Märchenhaftes Jordanien – wo Lawrence von Arabien einst vom Kamel fiel und Indiana Jones bereits die Peitsche schwang, offenbaren endlose Sandwüsten, tosende Wasserfälle und Petra, die rosarote Felsenstadt der Nabatäer, betörend schöne Trekkingtouren. Unser Autor Norbert Eisele-Hein berichtet von seiner Jordanien-Rundreise.
»Lawrence von Arabien« war mein erster Film im Cinemascope-Format. Auf Zehenspitzen bin ich damals an der Kinokasse vorbeigetänzelt. Schließlich stand auf den Plakaten klar und deutlich ab zwölf Jahren, und ich war gerade mal acht. Nervös baumelten meine Beine im Rasiersitz der vordersten Reihe. Mit weit geöffnetem Mund und Augen erlebte ich Sir Peter OToole in seiner Kultrolle als britischen Offizier Thomas Edward Lawrence.
Braun gebrannt und mit stechend blauen Augen führte er die arabischen Stämme zum Sieg über die osmanische Besatzungsmacht. An seiner Seite kämpften der schöne Omar Sharif und der ungestüme Anthony Quinn, der Auda, den Stammesfürsten der Howeitat mimte. Gnadenlose Action in der Wüste und monumentale Aufnahmen einer mir völlig unbekannten Welt aus ewigem Sand, gleißender Sonne und mächtigen Gebirgen ließen mein kleines Abenteurerherz frohlocken. Schon im zarten Kindesalter stand fest: Da musst du mal hin!
Taucher schätzen den Korallenreichtum des Roten Meeres im Süden bei Aqaba, doch ansonsten zieht es meist nur klassische Trümmertouristen nach Jordanien. Die meisten davon über christliche Bibelkreise motiviert: Jesus wurde im Jordan von Johannes getauft, Moses schlug bei Wadi Musa mit seinem Stab Wasser aus dem Felsen, Lots Frau erstarrte an den Ufern des Toten Meeres zur Salzsäule, wie im ersten Buch Mose zu lesen ist …
Jordanien-Rundreise: Start in Amman
Wir wollten das Märchenland im Nahen Osten mit den Wanderschuhen erkunden. Und so viel vorweg: Berge, Schluchten, Canyons, Wüste und das Rote Meer bieten beste Bedingungen für eine Jordanien-Rundreise. Zur Akklimatisation an die fremden Sitten streifen wir zuerst durchs Zentrum von Amman, der Hauptstadt Jordaniens.
Alte Männer sitzen beim Backgammon oder rauchen eine Shisha, eine Wasserpfeife. Die einen diskutieren lautstark und gestenreich das Spiel, die anderen scheinen mit dem Tabakrauch im Nirwana abzutauchen. Dazwischen wuseln junge Kellner mit Tabletts voller Tee- und Kaffeegläser. Andere hantieren kunstvoll mit dem Nachschub glühender Kohlen für die Wasserpfeifen.
Auf den ersten Blick wirkt alles wie ein heilloses Durcheinander. Aber das Chaos hat Prinzip. Wer genau hinsieht, wird feststellen, dass der tausendfach wiederholte Ablauf der Geschehnisse eine spezielle Form arabischer Meditation darstellt. Eine satte Rampe bringt uns in gut 15 Minuten Fußmarsch auf den Zitadellenhügel über der Stadt.
Zwischen den Überresten der im zweiten Jahrhundert von Kaiser Marc Aurelius erbauten Tempelanlage lauschen wir dem markerschütternden Schrei des Muezzins – arabischer Soulfood für Leib und Seele. Weit reicht der Blick über die restlichen sechs Hügel der Metropole.
Wein-, Weib- und Gesangfresken im antiken Theater
Etwas unterhalb fällt sofort das antike Theater auf. Zu Zeiten der römischen Besatzung, als Amman noch Philadelphia hieß, fasste es 6.000 Zuschauer. Die kolossale Arena ist noch prächtig erhalten. Umrahmt von Verkehrstrubel und Werbeplakaten wirkt sie wie eine Spiegelung aus längst vergangenen Tagen. Eine ausgedehnte Wüstenschleife bringt uns zu den ca. 100 Kilometern östlich von Amman gelegenen Omayyaden-Schlössern.
