Das Heilige Tal der Inkas erstreckt sich entlang des Urubamba-Flusses zwischen Cusco und Machu Picchu. Am besten erkundet man die unzähligen imposanten Hinterlassenschaften des Inkareiches in der Hügellandschaft zu Fuß – und genießt ganz nebenbei eine Andenküche, die sich gerade selbst neu erfindet.

Ich fröstle ein wenig, als ich aus dem Bus steige. Mittlerweile haben wir acht Uhr morgens, und die Umgebung  hüllt sich in müdes Grau. Nebel. Überall. Auf knapp 3.800 Metern über dem Meeresspiegel nichts Ungewöhnliches. Er darf da schon mal ein bisschen in der Cordilleira hängen, schließlich bekommt die Natur auf diese Weise stets ihre ersehnte Feuchtigkeit, ehe die Sonne in einer halben Stunde kräftig dagegen ankämpfen und ziemlich sicher auch gewinnen wird.

Straße im Heiligen Tal der Inkas in Peru

Andreas Dauerer

Meine Reisebegleiter haben endlich ihre Stiefel geschnürt, und es kann losgehen. Auf engen Pfaden wandern wir vom kleinen Ort Misminay aus bergab. Mit etwas Bewegung erwachen in mir auch jene wärmenden Lebensgeister, die man frühmorgens dringend benötigt, damit einem nicht kalt wird.

Farbenbunt: Das Heilige Tal der Inkas

Grün, Grau, Braun – das sind die Farben der peruanischen Bergwelt, die mit jeder Sekunde an Intensität gewinnen. Kommen einheimische Frauen des Weges, wird die Farbpalette durch die traditionellen Kleider noch erheblich ausgeweitet und auch eine Spur greller. Eine willkommene Abwechslung zum morgendlichen Einerlei. Eine Handvoll Esel kreuzt unseren Weg, dick bepackt mit Stroh auf dem Rücken, stapfen sie auf ihren dünnen Beinen, ihre Herren hasten hinterher. Gedankenverloren komme ich gar nicht schnell genug mehr aus dem Weg, sodass mich ein Teil der Ladung die kleine Böschung hinunterbugsiert.

Esel auf einer Wiese in Peru

Andreas Dauerer

Das wäre im Inkareich nicht möglich gewesen, die mussten seinerzeit noch alles selbst tragen, denke ich noch bei mir, während ich um Gleichgewicht bemüht bin. Glücklicherweise war die Fracht weich und der Abhang nicht zu tief. Ein paar Hunde begleiten uns mit hochgestellten Ruten, zwei junge Brüder bewachen brav eine Herde Schafe und schauen etwas argwöhnisch auf die fremde Wandertruppe.

Die kargen Bäume verschwinden allmählich, und plötzlich öffnet sich die Natur. Der Nebel ist verschwunden, alles wird heller, und vor uns liegt eine grüngoldene Ebene, im Hintergrund vom Schnee angezuckerte Berge und darüber das makellose Blau des Himmels. Agaven säumen die Steinmauern der Bauern, und links unten erahne ich schon unser Ziel, das sich tief in die Erde gegraben hat. Moray. Eine der mysteriösesten Stätten der Inkas, von der man noch immer nicht ganz sicher weiß, wozu sie genutzt wurde.

Zwei Jungen sitzen in Peru auf einer Wiese

Andreas Dauerer

Moray – eine geheimnisumwitterte Stätte der Inkas

»Natürlich, das war das Gewächshaus der Inkas.«

Santos, unser Guide, ist sich jedenfalls absolut sicher. Ihm darf man schon aus dem Grunde Glauben schenken, da er hier im Umland groß geworden ist, er hat in Cusco studiert und lebt mittlerweile mit seiner kleinen Familie wieder hier in den Bergen des Heiligen Tales. Auch spricht er noch Quechua, was mittlerweile in seiner Generation der Endzwanziger nicht mehr ganz so selbstverständlich ist. Immerhin stützen auch wissenschaftliche Forschungen seine These.

In den drei amphitheaterrunden Terrassen fanden sie nicht nur jeweils unterschiedliche klimatische Bedingungen vor, nein, die Inkas hatten ganz offenbar auch Erdreich aus anderen Teilen des Landes herbeigeschafft, um hinsichtlich Klima und Bodengüte ihren Anbau zu optimieren. Man fand Guanospuren von Vögeln, die in dieser Höhe nicht leben, ebenso, wie von Muscheln durchtränkte Erde. Für ihre Experimente haben sie also Erdschichten aus 1.000 Kilometer Entfernung zu sich bringen zu lassen, ohne das Rad je erfunden zu haben, versteht sich. »Essen war den Inka-Herrschern offenbar schon immer sehr wichtig«, lacht Santos.

