Whisky war für mich etwas, das man mit Cola mischt, damit es schmeckt. Ein Fakt, der bei Kennern ratloses Kopfschütteln auslöst. Eine Reise ins Whiskyland Speyside hat mich eines Besseren belehrt, obwohl ich mir am Anfang häufig die Cola herbeigewünscht habe.
Zwei Finger breit. Das ist die Faustregel für die richtige Menge Whisky im Glas. In welchem Glas? Damit fängt das Problem schon an. Und was ist noch im Glas? Wieder ein Grund für Diskussionen. Dinge, mit denen ich mich nie befasst habe.
Nicht bevor ich in der Quaich Bar des Craigellachie Hotels in Speyside war. Dort, wo sich momentan 521 Flaschen befinden. Zumindest behauptet das der niederländische Barkeeper. Ich habe natürlich nicht gezählt. Ich habe einfach dagesessen im ledernen Ohrensessel und mir die unaussprechlichen Namen auf den Feuerwasserflaschen angesehen, die in den Regalen standen.
Erster Whisky in Speyside
Auchentoshan, Knockando, Strathisla – sagt mir gar nichts. Glenfiddich, Talisker, Oban – habe ich schon einmal gehört. Aber nicht getrunken. »Welcher darf es sein?«, fragt der Barkeeper, während er die Gläser poliert, die definitiv nicht aussehen wie ein klassischer Tumbler.
»Mmh. Also, ich bin ein Whiskyneuling. Ich hätte gerne einen Mädchenwhisky für den Anfang.«
Ein Schotte hätte wahrscheinlich bei dem Ausdruck eine Augenbraue hochgehoben, mir einen Whisky eingeschenkt und mich in die Philosophie des gälischen Lebenswassers eingewiesen. Der Niederländer tut das nicht. Er weiß weder, was ich mit Mädchenwhisky meine, noch weiß er, was er jetzt tun soll. Er gießt mir einfach einen zwölf Jahre alten Bunnahabhain ein, weil dies die Flasche neben ihm ist. Und ich sitze da, mit einem bauchigen Glas, einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit, die überhaupt nicht annähernd so süß riecht, wie sie aussieht. Ganz im Gegenteil. Eher torfig, modrig und leicht salzig. Und schmecken? Oh nein, geschmeckt hat er mir ganz und gar nicht. Viel später habe ich erfahren, dass dieser Islay-Whisky zwar leicht torfig ist, aber noch zu der milden Gattung gehört. Was wäre gewesen, wenn mein erster Whisky ein Laphroaig gewesen wäre? Wahrscheinlich wäre das dann mein letzter Schluck geblieben.
Speyside liegt zwischen Aberdeen und Inverness
Aber für einen neugierigen Charakter wie mich sollte es nicht der letzte Whisky an diesem Abend sein. Immerhin bin ich in Speyside, um Speyside zu entdecken. Und Speyside ist Whiskyland. In einem Radius von 25 Kilometern liegen etwa 50 Brennereien, das ist gut die Hälfte der gesamten schottischen Whiskyindustrie. Aber wo bitte ist Speyside? Eine Region, die kaum bekannt ist. Sie liegt zwischen Aberdeen und Inverness im Nordosten Schottlands.
Balmoral Castle, die Sommerresidenz von Queen Elizabeth II., und die Highlands ragen dort hinein. Aber sie sind bei weitem nicht so dramatisch und zerklüftet wie in anderen Teilen des Landes. In Speyside regiert die Ruhe. Die Straßen sind wie leer gefegt. Ich würde fast wagen zu behaupten, dass manche Bürgersteige noch jungfräulich sind.
Keine Menschenseele ist auf der Straße, niemand verlässt eine Kirche oder lehnt aus dem Fenster. Aber es ist idyllisch. Die Schafe grasen auf den satten Wiesen. Der Fluss Spey, nach dem die Region offensichtlich benannt ist, schlängelt sich malerisch durch die unangetastet scheinende Natur. Und ich trinke einen Balvenie Double Wood und lerne noch am ersten Abend, dass Whisky durchaus schmecken kann. Hatte ich erwähnt, dass erst ein anderer Gast mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass »Schotten ihren Whisky nie pur trinken«? Mit Cola? Das war nur ein Gedanke. Niemals hätte ich mich gewagt, es auszusprechen. Aber gewünscht hätte ich es mir, als er das zimmerwarme Wasser in meinen 14 Pfund teuren-Whisky goss.
Und wie kommt ein edler Single Malt in die Flasche?
Wie aus der Gerste Whisky wird, dieser ins Fass kommt und wann eigentlich in die Flasche, lerne ich am nächsten Tag in Dufftown, der Hauptstadt von Whiskyland.
»Rome was built on seven hills, Dufftown stands on seven stills.“
Steht Rom auch auf sieben Hügeln, so hat Dufftown sieben Quellen oder eben sieben Brennereien. Beides würde zutreffen.
Die bekannteste davon ist Glenfiddich, ein Whiskygigant. Und bei der Führung entlang der duftend warmen Maischbottiche, den Kupferkesseln und den Gärbottichen aus Douglasienholz soll ich lernen, wie ein edler Single Malt letztlich in die Flasche kommt.
