Die bunten Korallenriffe des Inselstaates Palau, rund um die berühmten Rock Islands, sind voller Leben. Vor allem die zahlreichen Haie machen Palau zum Sehnsuchtsziel für Taucher aus aller Welt. Damit das so bleibt, geht das kleine Land großartige Wege. Text: Sibylle Gerlinger
Ein gewaltiger Stempel ziert eine Seite meines Passes. Ich habe ihn soeben bei der Einreise nach Palau eigenhändig unterzeichnet. Den eigenen Pass gegenzuzeichnen ist ein einzigartiger Vorgang in der Welt. Ich habe dem Land damit ein Versprechen gegeben. Es ist das Palau Pledge. Palau und ich, wir sind nun Verbündete, denn meine Unterschrift verpflichtet mich zu ökologisch vorbildlichem Verhalten in meinem Gastland und zur Unterstützung im Kampf gegen jegliche Form von Umweltzerstörung.
Es zeigt, welche ungewöhnlichen Schritte dieser kleine Pazifikstaat geht, um seine empfindlichen Ökosysteme für nachfolgende Generationen zu bewahren und seine Gäste bittet, gut darauf aufzupassen. Entworfen wurde der Text des ungewöhnlichen Einreisestempels von denen, die es besonders betrifft, den Kindern des Landes.
Palau ist auch in anderer Hinsicht Vorreiter. Seit 2001 ist eine Haischutzzone eingerichtet, illegaler Fischerei wird Einhalt geboten, und ab 2020 sind herkömmliche Sonnenschutzprodukte verboten, da deren giftige Substanzen tropische Riffe schädigen. Nur ausgewählte »reef safe«- Sonnencremes dürfen dann eingeführt und aufgetragen werden.
Unmengen von Schnappern treffen sich zur Paarung
Aber eigentlich sind wir gekommen, um einer Hochzeit beizuwohnen. Die findet zwar alle vier Wochen statt, trotzdem ist gutes Timing hierbei der Schlüssel zum Erfolg. Es sind genau die Tage vor Vollmond, an denen sich Unmengen von Schnappern an der Kante eines bestimmten Außenriffes zur Paarung treffen. Es ist noch dunkel draußen, als wir früh morgens vom Dock der Tauchbasis Sam’s Tours Palau mit dem Speedboot Richtung Tauchplatz starten.
Nicht nur der richtige Tag ist entscheidend. Auch die genaue Uhrzeit kurz nach Sonnenaufgang muss man erwischen. Wie jeden Tag führt die Fahrt zunächst durch die fotogenen Rock Islands. Das sind jene grün bewaldeten Buckel, die zu hunderten aus dem Türkis des Pazifiks ragen. Sie sind das Aushängeschild des Landes.
Als wir »Shark City« erreichen, ist die Sonne bereits über den Horizont gekrochen. Das Wasser ist warm, glasklar und leuchtet einladend königsblau. An der Kante zum Abyss tummeln sich unzählige Fischleiber. Eine unglaubliche Dynamik und Energie geht von den Tieren aus.
Sie sind im absoluten Liebesrausch. Sie folgen ihrer eigenen, geheimnisvollen Choreographie und nehmen von uns keine Notiz. Wild schießen sie hin und her, die paarungsbereiten Tiere ändern sekundenschnell ihre Farbe und ballen sich urplötzlich in großen Knäueln zusammen. Eng an einander geschmiegt schnellen die rot und weiß gescheckten Leiber gemeinsam Richtung Oberfläche.
Abruptes Ende der Fischhochzeit
Die Fischhochzeit erreicht ihren Höhepunkt, eine große Wolke befruchteten Fischlaichs trübt das Wasser. Sofort eilen die Trittbrettfahrer herbei, andere Schnapper, die sich wie wild über diese nahrhafte Suppe hermachen. Derweil ziehen einige Meter tiefer große Riffhaie ruhig ihre Kreise.
Sie können es abwarten, dass der eine oder andere Schnapper in diesem Spektakel unvorsichtig wird und sich als bequemer Snack erwischen lässt. Die immer gleichen Abläufe wiederholen sich eine Stunde lang. Dann ist auf einmal Schluss. Die Protagonisten verschwinden in alle Himmelsrichtungen. Das Riff liegt ruhig unter uns, als wäre nie etwas geschehen.
Und wir? Wir machen uns auf den Weg zum nächsten Tauchplatz. Neben seinen weltberühmten bunt bewachsenen Steilwänden mit den geschützten Riffhaien gibt es zahlreiche weitere Attraktionen zum Tauchen in Palau. Die Gewässer zwischen den Inseln sind gespickt mit japanischen Schiffswracks aus dem Zweiten Weltkrieg. Die ehemalige deutsche Kolonialmacht hat seinerzeit einen Kanal für ihre Schiffe durch das Riffsystem gesprengt.
Heute ziehen Mantarochen majestätisch durch die Strömung des German Channel.
Im nahen Jellyfish Lake folgen abertausende nicht nesselnde Quallen dem Sonnenlicht. Der Dschungelsee ist vor allem ein beliebtes Ausflugsziel für Schnorchler. Tauchen darf man darin nicht. Beim Anblick dieser zarten Schönheiten wird mir die einzigartige und fragile Schönheit dieses kleinen Landes wieder bewusst. Ich denke an das Versprechen, das ich seinen Kindern gegeben habe. Ich werde nichts zerstören, nichts nehmen und nur jene Spuren hinterlassen, die von der nächsten Wellen fortgetragen werden.