Sinn und Zweck dieser völlig abgelegenen Bauwerke sind bis heute nicht ganz geklärt. Von einer mobilen Hofhaltung zur besseren Kontrolle der Nomaden und zur Sicherheit vor der seuchengebeutelten Großstadt ist die Rede. Viele Forscher sind jedoch der Meinung, dass es sich schlichtweg um frühislamische Lustschlösschen handelte. Jedenfalls sprechen die frivolen Fresken über Wein, Weib und Gesang Klartext darüber, dass die aus Damaskus stammenden Omayyaden im siebten und achten Jahrhundert das Bilderverbot des Islams nicht ganz so eng sahen.
Bizarrer Canyon mit Wasserfällen, Stromschnellen und Gumpen
Die gut 1.200 Höhenmeter lange Abfahrt mit dem Mietwagen zum Toten Meer entpuppt sich als bestes Autokino während unserer Jordanien-Rundreise. Zwischen Granitblöcken und schwarzen Basaltbändern lenken wir eine Kehre nach der anderen zu Tal. Bei gut 35 Grad im Schatten träumen wir insgeheim schon von einem Sprung in die kühlen Fluten. So salzig wird das Wasser schon nicht sein. Palmen, Sonnenliegen und Strandkörbe zeichnen sich im flirrenden Wüstenstaub ab, steigern unsere Erwartungen. Doch 30 Prozent Salzgehalt vereiteln jegliche Erfrischung. Das Wasser hilft zwar wirksam gegen diverse Hautkrankheiten, aber schon der kleinste Tropfen »Totes Meer« auf der Zunge oder gar in den Augen brennt wie die Hölle.
Dafür beschert uns der enorme Auftrieb die klassischen Aufnahmen, wie wir in aller Seelenruhe Zeitung im Meer lesen können. Und somit wird der mit 420 Meter unter Null tiefste Punkt unseres Planeten trotz allem ein Höhepunkt unserer Reise. Tipp: Im nahen Wadi Mujib lässt es sich unbeschwert wandern und plantschen. Das steil zu Tal fallende Süßwasser hat einen bizarren Canyon mit Wasserfällen, Stromschnellen und Gumpen freigespült.
Besuch im Biosphärenreservat Dana
Heute stehen ein paar Stunden Autofahrt während unserer Jordanien-Rundreise auf dem Programm. Auf halbem Weg zwischen dem Toten Meer und dem Golf von Aqaba steuern wir zunächst Richtung Dana – in ein 308 Quadratkilometer großes Biosphärenreservat. Vom Rummana Camp auf bald 1.400 Metern Seehöhe windet sich der White Domes Trail über volle acht Kilometer zwischen und über unzählige versteinerte Kamelbuckel hinweg. Eine echte Sahneschnitte für Trekker.
Überwältigend – der Ausblick auf die Wüste und die ‚Domes‘, die vom Weltall wohl aussehen wie ein Schokoigel mit puderzuckerbesprenkelten Stacheln.
»Hier gibt es ein paar Flecke, wo schon König Hussein und seine Gemahlin Noor gerne ungestörte Stunden verbrachten,« plaudert unser Guide Suleyman aus dem Nähkästchen und adelt das Terrain damit einmal mehr.
Tags darauf kurven wir in das Hochland von Edom nach Petra. Erst 1812 entdeckte der Schweizer Johann Ludwig Burckhardt die von mächtigen Felsriegeln hervorragend versteckte rosarote Felsenstadt der Nabatäer wieder. Die bizarre Felsenwelt liegt strategisch günstig an der historischen Weihrauchstraße.
Dieser Standortvorteil gepaart mit einer geschickten Handels- und Zollpolitik verhalf den Nabatäern zu erklecklichem Reichtum. Petras Felsenwelt aus Canyons und Bergrücken wurde nur mithilfe von Hammer, Meißel und dank einer unglaublichen Künstlerschaft zu einer Großstadt mit Wassersystemen, riesigen Kirchen, Theatern und Grabkammern.