Das kann man wohl in jeder der 50 Destillerien lernen. Eigentlich könnte ein Speyside-Urlaub so aussehen, dass man von der einen Führung zur nächsten Verkostung wankt und umgekehrt. Aber das wäre viel zu schade, denn die Region hat einiges mehr zu bieten als elegante und blumige Whiskys.
Binnen 20 Minuten mit dem Nostalgiezug nach Rothiemurchus
Doch für einen guten Whisky braucht man auch eine gute Grundlage. Und Rothiemurchus ist ein Örtchen, der einem eine gute Grundlage zum Whiskykonsum ermöglichen kann. Eigentlich ist es ein kulinarischer Ausflug, denn bereits im Zug, dem traditionellen »Strathspey steam train«, gibt es kleine und große Köstlichkeiten. Allerdings muss man im Nostalgiezug schnell essen, denn die einfache Fahrt dauert gerade einmal 20 Minuten.
Macht aber nichts, denn in Rothiemurchus wartet schon das Ord Bàn Café. Ein beliebtes kleines Restaurant, geführt von einem jungen Ehepaar, wo sie in der Küche steht und köstlichen Lachs zubereitet, während er im Schottenrock die Gäste bedient. Ja, und das, was ich hier aufgetischt bekomme, nämlich köstlich zartes Hirschsteak, darf ich danach lebendig auf der Weide beobachten.
Alfie, der Ranger meiner Jeepsafari, eine von zahlreichen möglichen Aktivitäten in Rothiemurchus, zeigt mir mit einer großen Portion schwarzem Humor die wunderschöne Heidelandschaft, die tiefen Wälder, die Aussichten auf die Highlands – ja – und eben das, wofür der Ort bekannt ist. Für Rehe, die wir aus der Hand füttern, und für die urigen Highlandkühe, die sich mit ihrem zotteligen Fell und ihren kleinen Hörnern schützend um die frisch geborenen Kälbchen versammeln.
Oh, nein! Reizüberflutung!
Etwas städtischer ist Elgin, das Herz von Speyside. Die Kathedralenstadt ist nicht nur pittoresk und recht fotogen, sie hat auch, und das ließ mein Herz eindeutig höher schlagen (höher als dies ein Whisky je vermögen könnte), eine Kaschmirfabrik: Johnstons of Elgin. Nach einer Runde durch die Produktion, die sehr interessant ist, weil ich vorher noch nicht wusste, dass Kaschmir mit Disteln wieder aufgeraut wird, oder dass ein Ballen-Burberry-Schal ganz und gar nicht so aussieht, als wollte man davon ein Stück abschneiden, lässt es sich toll in dem Shop einkaufen. Es gibt wunderbare Decken, flauschige Schals, eigentlich alles, was das Herz begehrt. Und ich habe nichts gekauft. Reizüberflutung.
Eine Tatsache, die mir schwer im Magen lag. Auch noch als wir bei Graham Harvey im Craggan Mill Restaurant aßen. Graham Harvey hat mit seiner Frau Sheila McConachie ein Whisky-Kochbuch veröffentlicht. Dort beschreibt er, wie gutes Essen und Whisky zusammenpassen. Statt ihn zu trinken, bekommen wir ihn also serviert, den Whisky. Nach 29 verschiedenen Drinks in drei Tagen kommt mir die Abwechslung mal ganz gelegen, und das Rindertartar getränkt mit Ballindalloch, war ein Hochgenuss. Doch dann, und es tut mir leid, lieber Graham, dann kam die Haggis-Suppe. Im festen Zustand schon eine Mahlzeit, die ich nicht jeden Tag essen könnte, aber die Suppe mit einem 15 Jahre alten Glenfarclas war zu viel für meine Geschmacksnerven. Da habe ich sie dann bestellt – die Cola, und zwar mit Eis und Zitrone, auch gerne im Tumbler.
Tipps für eine Reise nach Speyside: hinkommen, übernachten, speisen
Anreise. Mit British Airways von allen großen deutschen Flughäfen via London nach Aberdeen. Oder nonstop nach Edinburgh. Von dort aus mit einem Mietwagen.
Craigellachie Hotel Banfshire, AB 38 9SR, Tel.: +44 1340 881204. In diesem Hotel gibt es die Quiach Bar. Es ist auch ein guter Übernachtungstipp. DZ ab 130 GBP inkl. Frühstück 8Preise können variieren)
Johnston Cashmere Heritage Centre. Newmill, Elgin, Morayshire, IV30 4AF, Tel.: +44 1343 554099; Von Mo.-Sa. 9 bis 17.30 Uhr, So. 11-17 Uhr,
Strathspey Steam Train. Informationen zum Zug und über den Fahrplan hier.
Rothiemurchus. Jeepsafari, Quads-Ausflüge, Tontaubenschießen und mehr möglich in diesem Ort. Mehr Infos unter:
Ord Bàn Café. Im Rothiemurchus Estate, unmittelbar am Visitor Center, Wartezeiten einkalkulieren
Craggan Mill Restaurant. In einer ehemaligen Wassermühle aus dem 17. Jahrhundert serviert Graham Harvey Spezialitäten mit und um Whisky. Grantown-on-Spey, Moray, PH26 3NT, Tel.: +44 1479 872288,
Malt Whisky Trail. Durch Speyside führt ein Wanderweg, vorbei an den wichtigsten Brennereien.