Gaumenschmaus im Restaurant Mil

Damit dürfte er nicht nur bei autokratischen Herrschern auf der ganzen Welt ins Schwarze treffen, nein, das gilt wohl auch für den ganz gemeinen Touristen, der sich zum Wandern und Erkunden ins Heilige Tal begibt. Nicht umsonst hat Küchenchef Virgilio Martínez hier oben, einen Steinwurf über Moray, sein Restaurant Mil eröffnet.

Andreas Dauerer

Da drängt sich natürlich die Frage nach dem Warum auf. Hier oben? Schwer zugänglich und wenig Platz bietend? Sein Michelinstern-prämiertes Restaurant Central in Lima läuft prächtig und wurde auch 2022 wieder unter den besten 50 Restaurants weltweit ausgewählt. Seit der Anfang 40-Jährige dann auch noch Teil der Chef’s Table Serie bei Netflix geworden ist, gilt er international als junger wilder Star der peruanischen Küche.

»Ich möchte hier eine novoandine Cuisine anbieten. Mir ist es wichtig, dass sichtbar wird, wo wir uns befinden. Ob unten im Tal, auf den terrassierten Feldern oder hoch oben in den Bergen. Diese Bandbreite soll sich auch auf dem Teller widerspiegeln.«

Dann holt der schlaksige Küchenchef erst einmal kurz Luft. Unprätentiös kommt er daher, ruhig. Auf dem Boden geblieben und ohne auch nur den Anflug eines Missionierenwollens. Wobei das nicht bedeutet, dass er keinen Enthusiasmus für das verspürt, was er tut. Ganz im Gegenteil. Er fühle sich eher wie ein Forscher und Entdecker, so Virgilio. Einfach Dinge wieder entdecken, die es im Heiligen Tal schon immer gab, sie verfeinern, weiterentwickeln, wieder ins allgemeine kulinarische Gedächtnis rücken. Eine unglaubliche Diversität lasse sich hier finden, und nachdem er jahrelang im Central schon mit den Zutaten aus dem Heiligen Tal gekocht habe, könne er jetzt die Lieferanten noch etwas genauer kennenlernen und obendrein der Region etwas zurückgeben.

4.000 verschiedene Sorten von Kartoffeln gedeihen hier

Spätestens an diesem Punkt kommt die Kartoffel ins Spiel und mit ihr der Mann, der sich damit so gut auskennt wie nur wenige: Manuel Choque. Wenn der Bauer erst einmal auf sein Lieblingsthema zu sprechen kommt, dann leuchten nicht nur seine Augen, sondern dann geht es ans Eingemachte. Quasi direkt an das Heiligste selbst, wobei es sich doch nur um ein Nachtschattengewächs mit Knollen handelt. Mit dem kleinen Unterschied, dass hier im Land gleich über 3.500, manche sagen sogar über 4.000 verschiedene Sorten von Kartoffeln gedeihen. In allen nur erdenklichen Formen und Farben.

Kartoffeln auf Boden liegend in Peru

Andreas Dauerer

Manuel ist zwar Bauer, aber eben auch studierter Agrarwirt und hat die Kartoffeln hier oben zur Genüge erforscht. Zwölf Jahre lang hat er 350 bunte Sorten davon gesammelt und untersucht.

»Bei uns sind die Kartoffeln nicht nur bis zu zehnmal vitaminreicher, sie wirken auch antioxidantisch.«

So ist die Knolle auch heute noch eine Art Allheilmittel gegen jegliche Malaise, die man so haben kann, wobei der natürliche Entzündungshemmer den Inkas auch nicht helfen konnte, ihre relativ kurze Regentschaft von etwa 100 Jahren zu verlängern.

Dann kamen die Spanier und mit ihnen die Eroberung der Neuen Welt. Hinterlassen wurden so wundervolle und mysteriöse Ruinen wie Machu Picchu, Ollantaytambo, Sacsayhuamn, Pisac oder eben Moray. Die Kartoffel allerdings hat sie alle überlebt und kommt jetzt, auch dank Manuel, zu neuer Blüte. Er hat nämlich experimentiert und Sorten gekreuzt, damit sie geschmacklich noch besser werden. 50 davon landen jetzt regelmäßig bei Virgilio auf dem Tisch, was dem Grundnahrungsmittel zu neuen gastronomischen Höhenflügen verhilft, und zwar nicht nur in der Wahrnehmung. Dabei hat es die vielen verschiedenen Kartoffeln, die wir Europäer so gar nicht kennen, schon immer gegeben.