Petra – eines der sieben Weltwunder der Neuzeit
Das Unesco-Weltkulturerbe wurde am 07.07.2007 in Lissabon auch zu einem der sieben Weltwunder der Neuzeit gekürt. Als Glanzlicht der versunkenen Zivilisation gilt das »Khazne al-Firaun«. Dieses Schatzhaus wird regelmäßig von Hollywood frequentiert. Harrison Ford durfte vor der berühmten Fassade die Schlussszene für seinen Kassenknüller »Indiana Jones und der letzte Kreuzzug« drehen. Die Treppenwege und Trails bis zum Kloster »Ad Deir« verlaufen zwischen 800 und 1.350 Metern Seehöhe und sind ein Paradies für Wanderer. Etwas außerhalb, bei Klein-Petra wartet eine weitere Mondlandschaft aus unzähligen Hügeln.
Auf der rauen Oberfläche der versteinerten Dünen haften die Wanderschuhe wie Marmelade an den Fingern. Somit lassen sich selbst enorme Steigungen spielend meistern. Fototipp: der Elefantenfelsen direkt neben der Verbindungsstraße. Im Wadi Rum, wo ein Großteil des Filmepos Lawrence von Arabien an Originalschauplätzen gedreht wurde, gibt es auch heute noch kaum Touristenrummel. Das Land gehört, wie schon zu Zeiten Lawrence’, immer noch den Howeitat. Der stolze Beduinenstamm vermietet heutzutage Kamele, Pferde und Landcruiser für Trips in die Wüste und zu den grandios gelegenen Wüstencamps.
Hohe Temperaturunterschiede und die ständig nagende Erosion haben diese vor 30 Millionen Jahren entstandene Bergwüste zu einem fantastischen Felsenzirkus geformt. Zwischen den mehrere Hundert Meter steil aufragenden Felsen haben sich sogar weit ausladende Steinbögen gebildet, die wir problemlos überschreiten können. Etwas Schwindelfreiheit vorausgesetzt. Aber Vorsicht. Ein paar Kurven zu viel, dazu ein kleiner Sandsturm, und die Orientierung ist im Eimer.
Eine Wüstennacht unter dem Sternenhimmel
Wer unbeschwert wandern und entdecken will – ohne Gefahr zu laufen, dabei zu verdursten –, sollte unbedingt mit seinem beduinischen Führer zu den schönsten Plätzen des Wadis fahren und genaue Absprachen treffen oder GPS-Daten vereinbaren. Eine Wüstennacht unter freiem Sternenhimmel zu verbringen ist auf jeden Fall ein Muss.
»Der Sternschnuppenhagel über dem Wadi Rum schlägt jeden Blockbuster mit Leichtigkeit«, erklärt uns Ali Nawafleh mit einem verklärten Blick in die Nacht.
Er hat erst Ende 2016 sein geniales Wadi Rum Night Luxury Camp frisch aus der Wüste gehoben. Die aufblasbaren Zimmer mit ihren durchsichtigen Kuppeln gewähren selbst in der Horizontalen vollen Einblick in die Milchstraße. Schon jetzt übertrifft Jordanien, vor allem das Wadi Rum und Petra, unsere kühnsten Erwartungen. Mein persönlicher Kindheitstraum von einst hat sich voll erfüllt. Und auch der halbwegs Erwachsene in mir grinst breit und zufrieden.
Am Ziel in Aqaba und somit wieder auf Meereshöhe haut uns die Hitze schier aus den qualmenden Socken. Um 22:30 Uhr zeigt das Thermometer immer noch 32 Grad Celsius. Vielleicht war das auch der Grund für Lawrence’ größte Schlappe. In seinem Buch »Die sieben Säulen der Weisheit«, einem Meisterwerk über die arabische Volksseele und die eiskalte Kolonialpolitik der Engländer, schildert er minutiös den Sturm auf Aqaba und damit die Vertreibung der Osmanen. Allerdings verschweigt er galant, dass er schon zu Beginn der Schlacht vom Kamel fiel. Erst nach siegreicher Beendigung des Gemetzels erwachte er im Wüstenstaub aus seiner Ohnmacht.
Infos für eine Jordanien-Rundreise
Nützliche Infos für eine Jordanien-Rundreise liefert das Fremdenverkehrsamt von Jordanien. Den reisen-EXCLUSIV-Guide mit vielen Tipps für eine Jordanien-Rundreise gibt’s hier.