beschützen galt. Und seit sich die Luftqualität in der Hauptstadt infolge der immensen Anstrengungen rund um die Olympischen Spiele 2008 massiv verbessert hat, bietet Mutianyu bei entsprechendem Wetter eine fast schon unglaubwürdige Sichtachse, die einem Science-Fiction-Film zu entspringen scheint: den freien Blick auf Peking nämlich. Am Horizont, hinter 60 im Raumraffer zusammengequetschten Kilometern, ragen, flimmernd und flirrend und zitternd, wie durch ein Teleobjektiv oder ein Fernglas künstlich vergrößert, die grauen Türme der Millionenstadt in den diesigen Himmel.
Peking fest im Blick
Deutlich auszumachen etwa sind die markanten Konturen von Turm 3 des China World Trade Centers, dem höchsten Gebäude der Stadt. Von der Großen Mauer aus wirkt er wie ein Leuchtturm auf dem Horizont, halb im Meer versunken – ein Effekt, wie ihn sonst wohl nur noch das Burj Khalifa in Dubai hervorbringt. Wer diesen Ausblick genießen will, muss an den unvermeidlichen Nippes-Verkäufern, Obsthändlern und Gauklern vorbei, passiert zunächst aber den verschlafenen Weiler Mutianyu. Hier bietet sich eine letzte Stärkung an, denn die Große Mauer selbst ist, mit Ausnahme einiger Getränke und Eisverkäufer, weitgehend frei von störender Moderne und somit auch Annehmlichkeiten.
Es empfiehlt sich ein Besuch im »Schoolhouse«, einer zu einem Hotelrestaurant umgebauten Schule, wo Nachhaltigkeit und Ökologie großgeschrieben werden: Der Komplex ist behutsam in das kleine, ursprüngliche Arbeiterdörfchen integriert, alle Zutaten (unschlagbar: der Eintopf aus geschmortem Schweinefleisch, Kastanien, gegrilltem Spinat und gedünstetem Reis) stammen aus der Gegend und sind zum Großteil selbst angebaut; angegliedert ist eine Glasbläserei. Hinauf zur Mauer geht es dann per Seilbahn.
Und hinab? Da haben sich die Chinesen etwas einfallen lassen, das ebenso plemplem wie genial daherkommt: eine Sommerrodelbahn. Lustiger als mit einer Schussfahrt fast auf dem Hosenboden lässt sich’s kaum Abschied nehmen von einem der imposantesten Belegexemplare menschlicher Baukunst. Als ein solches kann mit Fug und Recht auch besagter dritter Turm des China World Trade Centers bezeichnet werden. »China World Summit Wing« heißt das darin beheimatete Shangri-La Hotel Beijing, vom ersten in den sechsten und dann vom 64. bis in den 81. Stock erstreckt es sich, 330 Meter hoch thront es im Geschäftsviertel über dem Herzen der Stadt.
In der Nacht braucht man in Beijing keinen Fernseher
Und wer den Wolkenkratzer bereits von der Mauer aus bewundert hat, kann nun die Sichtachse umdrehen und von der Badewanne aus den Blick über das schier unendliche Peking schweifen lassen, hinüber zu den Bergen, hinauf zu den Wolken, hinab zu den Fußgängern von der Größe eines Stecknadelkopfes. Speziell nachts entspinnt sich jenseits der riesigen Fensterfronten ein Schauspiel aus Neonlicht, illuminierten Hochhausfassaden und pulsierenden Verkehrsadern, das den Fernseher überflüssig macht.
Doch auch tagsüber bietet sich jedem Gast seine individuelle Galerie, je nach Zimmerlage bestückt mit der Verbotenen Stadt, dem Platz des Himmlischen Friedens, dem Nationalstadion oder der benachbarten künftigen Sendezentrale des Staatsfernsehens CCTV, deren schräge Torbogenform von oben zwar ähnlich beeindruckend aussieht wie von der Straße aus – aber trotz ihrer 234 Meter zu einem Modell zu schrumpfen scheint.
Luxus im Shangri-La Hotel in Beijing
Eine der höchstgelegenen Lounges Pekings (die gediegene »Atmosphere«-Bar), eines der größten Spas (die Ruheoase »Chi«), eines der höchstgelegenen Restaurant, einem der höchstgelegene Pool – die Superlative, die sich aus der bloßen Höhe des Gebäudes ergeben, werden nie sich selbst überlassen, sondern stets mit Inhalten gefüllt. So wird etwa die Vorliebe für Kronleuchter, für die Shangri-La bekannt ist, selbst in den Aufzügen konsequent umgesetzt, das »Nadaman« ist das vielleicht beste japanische Restaurant im Großraum Peking – und ein Dinner in einem der »Chairman Rooms« wird bisweilen von den Klängen eines Zitherspielers veredelt.
Vom Shangri-La Hotel Beijing aus können Besuche der Mauer ebenso organisiert werden wie Fahrten zum zu Recht für seine Peking-Ente berühmten Restaurant »Quanjude« in der Fußgängerzone Qianmen oder zum Himmelstempel (Tipp: samstags kommen). Dann ist die Chance am größten, von rüstigen Rentnern zum Indiaca- Spielen, Tanzen oder Singen eingeladen zu werden – hoch im Kurs steht zu jeder Jahreszeit das »deutsche Volkslied « »Jingle Bells«). Mit anderen Worten: Das Shangri-La Hotel Beijing ist die optimale Basis für Ausflüge vom Superlativ ins Bodenständige, vom Überblick ins Detail, von Chinas unermesslicher Weite in Chinas intensive Nähe.