Frische Kartoffeln mit Creme Uchucuta auf dem Markt in Urubamba

Mittwochs auf dem Markt in Urubamba kann man sich davon selbst überzeugen. Dann bieten die Familien genau das an, was sie auf dem heimischen Acker noch übrig haben. Von Farbe und Form ist alles dabei: pink, orange, lila, schlangenförmig, rund, eckig. Gleich geblieben ist jedoch die klassische Zubereitung, direkt in der Huatia, dem typischen Erdofen. Hierzu werden Steine zu einer kleinen, oben offenen Pyramide aufgerichtet, im Inneren Glut entfacht und dann kommen die Kartoffeln vom Feld hinein.

Kartoffeln auf dem Markt in Peru

Andreas Dauerer

Nach ein paar Garminuten kann man sie direkt in den Mund schieben und essen. »Besser geht es kaum«, schwärmt Virgilio, vielleicht noch eine mit einer tiefgrünen Crema Uchucuta, einer einfachen Kräutersoße aus Petersilie, Minze, Koriander und anderen Kräutern auf der einen und Öl, Chilipaste und Feta auf der anderen Seite. Dazu eine Prise Salz aus den, nur einen Steinwurf entfernten, Salineras de Maras, diesen wunderbar in den Felsen eingebetteten Salzpfannen, und schon hat man ein ebenso einfaches wie herrliches Gericht.

Hochgenuss im Virgilios Mil

Mit betont einfachen Zutaten, aber doch etwas raffinierter Zubereitung geht es in Virgilios Mil und neuerdings auch in der Gastronomie des Hotel explora Valle Sagrado zu.

Explora Restaurant in Peru

Explora

Für die Mittags- und Abendkarte des Hotels kreiert der Sternekoch künftig eigens die 3-Gänge-Menüs. Alles, was dem Gast kredenzt wird, kommt selbstverständlich aus der unmittelbaren Umgebung. So finden sich Gerichte wie Enten-Ceviche mit Tarwi und schwarzem Quinoa, Bohnen mit Kresse und Cushuros einer Algenart, die hier in den hochgelegenen Teichen wächst und extrem protein-, calcium- und eisenreich ist, oder Fladenbrot aus lila Mais mit Piscorontu, einer Pflanzenart, und geschmortem Rib Steak auf der Karte.

Gericht in Peru

Andreas Dauerer

Eines von vielen Kartoffelgerichten, natürlich von Manuel Choques Acker, ist die geräucherte Forelle mit Avocado. Als Nachtisch ein Sorbet mit Früchten aus Huacatay oder eine Cacao Quillabamba, ein wahr gewordener Traum für jeden Schokoladenfan. Anschließend bleibt einem nur noch der Gang an die Hotelbar, um das Essen mit einem Pisco Sour abzurunden, ehe man sich schlafen legt und von den kulinarischen Wanderungen im Heiligen Tal erholt. Denn eines muss man selbstverständlich immer berücksichtigen: Wandern, Essen und Trinken sind ja per se schon anstrengend, in Höhen von über 3.500 Metern aber noch ein bisschen mehr. Und dabei ist es fast egal, ob man voll akklimatisiert ist oder eben nicht. Ein Genuss für alle Sinne ist es das Heilige Tal der Inkas jedoch allemal.

Tipps für eine Reise ins Heilige Tal der Inkas

British Airways (via London) oder KLM (via Amsterdam) verbinden Europa täglich mit Lima. Von dort geht es dann weiter in Richtung Cuzco und von dort weiter ins Heilige Tal der Inkas. Das Hotel Explora Valle Sagrado bietet ein besonderes Rundum-Sorglos-Paket an. Bei Zimmerpreisen ab ca. 450 Euro pro Person sind die An- und Abreise zum Flughafen in Cuzco, sämtliche Ausflüge (ganztägig oder zwei verschiedene am Tag) sowie alle Mahlzeiten inkludiert. Neben dem Frühstück gibt es dann mittags und abends ein Drei-Gänge-Menü, das seit Ende Juli eigens von Sternekoch Virgilio Martínez kreiert wurde. Einen ausführlichen Bericht über das Hotel könnt ihr hier lesen.